Landtag,
10. Sitzung vom 28.06.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 12 von 98
„Zwangsheirat" auch ein Signal zur
Bewusstseinsbildung in dieser Parallelgesellschaft sein könnte, dass wir das
nicht akzeptieren, dass wir diese mittelalterlichen Praktiken eigentlich sozial
und öffentlich ächten wollen.
Präsidentin Erika Stubenvoll: Frau
Stadträtin
Amtsf StRin Sandra Frauenberger: Also ich möchte mich deutlich gegen eine
eigene Benennung eines Straftatbestandes mit der Überschrift „Zwangsehe"
aussprechen.
Das ist zum einen eine Sache, wo ich davon überzeugt
bin, dass wir jetzt schon in der Situation sind, dass wir damit wiederum ein
Ungleichverhältnis schaffen in der gesamten Gewaltschutzgesetzgebung. Denn –
ich habe mir das genau angeschaut –, wenn Sie sich diese vorgeschlagene
Strafdrohung anschauen, die Sie da mit fünf bis zehn Jahren benennen, so gibt
es auch eine beträchtliche Anzahl anderer Strafdrohungen bei anderen
Gewaltdelikten, die bei schwerer Körperverletzung mit Dauerfolgen von fünf bis
sechs Jahren ausgehen, bei geschlechtlicher Nötigung mit schwerwiegenden Folgen
von ein bis zehn Jahren ausgehen, Menschenhandel unter Einsatz von Gewalt oder
gefährlicher Drohung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
Noch einmal: Das eine ist sozusagen die Praxis des
Umgangs mit dem Recht, das andere ist letztendlich das, auf das Sie ansprechen,
nämlich wie gehen wir mit dem Phänomen, mit dem durchaus auch bedrohlichen
Phänomen der Zwangsverheiratung, der arrangierten Ehen um.
Aus dieser Studie wissen wir auch – und es ist mir an
dieser Stelle ganz wichtig, das auch noch mal klarzustellen –, dass wir es
schwer benennen können, wie viele es tatsächlich sind. Die Studie kann
letztlich nur 35 tatsächliche Zwangsverheiratungen nachweisen, und da gibt es
auch die Gespräche mit den Frauen und Männern.
Ich würde auch sagen, dass es schwierig ist zu sagen,
dass es ist nur eine Ethnie trifft, eine Gruppe trifft. Wenn man die Ergebnisse
der Studie anschaut, dann sehen wir, da sind albanische, bosnische,
griechische, indische, kurdische, tamilische, türkische Familien betroffen,
Roma-Familien betroffen. Also das heißt, das so zu fokussieren auf eine Gruppe,
das ist nicht zulässig, und das sagt uns auch die Studie.
Präsidentin Erika Stubenvoll: Danke
schön. – Wir kommen zur 2. Zusatzfrage: Frau Abg Mag Korun.
Abg Mag Alev Korun (Grüner Klub im
Rathaus): Sehr geehrte Frau Stadträtin! Die besagte Studie, die von der Stadt
Wien in Auftrag gegeben worden war, hat ja etliche Ergebnisse zutage gebracht
und auch Empfehlungen der ExpertInnen, die die Studie durchgeführt haben. Unter
diesen Empfehlungen war auch ein eigenes Betreuungskonzept für die betroffene
Gruppe von Frauen, die von Zwangsehen bedroht oder betroffen sind, und auch
spezialisierte Unterbringungseinrichtungen.
Jetzt ist der grüne Antrag zur Einrichtung einer
solchen spezialisierten Betreuungseinrichtung, nämlich eines Frauenhauses für
die betroffene Gruppe, hoffentlich bald im Integrationsausschuss mit einen
Bericht dazu, und wir wissen natürlich auch, dass es eine Arbeitsgruppe dazu
gibt, die sich hoffentlich regelmäßig trifft und sich mit den Ergebnissen der
Studie beschäftigt.
Ich möchte Sie fragen: Wie stehen Sie zur der
Empfehlung der ExpertInnengruppe, dass die Stadt Wien ein eigenes
Betreuungskonzept schafft für die Gruppe der von Zwangsehe betroffenen Frauen
und zur Frage der spezialisierten Unterbringungseinrichtungen?
Präsidentin Erika Stubenvoll: Frau
Stadträtin
Amtsf StRin Sandra Frauenberger: Die
Studie hat uns einige Empfehlungen mit auf den Weg gegeben, die ich auch
wirklich sehr ernst nehmen möchte. Unsere Arbeitsgruppe setzt sich ja zum einen
zusammen aus Mitarbeiterinnen in den einzelnen befassten Abteilungen der Stadt
Wien, zum anderen geht es auch immer wieder darum, die Beratungs- und Betreuungseinrichtungen
mit hereinzuholen und mit ihnen auch sozusagen zu reflektieren: Passt das
Angebot? Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Also mir ist das ganz, ganz
wichtig, dass das nicht nur eine interne Geschichte ist, sondern hier auch
diese Feedback-Schleife immer wiederum gut funktioniert. Das einmal zur
Struktur des Arbeitens in dieser Gruppe.
Die Empfehlungen waren ja recht weitgehend und
betrafen die statistische Erfassung, einen einheitlichen Leitfaden, was den
Vorgang betrifft, Informations- und Sensibilisierungsarbeit, Zusammenarbeiten
mit den Beratungseinrichtungen und natürlich auch alles im Zusammenhang mit den
Elternprojekten und mit der Elternarbeit.
Was jetzt die eigene Betreuungseinrichtung betrifft:
Ich weiß aus den Gesprächen mit den Frauenhäusern, dass wir für die erwachsenen
Frauen eine gute Betreuung haben, dass dort auch ein Know-how ist. Was wir
brauchen, wird eine Betreuungseinrichtung sein oder eine zumindest spezifische
Ausbildung für Mitarbeiterinnen in diesen Betreuungseinrichtungen, was die
minderjährigen Frauen betrifft. Es gibt hier ganz interessante Modelle in
Berlin und in London, die spezielle Wohngemeinschaften haben für minderjährige
Mädchen, die von Zwangsheirat bedroht oder schon betroffen sind. Das ist ein
Modell, das wir jetzt, glaube ich, in der Arbeitsgruppe gerade einmal genauer
in den Blick nehmen, aber, wie Sie schon gesagt haben, in unserem
Integrationsausschuss werden wir uns mit dem auch noch einmal genauer befassen.
Aber soweit ich das jetzt einmal nachvollziehen kann, haben wir hier einen
Bedarf, nicht nur in der Studie, sondern auch in der Arbeitsgruppe
festgestellt.
Was den Leitfaden betrifft, möchte
ich einfach noch darauf hinweisen, dass wir ja einen europäischen Leitfaden
erstellen wollen, wozu wir als Wien einen großen Beitrag leisten werden. Es
gibt die Abschlusskonferenz des DAPHNE-Projekts im März 2008 in Wien. Bis
dahin haben wir eben das Ziel, diesen europäischen Leitfaden zu erstellen,
fertig zu haben. Parallel dazu arbeitet die Arbeitsgruppe an einem Leitfaden,
der sich damit auseinandersetzen soll, wie wir mit den einzelnen Institutionen
und Beratungsstellen und mit den einzelnen
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