«  1  »

 

Landtag, 27. Sitzung vom 28.01.2005, Wörtliches Protokoll  -  Seite 54 von 66

 

die Rufe nach einem demokratischeren Wahlrecht? - Und was das Ergebnis der Wirtschaftskammerwahl betrifft, so wurde auch schon gesagt, dass wir erst noch sehen werden, ob der Berechnungsschlüssel, den es dort gibt, tatsächlich überhaupt noch mithelfen kann, dass der Wirtschaftsbund seinen Mandatsstand dort halten wird können. 44 Prozent der Stimmen würden dort zwar immer noch knapp über 50 Prozent der Mandate ergeben, aber ein bisschen weniger würde dann endgültig die absolute Mehrheit brechen. Wir werden ja sehen, wie sich in wenigen Wochen das Ergebnis dieser Wirtschaftskammerwahl darstellt.

 

Fakt ist darüber hinaus, dass das Wiener Wahlrecht - es ist vom Landeshauptmann auch darauf hingewiesen worden - einen leichteren Zugang zu Mandaten ermöglicht. Bei annähernd gleicher Bevölkerungszahl haben wir durch kleinere Wahlkreise beziehungsweise durch mehr zu vergebende Mandate einen leichteren Zugang zu Abgeordneten in diesem Haus. Ich glaube, das ist auch gut so. Es entspricht ganz wesentlichen Grundsätzen, die Gegenstand gerade auch der Wahlrechtsdiskussion waren, die wir in den vergangenen Jahren geführt haben, teilweise sehr konstruktiv geführt haben, nämlich im Hinblick auf starke persönlichkeitsfördernde Elemente. Die Abgeordneten in ihrem Wahlkreis sind bekannt! Es sind ja auch andere Modelle vorgeschlagen worden, mit noch kleineren Wahlkreisen, wo der eine oder andere Abgeordnete direkt von den von ihm zu vertretenden Bezirksbewohnerinnen und -bewohnern gewählt werden kann. Dies wurde von den anderen Parteien abgelehnt, aber das wäre ein sehr starkes persönlichkeitsförderndes Element gewesen.

 

Wir haben uns auf einen Zwischenschritt geeinigt. Das ist gut so, das ist richtig. Ich bin auch sehr froh darüber gewesen, dass diese Diskussionen um die Wahlrechtsreform auf Wiener Ebene eigentlich sehr konstruktiv waren.

 

Und es ist eben Fakt, dass wir vor zwei Jahren eine sehr umfassende Wahlrechtsreform auf Wiener Ebene beschlossen haben: Stärkung des Persönlichkeitswahlrechtes, Wählen mit 16, um zusätzlichen, jungen Menschen den Zugang zur demokratischen Mitbestimmung zu ermöglichen. - Darüber hinaus haben wir auch ein Wahlrecht zu den Bezirksvertretungen für Nicht-EU-Bürger vorgesehen. Wir alle kennen diese Diskussion. Verfassungsrechtlich war es nicht möglich. Wir hoffen hier nach wie vor auf konstruktive Diskussionen im Österreich-Konvent. - Aber nichtsdestotrotz haben wir damals ganz wesentliche Schritte gerade in Richtung Demokratisierung Wiens gesetzt.

 

Es ist zuerst in einem Zwischenruf schon darauf hingewiesen worden - die ÖVP versucht sich hier immer wieder ein wenig darüber hinwegzuschwindeln: Wir alle gemeinsam haben uns auch auf die Einführung von Untersuchungskommissionen und -ausschüssen geeinigt. Und zwar zu einem Zeitpunkt, als die Sozialdemokratie bereits die absolute Mehrheit innehatte, haben wir diese Änderung der Stadtverfassung beschlossen. Wenn man das auch nicht will, dass wir gerade hier die Hand gereicht haben und ein sehr gutes und praktikables Modell, wie ich meine, aus Gründen der Transparenz, aus Gründen der Ermöglichung verstärkter Kontrolle eingeführt haben, dann soll man das hier sagen. Wir jedenfalls sind stolz darauf, dass wir umfassende Minderheitsrechte haben und ein demokratisches Wien haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

 

Kollege Chorherr hat hier mit einem Antrag ein neues Berechnungsmodell vorgeschlagen. Ich kann mir schon vorstellen, dass die GRÜNEN durchaus Interesse haben, zusätzliche Restmandate zu bekommen – sie haben ja durchaus ein paar Turbulenzen im Zusammenhang mit den Listenerstellungen gehabt. Ich kann mir schon vorstellen, dass man da ein zusätzliches Mandat auf dieser Ebene braucht, nur: Eine wirklich seriöse Diskussion über das Wahlrecht ist das letztendlich nicht.

 

Ich verstehe die Wiener ÖVP insofern nicht, wenn sie ein demokratisches und ein faires Wahlrecht verlangt, weil sie ja mit 16 Prozent der Stimmen 16 Mandate hat. Eigentlich ist es, sage ich einmal, gerade aus Sicht der ÖVP ein sehr klares, eindeutiges, faires Wahlrecht.

 

Darüber hinaus kann ich, falls die Freiheitlichen ein Problem mit dem Wahlrecht haben, darauf hinweisen, dass sie mit 20 Prozent der Stimmen 21 Mandate haben. Das ist ja auch etwas, wo man durchaus sagen kann - es gibt ja immer verschiedene Faktoren bei Wahlergebnissen -: Das Wiener Wahlrecht ist ein faires, das Wiener Wahlrecht ist ein demokratisches, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

 

Man soll auch nicht vergessen - und das ist ganz wesentlich, und es ist auch darauf schon hingewiesen worden -: Letztendlich entspricht und unterliegt das Wiener Wahlrecht der österreichischen Bundesverfassung, und es ist mehrmals festgehalten worden, dass das Wiener Wahlrecht gerade dem Grundsatz der Proportionalität voll und ganz entspricht. Genauso wie das Wahlrecht in den anderen Bundesländern diesem Grundsatz entspricht, entspricht ihm auch dieses Wahlrecht ganz genau.

 

Es gibt natürlich in vielen anderen Ländern noch ganz andere mehrheitsfördernde Elemente - wir haben auch das in der Diskussion immer wieder erörtert -: In Großbritannien - dem Mutterland der Demokratie! - hat Maggy Thatcher mit 30 Prozent der Stimmen viele Jahre hindurch absolute Mehrheiten gehabt. Ich weiß nicht, ob die ÖVP es wirklich ernst meint, dass sie mit ihrer Diskussion tatsächlich auch den demokratischen Reife-, den demokratischen Entscheidungsprozess in Großbritannien in Frage stellt. Ich glaube, das kann ja nicht wahr sein.

 

Tatsache ist: Die ÖVP will einfach mehr Mandate, als sie Stimmen hat. (Ruf bei der ÖVP: Sie nicht!) Das ist das einzige, was ich daraus ableiten kann – etwas, was man bei der Österreichischen Volkspartei durchaus auch in anderen Bereichen kennt. Ich erinnere hier an die Reformen in der Österreichischen Hochschülerschaft: Da schafft man gleich überhaupt das demokratische Direktwahlrecht ab, denn da kommt die ÖVP eben auf das von ihr gewünschte Ergebnis auf demokratischem Weg nicht

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular