Landtag,
25. Sitzung vom 25.11.2004, Wörtliches Protokoll - Seite 32 von 72
Wortmeldung vor und wir kommen damit zur Abstimmung.
Ich bitte jene Mitglieder des Landtages, die der
Vorlage einschließlich Titel und Eingang in erster Lesung die Zustimmung geben
wollen, um ein Zeichen mit der Hand. – Das ist mit den Stimmen der SPÖ, der FPÖ
und der ÖVP mehrheitlich in erster Lesung angenommen.
Wenn es keinen Widerspruch gibt, werde ich sofort die
zweite Lesung vornehmen lassen. – Widerspruch gibt es nicht.
Ich bitte jene Mitglieder des Landtages, die dem
Gesetz in zweiter Lesung zustimmen wollen, um ein Zeichen mit der Hand. – In
zweiter Lesung ist dieses Gesetz mit den Stimmen der SPÖ, der FPÖ und der ÖVP,
somit mehrstimmig beschlossen worden.
Wir kommen nun zur Postnummer 7. Sie betrifft
die erste Lesung der Vorlage eines Wiener Wohn- und Pflegeheimgesetzes – WWPG.
Berichterstatterin hiezu ist die Frau amtsf StRin
Brauner, und ich bitte sie, die Verhandlung einzuleiten.
Berichterstatterin amtsf StRin Mag Renate Brauner:
Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich ersuche um Diskussion und Beschlussfassung des
vorliegenden Gesetzentwurfes.
Präsident Johann Hatzl: Danke für die
Einleitung.
Weil es hier eine Debatte gibt, schlage ich vor,
gemäß § 30c Abs 10 der Geschäftsordnung die General- und
Spezialdebatte zusammenzulegen.
Wird gegen die Zusammenlegung eine Einwendung
erhoben? – Dies ist nicht der Fall. Ich werde daher so vorgehen.
Die Debatte ist eröffnet. Als Erste zu Wort gemeldet
ist Frau Abg Dr Pilz.
Abg Dr Sigrid Pilz (Grüner Klub im
Rathaus): Herr Präsident! Frau Stadträtin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Es ist schon sehr bedauerlich – ich weiß, wir reden
schon lange und arbeiten viel –, dass sich gerade beim Pflegeheimgesetz die
Reihen dermaßen entsetzlich lichten. Es ist auch kalt herinnen, das ist wahr,
aber der Blick in die sozialdemokratischen Reihen ist eine einzige
niederschmetternde Feststellung. (Abg Christian Oxonitsch: Schauen Sie in
Ihre Reihen!) Bei uns schaut es besser aus, Herr Kollege Oxonitsch, da sind
fünf Menschen da, bei euch ist es jetzt einfach leer. Offensichtlich lässt das
Interesse nach. Und das ist deshalb bedauerlich, weil wir heute ein ganz
wichtiges, ein hoffentlich die Zukunft gestaltendes und veränderndes Gesetz zu
beschließen haben, das Gesetz über die Wiener Pflegeheime.
Zu Beginn dieser Beschlussfassung ist ein Skandal
gestanden. Vor jetzt eineinhalb Jahren hat die MA 47 im Geriatriezentrum
Am Wienerwald Missstände dokumentiert und angeprangert. Oft hat es dann
geheißen: Die schmutzigen Fingernägel von der Frau K – wer wird sich denn
darüber aufregen? Das war doch nur medial aufgespielt. Die schmutzigen
Fingernägel waren nie das Problem. Das Problem waren und sind bis heute die
unhaltbaren Lebensbedingungen der Menschen in den geriatrischen Großheimen, die
Hölle der Ereignislosigkeit ab 15 Uhr, wenn niemand mehr Zeit und
Interesse hat, sich mit den Menschen aktivierend zu beschäftigen, die qualvolle
Enge in den damals Achtbettzimmern und heute noch Siebenbettzimmern, die paternalistische
Unterbringung in einer entmündigenden Weise, die in einer modernen Stadt
eigentlich nicht Standard sein sollte, ein Standard, den wir dringend und
schleunigst abschaffen sollten.
Seit diesem Missstand hat ein dorniger Weg für die
SPÖ eingesetzt. Es gab eine Untersuchungskommission, die Geriatriekommission
hat gearbeitet, eine Phase der Selbsterkenntnis und der kritischen Betrachtung
der eigenen Praxis musste einsetzen. StRin Pittermann, die damals im Amt war,
hat die Haltung der SPÖ sehr deutlich beschrieben. Sie hat gefunden und hat das
oft und vor allem in der Untersuchungskommission auch niedergelegt: Wenn die
Menschen medizinisch gut versorgt sind und im Übrigen akzeptabel gepflegt
werden, dann ist es gut für sie, und mehr ist nicht notwendig.
Mit dieser Haltung, mit dieser Warm-, Satt-,
Sauberpflege musste aber nach Aufdeckung des Pflegeskandals endlich Schluss
sein.
Bis dahin waren nämlich die jahrelangen Forderungen
und Klagen meiner Amtsvorgänger, Schani Margulies und Alessandra Kunz, immer
wieder wirkungslos, denn die SPÖ hatte nicht den Eindruck, dass etwas schlimm
daran ist, wenn die Menschen in Achtbettzimmern darauf warten, dass der Tag
vergeht.
Am Besten hat sich die Haltung der Frau Pittermann –
noch einmal Frau Pittermann – in ihrem Unverständnis, die Dinge erneuern zu
müssen, reformieren zu müssen, mir gegenüber damit dokumentiert: Wissen Sie,
Frau Kollegin, den Dementen macht es gar nichts, wenn sie in Achtbettzimmern
untergebracht sind. – Diese Haltung, diese Grundhaltung der SPÖ hat sie
jahrelang davon abgehalten, kritisch hinzuschauen und zu sehen, welche
unwürdigen Lebensverhältnisse der ganz normale Alltag in der Stadt waren.
Die Geriatriekommission, die dann eingesetzt wurde, hat
dann auch die SPÖ veranlasst, unter dem medialen Druck, der ausgeübt wurde, und
den politischen Forderungen, von denen wir nicht abgelassen haben, ihre Haltung
zu ändern. Das Strategiepapier, das wir hier beschlossen haben, hat es sehr,
sehr deutlich gesagt – ich zitiere daraus: „Das System der Betreuungsleistungen
berücksichtigt derzeit in zu geringem Ausmaß, dass es sich bei älteren Menschen
um eine äußerst heterogene Zielgruppe mit unterschiedlichen Bedürfnissen und
Bedarfslagen handelt. Grundlegend ist, die Zugänge zur Versorgung zu
erleichtern. Die Selbstbestimmung sollte dabei solange wie möglich
gewährleistet werden. Wenn dies nicht möglich ist, soll Fürsorge mit Respekt
und Achtung erfolgen. Trotz möglicher Einschränkungen wie Demenz, Depression,
Einsamkeit oder Isolation sollte der Wille des Einzelnen geachtet werden. Die
Zwänge der Organisation müssen zugunsten der Bedürfnisse der Klienten
durchlässiger werden. Der Mensch steht im Mittelpunkt."
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