Landtag,
25. Sitzung vom 25.11.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 29 von 72
sozialen Druck und soziale Verantwortung aufzubauen, auf der anderen Seite, würde ich mich heute durchaus für ein solches Corporate-Government-Projekt aussprechen. - Das war nur noch ein Einschub.
Aber, meine Damen und Herren, was ist das Wichtigste?
Da bringe ich jetzt den Punkt - und ich komme schön langsam auch schon zum Ende
- im Zusammenhang mit Wien. Wie kann Wien sich in diesem härter werdenden
Wettbewerb behaupten? Wir stehen recht gut da, gar keine Frage, das zeigen auch
die Betriebsansiedlungen - nicht nur die Abwanderungen, sondern auch die
Betriebsansiedlungen zeigen das, man sollte nicht nur immer von Abwanderungen
sprechen -, aber wir könnten sehr viel besser dastehen. Was müssen wir tun,
damit wir in Zukunft noch besser dastehen?
Wenn ich jetzt einmal davon ausgehe, dass wir, auch
wenn es schwierig wird, in den nächsten 10 bis 15 Jahren eine Harmonisierung
der harten Standortfaktoren - wie zum Beispiel die
Unternehmensbesteuerungsgesetzgebung, die Sozialgesetzgebung und auch das
Lohnniveau - in Europa erreichen werden. Wenn das überall gleich ist, dann gibt
es für Wien keinen Wettbewerbsvorteil mehr. Wo sind dann noch immer Wettbewerbsvorteile
für Wien? Es gibt sie in zwei Bereichen, weil die einfach durch
Gesetzesbeschluss in Strassburg oder in Brüssel nicht harmonisiert
werden können.
Das eine ist die Lebensqualität einer Stadt. Das kann
Paris nicht beschließen, dass alle Städte Europas die gleiche Lebensqualität
und die gleiche Attraktivität haben müssen. Die Folgerung daher für Wien ist,
dass Wien alles daransetzen muss, diese Attraktivität und diese Lebensqualität
zu erhalten, vom kulturellen Angebot und von der Ästhetik der Stadt her bis hin
zu den Kaffeehäusern. Das wird in Zukunft, gerade für die Intelligenz - und wir
sind bei Zuwanderung und bei neu zuwandernden Unternehmen vor allem
interessiert an den so genannten intelligenten Produkten -, das wird, auch wenn
es im Moment ein bisschen in den Hintergrund rutscht, wieder an Attraktivität
gewinnen.
Ich plädiere nicht für eine
"Versünnhofisierung" von Wien - alles nur noch Biedermeierstil, weil
es den Leuten so gefällt -, wir brauchen auch ganz klar starke moderne,
dynamische Elemente. Aber das Gesamtbild der Attraktivität und Lebensqualität
der Stadt, mit diesem tollen Vorteil des Nationalparks zwischen zwei
Metropolen, die auf Steinwurf voneinander entfernt sind, ist ja eine Chance,
die kaum eine andere Metropole in Europa hat. Die müssen wir halten.
Das Zweite, was ebenfalls nicht harmonisiert werden
kann, ist die Bildung. Meine Damen und Herren, ich habe es gestern schon in den
Zeitungen gelesen, die PISA-Studie bestätigt - auch wenn ich das Endergebnis
noch nicht kenne -, was ich immer vermutet habe: Österreich ist in
Bildungssachen Durchschnitt. Wenn Sie mit Universitätsdirektoren reden, sagen
sie alle: Wir sind nicht am Schluss, wir sind schon recht gut, aber wir zählen
keineswegs zur Spitze. Es ist mein absolutes Credo: Dieses Land Österreich hat
eine Riesenchance in der wettbewerbsorientierten Welt der Zukunft, wenn wir in
unserem Bildungssystem Spitze werden.
Jetzt werden viele hier in diesem Raum sagen: Herr Dr
Görg, Sie bellen da den falschen Mond an, denn wir sind in Wien - unter
Anführungszeichen - nur für das Pflichtschulsystem verantwortlich, für den Rest
- höhere Schulen, Universitäten - ist ja der Bund verantwortlich. Ich will mich
jetzt überhaupt nicht auf eine Debatte einlassen: Wer ist eigentlich schuld,
dass wir nur Durchschnitt sind? Ich habe nur eine große Hoffnung und auch
Aufforderung an Sie alle, die Sie hier noch als Politiker tätig sein werden.
Ich habe es erlebt: Vor 20 Jahren hat man begonnen,
über die Notwendigkeit von Bildung zu sprechen, in Wirklichkeit war das aber
nur ein Lippenbekenntnis. Ich habe so viele Leute in der Wirtschaft erlebt, die
gesagt haben: Wir sind auch ohne Bildung etwas geworden, hören Sie mir auf mit
diesem lebenslangen Lernen und dergleichen mehr, schauen Sie mich an, ich bin
einmal auf die Hochschule gegangen, und das war's. - Jetzt, in den letzten 10
Jahren, haben einen Fortschritt gemacht. Bildung ist kein Lippenbekenntnis
mehr, sondern es ist ein Kopfthema geworden. Das ist schon ein riesiger
Fortschritt, aber das reicht nicht, meine Damen und Herren!
Wir alle, oder Sie alle müssen einen Beitrag dazu
leisten - wenn Sie wirklich die Zukunft dieser Stadt sichern wollen -, dass
Bildung in dieser Stadt und in diesem Land ein Herzthema wird. So wie es ein
Herzthema ist, dass Markus Rogan bei der Kurzbahn-EM sehr erfolgreich
abschneiden wird und dass Hermann Maier wieder den Ski-Weltcup gewinnen wird:
Die Menschen müssen das verinnerlichen, dass in ihrem eigensten Interesse und
dem ihrer Kinder und Enkelkinder dieses Bildungssystem noch verbessert wird!
Ich freue mich, dass ich gemeinsam mit Freunden
wenigstens einen kleinen Beitrag dazu leisten konnte mit der Popper-Schule. Was
mich immer unglücklich gestimmt hat, ist dass von der Popper-Schule keine
Strahlwirkung auf das restliche, reguläre Schulsystem ausgeht. Denn wir
wünschen, dass die Eltern am Tor der Frau Laska und der Frau Gehrer rütteln und
sagen: Wir wollen, dass unsere Schulen genauso ausschauen wie die Popper-Schule,
dass dort genauso toller Unterricht von genauso motivierten Lehrern und
fordernden Lehrern geleistet wird!
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluss
zwei persönliche Bemerkungen machen. Es ist ja niemandem hier im Saal und auch
in der Öffentlichkeit verborgen geblieben, dass ich einer von den Politikern
bin, die von Zeit zu Zeit mit allen hier im Gemeinderat vertretenen Parteien
Schwierigkeiten hatte (Heiterkeit), auch von Zeit zu Zeit mit meiner
eigenen Fraktion. Ich stamme aus einer tiefschwarzen Familie, mein Vater war
zeit seines Lebens stolz darauf, dass er eine dreistellige ÖVP-Mitgliedsnummer
hatte. Er war genauso stolz darauf, wie es Adi Tiller auf seine dreistellige
Autonummer immer gewesen ist (Heiterkeit.), obwohl der auch auf seine
Mitgliedsnummer sehr stolz ist; und er ist einer unser erfolgreichsten
Bezirksvorsteher.
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