Landtag,
27. Sitzung vom 28.01.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 61 von 66
Ja, von Ihnen!), die sagen, es ist ja
unglaublich, wie hier agiert wird. Fragen Sie die Menschen, wenn sie
Übertragungen aus dem Parlament sehen, was sie dazu sagen. Sie werden es ja
hören, ich brauche Ihnen ja nichts zu erzählen, Sie wissen es ja selber auch.
Ich hoffe, Sie haben das Ohr noch so weit bei den Menschen, dass Sie einmal
hören, was zu so einer Übertragung gesagt wird. Die Menschen wollen, dass die
Politiker gemeinsam und miteinander für diese Stadt oder für dieses Land
arbeiten. Das wollen die Menschen, doch das ermöglichen Sie uns nicht, weil Sie
uns einfach nicht informieren. Mitarbeit ohne Information geht einfach nicht. (Beifall
bei der ÖVP.)
Die Menschen draußen wollen, dass die Politiker
sachlich und fachlich informiert sind, dass sie wissen, worüber sie sprechen.
Darauf wollen sie sich verlassen können. Sie wollen aber auch, dass die
Interessen aller möglichst gerecht wahrgenommen werden und nicht nur die
Interessen Ihrer 46 Prozent Wähler, die Sie mit 100 Prozent Macht zu
vertreten trachten. Zwar ohnehin nicht richtig, denn sonst würden Ihnen nicht
so viele davonlaufen.
In Döbling, muss ich Ihnen sagen, hatten wir vor 10
Jahren noch – das weiß mein Kollege ganz genau –
11 000 SPÖ-Mitglieder. Schätzen Sie, wie viele Sie jetzt haben. (Abg Johann Driemer: 12 000!)
3 600. So schaut es aus, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall
bei der ÖVP. – Abg Rudolf Hundstorfer: Und nur mehr 500 ÖVP-Mitglieder!)
Da können Sie sich nicht mehr darauf ausreden, dass das Leute sind, die Sie
nicht mögen, oder dass das Leute sind, die für Sie kein Interesse haben. Die
sind Ihnen davongelaufen, weil sie merken, dass Sie nicht mehr Politik für die
Stadt machen, dass Sie nicht mehr mitarbeiten lassen in der Politik, dass Sie
nicht am Konsens interessiert sind und dass Sie nicht an Kompromissen
interessiert sind, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der
ÖVP.)
Aber es kommt ja wieder eine Wahl, und wir werden
alles tun, um die Menschen zu informieren, wie Sie in Demut herrschen, wie Sie
die Demokratie verarmen lassen und wie Sie 46 Prozent missbrauchen, um 100
Prozent der Macht zu gebrauchen. So wird es nicht weitergehen, dass Sie
herrschen, ohne auf andere zu hören. (Abg
Harry Kopietz: Sind Sie für Neuwahlen? – Abg Godwin Schuster: Warum schreien
Sie denn so? – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Präsidentin Mag Heidemarie Unterreiner (unterbrechend): Sehr geehrte Damen und
Herren! Lassen Sie mich kurz etwas sagen zu diesen Zwischenrufen. Ich weiß
schon, sie bereichern die Debatte, aber in letzter Zeit waren es so viele, dass
ich den Redner gar nicht mehr reden hörte. (Abg
Godwin Schuster: Er braucht ja nicht so zu schreien!)
Entschuldigung, ich muss von hier heroben zu allen
Parteien Äquidistanz halten. So etwas kann ich nicht dulden. Ich bitte darum,
dass man sich ein bisschen mäßigt.
Abg Gerhard Pfeiffer (fortsetzend): Danke schön, Frau
Präsidentin. Es hat schon einiges beigetragen. Es waren schon ganz gute
Zwischenrufe, die mir einiges ermöglicht haben. (Abg Harry Kopietz: Ist Ihre Rede ein Neuwahlantrag? – Heiterkeit bei
der SPÖ.) Danke vielmals jedenfalls, dass Sie sich meiner annehmen. (Abg Harry Kopietz: Wir sind ja sozial!)
Ich bin ja sofort
fertig. Ich wollte nur noch sagen, dass wir den Menschen klar und deutlich
sagen werden, dass Sie, ohne andere anzuhören, ohne sie vorweg zu informieren,
ohne sie zur Mitarbeit zuzulassen, in Genügsamkeit Ihrer eigenen Macht hier
sozusagen die Tat zeigen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden
alles tun, dass die Wähler das sehen, wie sehr Sie uns die Nichtteilnahme an
der Demokratie aufzwingen. Da werden auch – und das sage ich Ihnen klar und
deutlich – viele Wähler genug haben, so wie viele Ihrer Mitglieder genug
hatten. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsidentin Mag Heidemarie Unterreiner:
Als nächster Redner hat sich Herr Landtagspräsident Hatzl zu Wort gemeldet. Ich
erteile es ihm.
Abg Johann Hatzl (Sozialdemokratische
Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Frau Präsidentin! Hohe
Haus!
Zugegebenermaßen ist es wahrscheinlich auch in
Zukunft äußerst selten, dass ich im Landtag direkt als Redner noch das Wort ergreife,
aber der heutige Tag – Konventabschluss und diese Debatte – verlockt doch auch
ein bisschen, wie man wissen wird, wenn man mich etwas genauer kennt.
Ich fange mit einem Geständnis an den Kollegen
Pfeiffer an. Ich gebe ihm Recht, dass es mir in der Seele weh tut, dass wir
jetzt weniger Mitglieder in der SPÖ haben als noch vor einem Jahrzehnt. Daran
ist gar kein Zweifel. Wahrscheinlich stimmt es nicht, was ich jetzt sage, aber
ich hoffe, dass wir in Döbling noch so viele Mitglieder haben wie die halbe ÖVP
in Wien. Das ist halt eine Sache des Vergleiches. (Heiterkeit und Beifall
bei der SPÖ.) Ich sage es noch einmal: Ich hoffe, es ist zu Ihren Gunsten.
Meine Damen und Herren! Bleiben wir doch dabei, wie
die Situation ist. Natürlich findet man in jedem Wahlrecht – und heute geht es
vor allem auch hier um diesen Bereich – meiner Erfahrung und meiner Beurteilung
nach demokratische Defizite, und in jedem Wahlrecht, egal wo man hinschaut,
findet man dort, wo man die demokratischen Defizite findet, auch viel
Demokratie.
Im europäischen Bereich haben wir ungemein viele
demokratische Staaten, glücklicherweise mehr als noch vor rund einem Jahrzehnt,
und wenn ich die Diskussionen in diesen Länder verfolge, in den so genannten
älteren Demokratien und in den neueren Demokratien, gibt es um die Frage des
Wahlrechtes immer eine Auseinandersetzung, und meistens wird sie von jenen
geführt – das trifft auch auf Parteifreunde von mir in anderen Ländern zu –,
die in der Minderheit sind und so genannte demokratische Defizite aufzeigen.
Das ist legitim, das ist verständlich. Warum soll es nicht so sein? Wir sollen
daher ganz einfach davon ausgehen, wie es wirklich ist.
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