Landtag,
25. Sitzung vom 25.11.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 28 von 72
wenn wir an die Slowakei denken oder an China denken.
Meine Damen und Herren! Trotz allem kann die Politik
etwas tun. Das ist kein Bekenntnis zur Resignation, wenn ich sage, dass die
Wirtschaft die Führungsrolle von der Politik übernimmt.
Ich muss jetzt noch einmal - und das ist das letzte
Mal in diesem Raum - eine Anleihe bei einer großen historischen Persönlichkeit
nehmen. Der Nachfolger von George Washington als Präsident der Vereinigten
Staaten, John Adams - dieser John Adams war gemeinsam mit Thomas Jefferson der
politische Kopf der Unabhängigkeitsbewegung, während George Washington der
militärische Kopf der Unabhängigkeitsbewegung war -, wurde einmal gefragt,
wodurch er sich von Thomas Jefferson, der seinerseits der Nachfolger von John
Adams als Präsident war, unterscheidet.
Dazu muss man wissen, dass sich Thomas Jefferson und
John Adams von frühester Jugend an gehasst hatten. Sie waren die größten
politischen und persönlichen Rivalen, obwohl sie gemeinsam die
Unabhängigkeitserklärung verfasst haben, und bis ans Sterbebett - sie sind
übrigens am gleichen Tag gestorben - waren sie einander spinnefeind, und zwar
so spinnefeind, dass das Verhältnis von George W. Bush zu John Kerry im
Vergleich dazu ungefähr so ist wie das Verhältnis von Michael Häupl zu Walter
Nettig. (Heiterkeit bei der ÖVP und den GRÜNEN.)
Dieser John Adams hat gesagt, was den Unterschied
anlangt: „Mr Jefferson sagt den Leuten, was sie hören wollen. Ich sage ihnen,
was Sie wissen müssen." Meine Damen und Herren, ich glaube, man hat mir
die ganzen 12 Jahre lang angemerkt, dass ich immer ein Fan von John Adams
gewesen bin, und ich muss zur Kenntnis nehmen, dass Thomas Jefferson viel
berühmter als John Adams geworden ist. (Heiterkeit.) Aber ich warne alle
hier im Raum: Wenn jemand glaubt, er wird deswegen schon ein Thomas Jefferson,
nur weil er den Leuten nach dem Munde redet, so hat er sich getäuscht. Diese
Warnung möchte ich anbringen. Bei Thomas Jefferson kamen schon auch noch andere
Qualitäten dazu.
Aber ich bin - und das ist die Vorbemerkung - ganz
felsenfest davon überzeugt, dass wir trotz allem Interesse, bei unseren Kunden
oder Klienten, bei unseren Wählern, möglichst positiv dazustehen, ihnen auch
sagen müssen, was sie wissen müssen. Was sollen sie wissen? Was müssen sie
wissen?
Erstens, meine Damen und Herren: Es gibt für
Wettbewerb, für Markt und für Globalisierung keine Alternative! Jeder, der
glaubt, dass wir durch ein Weniger an Markt, durch ein Weniger an Wettbewerb
mehr Wohlstand sichern können, der irrt. Die Nachteile einer solchen Politik
wären wesentlich größer als ihre Vorteile und ihre Vorzüge.
Zweitens: Wir müssen trotz dem, was ich zunächst über
die Internationalisierung, die Schwierigkeiten der Internationalisierung gesagt
habe, einen klaren Schritt dazu tun, unsere Politik zu internationalisieren, zu
harmonisieren, innerhalb Europas zu harmonisieren. Das ist für mich eine
conditio sine qua non. Das heißt schon auch Souveränitätsrechte abzugeben, wenn
wir darüber reden, dass wir auf europäischer Ebene zu einer gemeinsamen
Wirtschaftspolitik, zu einer gemeinsamen Steuerpolitik und zu einer gemeinsamen
Sozialpolitik kommen müssen. Das bedeutet natürlich eine Abgabe von
Souveränitätsrechten, aber es ist absolut notwendig.
Meine Damen und Herren! In meiner Partei singen
einige besonders inbrünstig das Hohe Lied von der moralischen Überlegenheit und
Gottgewolltheit des Föderalismus. Ich habe da immer nur bei einer Strophe
mitgesungen: Wenn es um echte Subsidiarität gegangen ist. Denn die echte
Subsidiarität, Dinge dort zu entscheiden, wo der größte Sachverstand zu Hause
ist, wo die Entscheidung den Bürger am billigsten kommt, wo es am schnellsten
geht, das ist ein Prinzip, für das ich immer groß gestanden bin. Aber ich kann
hinter einer österreichischen Rechtsordnung, in der es neun unterschiedliche
Bauordnungen gibt, die göttliche Ordnung nicht erkennen. Ich kann darin auch
nicht das Prinzip der Subsidiarität erkennen, sondern das ist für mich eher ein
Ausdruck landespolitischer Wichtigmacherei und von Krähwinkelei.
Ich weiß, dass das politisch bei den Bürgern ankommt,
gerade in Stress- und Krisenzeiten, wenn alle Bürger sagen: Wir müssen die
Kontrolle über uns selbst bewahren, über den Raum, den wir selbst überblicken
können. Trotz allem aber ist es notwendig, dass wir in erster Linie das
internationalisieren, was politisch internationalisiert werden muss, und die
Subsidiarität den Projekten vorbehalten, die wirklich dem Prinzip der
Subsidiarität vorbehalten werden sollen.
Meine Damen und Herren! Das Wichtigste allerdings in
puncto "Was kann die Politik tun?" - jetzt mache ich noch einen
kleinen Einschub, bevor ich dazu komme. Wirklich ärgerlich, für mich das größte
Ärgernis bei all dem, was wir im Zusammenhang mit Kapitalismus erleben, ist
nicht das Verhalten von Aktionären, sondern das Verhalten von manchen Managern
und Führungskräften. Es tut mir in der Seele weh - als überzeugter
Marktwirtschaftler -, wenn Manager ihre Gehälter laufend ins Unendliche
steigern, und zwar nur dadurch, dass sie ihren Mitarbeitern Sparkurse verordnen
und ihre Mitarbeiter von den Segnungen des Sparens zu überzeugen suchen. Wie
ich da den Ackermann-Prozess, den Mannesmann-Prozess gesehen habe, mit welcher
Selbstgerechtigkeit manche Manager sich hinstellen und das verteidigen, was sie
haben, das habe ich immer degoutant gefunden.
Allerdings bin ich ganz und gar
nicht der Meinung, dass der Staat durch direkte Auflagen eingreifen sollte. Ich
hätte nichts dagegen, sozialen Druck aufzubauen - auch wenn es in Österreich
kein wirkliches Problem ist, es kann aber eines werden -, indem man die Manager
verpflichtet, ihre Gehälter offen zu legen. Ich war früher ein ganz
gravierender Gegner dessen, weil ich nie wollte, dass einer der schlimmsten
menschlichen Eigenschaften, dem Neid, Vorschub geleistet wird. Aber wenn ich
jetzt abzuwägen habe zwischen dem nicht erwünschten Neid auf der einen Seite
und dem Ziel, einen gewissen
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular