Landtag,
27. Sitzung vom 28.01.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 53 von 66
sein -, dass das Wiener Wahlrecht ein unrechtes ist, dass es unfair ist und dass es gegen den Geist des Verhältniswahlrechts, des Grundsatzes des Verhältniswahlrechts ist.
Ich glaube, dass jede dieser Diskussionen nicht
vergebens ist. Ich glaube daran, dass wir irgendwann zu dem Punkt kommen
können, wo auch eine so starke Partei wie die SPÖ vielleicht doch dahin kommt,
diesen Schritt zu vollziehen, so wie es auch auf der Bundesebene war. Es hat ja
der SPÖ nicht geschadet! Viele haben gesagt - denn es gibt ja auch in
Österreich Anhänger des Mehrheitswahlrecht: Um Gottes willen, das bewegt sich
ja weg vom Ideal des Mehrheitswahlrechts! - Aber damals gab es noch wirklich
Politiker, auch bei der SPÖ. Ich kann mich erinnern an Minister Broda, der
gesagt hat, das Mehrheitswahlrecht ist überhaupt das Schädlichste für die
Demokratie, denn es fördert außerparlamentarische Opposition. - Er hatte damit
Recht, und es entspricht auch nicht unserer Tradition. Daher glaube ich, wenn
man das immer und immer wieder aufs Tapet bringt, dass man vielleicht doch an
den Punkt kommt, wo man in diese Richtung geht.
Ich möchte nur noch ein paar Worte zur Briefwahl und
zur Frage des Nebenwohnsitzes sagen. Ich persönlich bin sehr, sehr skeptisch,
was die Frage der Briefwahl betrifft, weil da einfach das Gut des persönlichen
Wahlrechts und des geheimen Wahlrechts, die ja Grundsätze unseres Wahlrechts
sind, eine Frage von so gravierender Bedeutung ist, dass ich mir noch nicht
vorstellen kann, wie man da Missbrauch vermeiden könnte. Das kann ich mir noch
nicht so richtig vorstellen, auch nicht bei der Verwendung von elektronischen
Dingen; denn dass wirklich jeder eigenständig, eigenverantwortlich wählen kann,
geheim und persönlich wählen kann, das ist eben normalerweise nur dann
gewährleistet, wenn man selbst im Wahllokal erscheint und dann in der Wahlzelle
seine Stimme abgibt.
Zur Frage des Wählens am Zweitwohnsitz: Abgesehen
davon, dass Kollege Chorherr, wenn er sich in einem Gewissenskonflikt befindet,
Gewissensbisse hat und es nicht einsieht, warum er eigentlich in
Niederösterreich noch wählen kann, sich ganz leicht von diesen Gewissensbissen
befreien könnte, indem er sich abmeldet - aber das ist seine Sache -, möchte
ich sagen: Ich bin auch kein rasender Anhänger der Idee, dass man hier zu einem
gewissen Wahltourismus anregt. Wobei ich nicht sage, dass man nicht darüber
diskutieren soll - das durchaus -, und ich weiß auch, dass die Briefwahl im
Arbeitsübereinkommen der Bundesregierung enthalten ist. Ich persönlich glaube
nur nicht, dass das so wirklich funktionieren kann.
Das, was mir aber wirklich ein Anliegen ist und womit
man, glaube ich, auch demokratiepolitisch einen echten Fortschritt erzielen
könnte, wäre die Herstellung eines wirklich gerechten Verhältniswahlrechts nach
dem Vorbild der Nationalrats-Wahlordnung auch in Wien. (Beifall bei der FPÖ.)
Präsidentin Mag Heidemarie Unterreiner:
Als Nächster ist Herr Abg Oxonitsch zum Wort gemeldet. Ich erteile ihm das
Wort.
Abg Christian Oxonitsch (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener
Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter
Herr Landeshauptmann! Meine Damen und Herren!
Die ÖVP fordert ein neues Wahlrecht, weil sie
behauptet, dass es nicht den demokratischen Vorstellungen entsprechen würde.
Eigentlich, muss ich sagen, ein ungeheurer Vorwurf und eigentlich ein Vorwurf,
der auch innerparteilich, denke ich mir - und es ist ja auf die Situation in
anderen Bundesländer schon verwiesen beziehungsweise darauf Bezug genommen
worden -, bei vielen Landeshauptleuten - in der Steiermark, in Tirol, in
Vorarlberg - einen klaren Protestschrei nach sich ziehen müsste, denn dort gibt
es ganz genau dasselbe Berechnungssystem wie in Wien. Das Ermittlungsverfahren
- sowohl das erste Ermittlungsverfahren als auch das zweite
Ermittlungsverfahren - ist dasselbe. Es müsste eigentlich auch einen Aufschrei
des Kärntner Landeshauptmanns geben, der ebenfalls dasselbe Berechnungsmodell
in diesem Zusammenhang hat. Man unterstellt diesen Bundesländern, sie hätten
ein Wahlrecht, das nicht demokratischen Vorstellungen entspricht! (Abg
Dr Matthias Tschirf: Standards!)
Meine Damen und Herren! Die ÖVP will darüber hinaus
auch die Mandatsverteilung verändern, die Zweitwohnsitzer wählen lassen und die
Briefwahl einführen.
Es wurde vom Herrn Bürgermeister und Landeshauptmann ja
schon einiges erwähnt. Nur in aller Kürze seien hier noch einmal die
wesentlichen Punkte repliziert, weil sie ja, wie ich den Ausführungen von Herrn
StR Hahn entnommen habe, durchaus vielleicht nicht wahrgenommen wurden.
Faktum ist: Wien hat keine größeren Abweichungen
zwischen dem Stimmen- und dem Mandatsstand als andere österreichische
Bundesländer.
Fakt ist, dass das Wiener Wahlrecht bei der
Mandatsvergabe den Wahlrechten vieler anderer Bundesländer völlig gleich und
identisch oder sehr, sehr ähnlich ist.
Fakt ist, dass alle Wahlrechte in den Bundesländern
geringfügig mehrheitsfördernde Elemente haben, und zwar auch deshalb - es ist
ja darauf verwiesen worden -, weil es in den meisten Bundesländern zum Beispiel
auch eine 4- oder 5-Prozent-Klausel gibt. Und wir alle wissen, wie das
Wahlergebnis des Jahres 2001 letztendlich gerade in diesem Zusammenhang zu
werten ist.
Man kann jetzt ein bisschen abstrakt darüber reden
und sagen, die Berechnungsmodelle sind gleich, aber sich auch fragen: Als in
Tirol zuletzt die ÖVP mit 49,9 Prozent der Stimmen 55,5 Prozent der
Mandate erhielt, wo ist denn da der Protestschrei der ÖVP gewesen? - Ich habe
noch keine Proteste der ÖVP gehört, auch heute nicht. Also einen großen
Protestschrei hat es in diesem Zusammenhang von Seiten der Wiener ÖVP nicht
gegeben. Eine Aufforderung an ihren Parteikollegen, das Wahlrecht sofort zu
ändern, weil es undemokratisch und ungerecht sei, habe ich nicht gehört.
Das Beispiel der
Wirtschaftskammerwahl wurde bereits vom Herrn Landeshauptmann erwähnt. Wo sind
da
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