Landtag,
27. Sitzung vom 28.01.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 52 von 66
Ich möchte mich auch schwerpunktmäßig mit dem
Verhältniswahlrecht beschäftigen, weil ich glaube, dass es da doch einige
Ansätze gibt, bei denen auch die meistens die absolute Mehrheit der Mandate
innehabende SPÖ in der Vergangenheit schon offener war als jetzt. Daher kann
ich auch Herrn StR Hahn nicht ganz folgen, wenn er sagt, dass der Herr
Landeshauptmann sozusagen geklungen hat wie bei einer Antrittsvorlesung eines
Politologen. Nein: Er war hier, jetzt, bei der Beantwortung der Dringlichen
Anfrage, an sich das Sprachrohr der beati possidentes, nämlich derer, die jetzt
eben in der glücklichen Situation sind, bei nicht einmal 47 Prozent der
Mandate 52 Prozent der... (Abg Godwin Schuster: Bei 47 Prozent der
Stimmen!) - nein, umgekehrt; danke, Herr Kollege Schuster!: Bei
47 Prozent der Stimmen 52 Prozent der Mandate innezuhaben. Daher ist
es klar, dass man so redet.
Ich glaube aber auch, dass es nicht schlecht ist,
wenn man immer wieder darüber diskutiert, weil darin auch Unfairness vorhanden
ist. Denn es gibt im Wiener Wahlrecht einen Verstärkereffekt, der eben solche
Entwicklungen begünstigt, aber auch Abschwächungseffekte, vor allem für die
kleineren Parteien.
Aber der ÖVP möchte ich schon etwas sagen, nämlich
dass es da einen eigentlich sehr signifikanten Spruch gibt: Wer zu spät kommt,
den bestraft die Geschichte. - Sie haben das Zeitfenster, das sich
ausgemacht... (Abg Mag Andreas Schieder: Den bestraft das Leben!) - Ja,
und auch die Geschichte, sowohl als auch. Es gibt beide Versionen, denn es war
auch nicht nur einer, der diesen Spruch kreiert hat. Aber es ist ganz egal -
sowohl als auch.
Sie haben das Zeitfenster zwischen 1996 und 2001
versäumt! Da wäre es möglich gewesen, und da waren auch die Oppositionsparteien
- alle, unabhängig von ihrem Standort - der Meinung, man sollte es machen. Sie
haben es damals... (Zwischenrufe von StR Dr Johannes Hahn und Abg Gerhard
Pfeiffer.) Ich verstehe es, Sie waren damals in Koalition. Nur hat es ja
dann einen Koalitionsbruch gegeben, und in dieser kurzen Phase hätte man es
sehr wohl machen können! - Sie haben es nicht gemacht. Und seit damals
bejammern Sie Ihr Schicksal, aber das Schicksal haben Sie sich selbst
zuzuschreiben, Herr Kollege Hahn. (Beifall bei der FPÖ.)
Daher ist es halt auch aus Ihrer Sicht irgendwo
vielleicht eine historische Schuld. Denn wer weiß, wann so ein Zeitfenster
wieder kommt - ohne pessimistisch sein zu wollen!
Es stimmt aber auch nicht ganz, was Sie in Ihrer
Anfrage schreiben, nämlich dass die SPÖ Nein sagt zu einem gerechten
Verhältniswahlrecht. Ich möchte Ihnen etwas in Erinnerung rufen - Herr Kollege
Tschirf hat es schon ganz kurz angeschnitten -; vielleicht kann das doch ein
bisschen einen Denkprozess und einen Diskussionsprozess einleiten:
Im Arbeitsprogramm des Bürgermeisters aus dem
Jahre 1973 steht wörtlich drinnen - ich zitiere:
„Auch im Rahmen der Verfassungsänderung wird die
Änderung des Wiener Wahlrechts zu besprechen sein. Wir sind der Ansicht,"
- also Bürgermeister und SPÖ Wien – „dass man sich zu den gleichen Grundsätzen
des Wahlrechts in der Bundespolitik wie in der Landespolitik bekennen soll. Wir
sind zu zielführenden, rasch aufzunehmenden Gesprächen bereit."
Wir warten seit 32 Jahren darauf. Leider hat es
sich dann doch nicht bewegt. (StR Dr Johannes Hahn: Das ist ja "keine
Zeit", 32 Jahre!) Sie und der damalige neue Bürgermeister standen
damals auch noch unter dem Eindruck, dass die SPÖ auf Bundesebene damals unter
Bundeskanzler Kreisky ein gerechtes Verhältniswahlrecht hergestellt hatte. Ich
sage jetzt nicht, dass das Wahlrecht bis dahin verfassungswidrig war - denn das
ist durchjudiziert worden -, genauso wie das jetzige Wiener Wahlrecht nicht
verfassungswidrig ist. Es war nur damals auch dem damaligen Bundeskanzler klar,
dass es eigentlich der Demokratie zuträglich ist - ich sage, zuträglich ist -
und auch eine Weiterentwicklung, eine positive Weiterentwicklung der Demokratie
ist, wenn man hier die Grundsätze der Bundesverfassung, so auch das
Verhältniswahlrecht, auch dem Geiste nach erfüllt, damit es eben nicht zu
solchen Diskrepanzen kommt wie dem Verstärkereffekt und, umgekehrt, sozusagen
dem Minimalisteneffekt für kleine Parteien.
Daher glaube ich, dass es richtig ist, dass man immer
wieder und immer wieder darauf hinweist und die Diskussion weiterführt. Denn es
war ja auch vor 1970/71 nicht so, dass die FPÖ als damals kleine Partei
geglaubt hat, dass es sich so schnell ändern wird. Es hat ja auch lange
gedauert, bis dann auf Bundesebene das Verhältniswahlrecht auch dem Geiste nach
so hergestellt wurde, dass es tatsächlich jede Stimme ungefähr gleich wertet.
Und ich glaube, das sollte doch auch ein Ansporn - das ist jetzt ein Appell! -
an die SPÖ sein, nicht nur zu sagen: Na ja, das ist eigentlich schon gut, es
ist klass, wenn man unterhalb der Grenze zur absoluten Mehrheit liegt und
trotzdem die Chance hat, die absolute Mehrheit an Mandaten zu bekommen!,
sondern sich vor Augen zu halten, dass es auch im Zuge einer
demokratiepolitischen Entwicklung gut ist, wenn man dieses System
weiterentwickelt.
Daher glaube ich, dass es vielleicht doch auch ein
Zeichen einer weiteren Demokratisierung auch unserer Stadt wäre, wenn Sie so
weiterdenken und weiter überlegen, auch wenn seit diesem Arbeitsprogramm des damaligen
Bürgermeisters schon 32 Jahre vergangen sind und es nicht realisiert
worden ist. Neulich wurde im Parlament der 75. Geburtstag von
Altbürgermeister Leopold Gratz gefeiert. Ich glaube, es wäre eine gute
Entwicklung und ein positives Zeichen, wenn man bei diesem Arbeitsprogramm
anknüpfen und sagen würde: Eigentlich wäre es nach 32 Jahren Zeit, dass
ich hier im Sinne einer demokratischen Weiterentwicklung unserer Stadt endlich
ein gerechtes Verhältniswahlrecht einführe! (Beifall
bei der FPÖ.)
Denn jetzt kann man schon sagen -
bei aller auch sprachlichen Brillanz, die der Herr Bürgermeister heute an den
Tag gelegt hat, sodass er fast schon in Verdacht geraten ist, nicht mehr
Biologe, sondern Politologe zu
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular