Landtag,
8. Sitzung vom 26.01.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 43 von 59
Wissens nach nicht. Das ist auch nicht ihre Aufgabe. (StR Johann Herzog: Das haben wir auch nicht behauptet!) Aber gerade Sie sollten sich bei der Nase nehmen und überlegen, ob es nicht demokratiepolitisch viel gescheiter wäre, Menschen, die in dieser Stadt und in diesem Land leben, politische Teilhabe zu ermöglichen. (StR Johann Herzog: Dazu fehlt die demokratische Legitimierung!) Weil alle Menschen, die politisch an dieser Gesellschaft teilhaben können, können das selbst und in ihrem eigenen Namen tun, wie ich das als Wiener Muslimin und österreichische Staatsbürgerin übrigens auch tue, indem ich zur Wahl gehe, indem ich die Menschen wähle, die mich politisch vertreten sollen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Gerade Sie mit Ihrem Versuch des Ausschlusses dieser
Menschen, dieser Gruppe von Menschen aus der Wiener und aus der
österreichischen Gesellschaft haben am wenigsten das Recht, dann herzugehen und
zu kritisieren, die Islamische Glaubensgemeinschaft behauptet, im Namen aller
Muslime in Österreich zu sprechen und woher sie diese Legitimation nimmt. Wenn
man Menschen ständig die Möglichkeit verweigert, an einer Gesellschaft
teilzuhaben, kann man im Prinzip auch Entwicklungen fördern, wo ganz andere in
ihrem Namen sprechen müssten oder glauben, sprechen zu können, wobei ich damit
nicht die Islamische Glaubensgemeinschaft meine.
Ich habe gesagt, die Glaubensgemeinschaft als die
einzige offizielle Vertretung der religiösen Belange von Muslimen in Österreich
sollte alle Glaubensrichtungen im Islam vertreten. Ich glaube, es ist hier im
Hause kein Geheimnis, dass sich alevitische oder auch schiitische Gläubige
nicht immer von der Islamischen Glaubensgemeinschaft vertreten fühlen oder sich
nicht immer vertreten gefühlt haben. Das ist eine bekannte Tatsache, zumindest
für die Menschen, die sich damit beschäftigt haben oder damit beschäftigen. Das
ist etwas, wo sich viele Menschen eine Verbesserung wünschen. Das sind durchaus
nicht nur Aleviten oder Schiiten, sondern auch andere Menschen. Das müssen
nicht einmal Muslime sein. Ich glaube und hoffe, dass die Islamische
Glaubensgemeinschaft auch daran arbeitet. Übrigens wird sich diese, zur
Information der FPÖ, im Jahr 2007 eine neue Verfassung geben, an der
gerade gearbeitet wird. Es kann auch sein, dass die Arbeiten dafür bereits
abgeschlossen sind.
Ich glaube, ein weiteres Faktum ist, dass die
Mitbestimmungsmöglichkeiten von einzelnen Muslimen und Musliminnen an der
Glaubensgemeinschaft verbessert werden können, dass da auch Verbesserungen
notwendig sind. Aber ich möchte ebenso betonen, dass wir eine andere Tatsache
auch nicht vergessen dürfen, nämlich, und das ist jetzt nicht nur meine
persönliche Meinung, sondern ich zitiere da den Verfassungsrechtler Theo
Öhlinger, dass „verglichen mit der katholischen Kirche die Islamische
Glaubensgemeinschaft ein Hort der Demokratie ist". - Zitat Ende. (Beifall
bei GRÜNEN und von Abg Dipl-Ing Omar Al-Rawi.)
Das ist das, was mir und uns so schmerzlich abgeht,
dass die FPÖ versucht, einseitig immer die Muslime, und in diesem Fall heute
ganz konkret die Islamische Glaubensgemeinschaft, an den Pranger zu stellen,
mögliche, vermeintliche oder tatsächliche Demokratiedefizite zu kritisieren
(Abg Dr Herbert Madejski: Das ist doch legitim!), aber von der katholischen
Kirche, um jetzt vielleicht einen ähnlichen Vergleich herzunehmen, ist zum
Beispiel nicht die Rede (Abg Dr Wolfgang Aigner: Gibt es katholische
Selbstmordattentate?), geschweige denn von den eigenen extremistischen und
demokratiefeindlichen Tendenzen, wo man extrem große Mühe hat, sich davon zu
distanzieren! (Abg Dr Wolfgang Aigner: Gibt es katholische Hassprediger?) - Ja,
es gibt auch katholische Hassprediger! (StR David Ellensohn: Ja, Opus Dei!) Es gibt
auch politische Hassprediger. (Abg Dr Herbert Madejski: Aber die machen keine
Religionsbildung!) Dass es auch politische Hassprediger gibt, wissen wir hier
im Hause aus eigener schmerzlicher Erfahrung. In unserer Mitte sitzen leider
auch politische Hassprediger! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Die Frage, mit der wir uns vielmehr sowohl politisch
als auch intellektuell beschäftigen sollten, ist die Frage, wo strenger Glaube
oder Orthodoxie in einem Glauben aufhört und wo eine Gefahr für die
Gesellschaft beginnt. Diese Frage stellt sich für uns GRÜNE prinzipiell für
alle Glaubensrichtungen, für Christentum, Judentum, Hinduismus genauso wie für
den Islam. Das ist eine Frage, die man nicht pauschal ein für allemal, ob mit
einem Pseudoverfassungsschutzgesetz, wie es die FPÖ vorgeschlagen hat, oder mit
einer politischen Debatte, abschließen kann, sondern da muss man sich jeden
einzelnen Fall ganz konkret anschauen, wenn man sich nicht dem Pauschalismus-
oder Rassismusvorwurf oder Islamophobievorwurf aussetzen will. Diesen Vorwurf
erheben wir ganz massiv gegen die FPÖ, dass das die eigentliche Absicht ist!
Ich möchte gegen Ende meiner Ausführungen aus einem
„Falter"-Artikel zitieren, der der FPÖ offensichtlich teilweise als
Grundlage für die Behauptungen und Vorwürfe gedient hat. In diesem Artikel vom
3. Mai 2006 geht es genau um diese Frage. Ich zitiere jetzt einen
Absatz: "Wo hört eigentlich Orthodoxie auf? Wo fängt Gefahr für die
Gesellschaft an?" - Zitat der beiden „Falter"-Autoren, von denen der
Artikel stammt. – „Orthodoxe Muslime sehen nicht anders als strenggläubige
Christen oder Juden die Inhalte ihrer Offenbarungsschriften als die höchste
Wahrheit an. Manche der Inhalte scheinen mit dem heutigen System kaum
vereinbar. Doch sind die Orthodoxen deshalb gefährlich? Wo hört die kritische
Beobachtung auf und wo beginnen Alarmismus und antiislamisches Denken? Es gibt
auf diese Fragen keine eindeutigen Antworten, bloß unterschiedliche
Meinungen."
Dieser Aussage kann ich mich im
Großen und Ganzen anschließen. Diese Problematik habe ich vorhin zu schildern
versucht. Wir alle, denen es wichtig ist, demokratische Werte und ein
Zusammenleben aufrechtzuerhalten, müssen gerade in dieser politischen
Atmosphäre, die nach den Terroranschlägen in den USA, in New
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