«  1  »

 

Landtag, 16. Sitzung vom 28.03.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 33 von 78

 

europäische Demokratie, ein Raum für europäische Demokratie, insbesondere für direkte europäische Demokratie, erneut nicht zustande gekommen ist. Obwohl es nach zwei gescheiterten Referenden in Frankreich und den Niederlanden eine zentrale Herausforderung des Reformvertrags war, die wachsende Kluft zwischen Europa und den BürgerInnen zu schließen und auch den Vertrag zum Beispiel lesbarer und bürger- und bürgerinnennäher zu machen, ist das Ergebnis in dieser Hinsicht mehr als mager und fällt sogar hinter bereits erreichte Ergebnisse des Verfassungskonvents, in dem ja auch NGOs eingebunden waren, zurück.

 

Es wird zwar eine europäische Bürgerinitiative eingeführt, allerdings werden gleichzeitig auch große Hürden für eine solche eingeführt: Eine Million Unterschriften ist in einer erheblichen Zahl von Mitgliedsstaaten eine große Hürde. Es ist aber auch sehr schwammig formuliert, also man wird sehen, wie sehr wir dieses Instrument mit Leben erfüllen werden können. Erneut wird in den EU-Verträgen keine europaweite Volksabstimmung verankert, was ich besonders bitter finde, weil auch der Konvent und auch NGOs und auch die GRÜNEN, zum Teil unterstützt von der Sozialdemokratie, eine solche europaweite Referendumsmöglichkeit für sehr wichtig erachtet hätten. Es gibt neuerlich kein Initiativrecht des Europäischen Parlaments. Ganze politische Bereiche der Europäischen Union sind von der parlamentarischen Mitbestimmung vollkommen ausgeklammert wie zum Beispiel die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Es gibt auf europäischer Ebene noch immer keine klare Trennung zwischen Exekutive und Legislative. Das fordern wir seit Jahren! Der Vertrag ist immer noch unlesbar. Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen, geschätzte Kollegen und Kolleginnen, diesen Reformvertrag gelesen haben und ihn auch im Detail verstehen und wissen, was er in der politischen Praxis bedeutet. Also dieser Reformvertrag bringt für uns GRÜNE nicht einmal das Mindestmaß an Sicherstellung demokratischer Grundrechte!

 

Angesichts dieses Zustandes der EU ist es allerdings nicht verwunderlich, dass viele Bürger und Bürgerinnen die EU als verlängerten Arm der Globalisierung sehen anstatt als Instrument, Globalisierung zu gestalten, denn sie haben das berechtigte Gefühl, nichts mitentscheiden zu können, aber von vielen negativen Entscheidungen und Entwicklungen auf EU-Ebene betroffen zu sein, Stichwort Transit, Stichwort Deregulierungspolitik, Stichwort Flexicurity, Arbeitszeitrichtlinie, Dienstleistungsrichtlinie, wo Rechte von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen sukzessive auch durch und infolge europäischer Deregulierungspolitik ausgehöhlt werden.

 

Es ist auch nicht verwunderlich, dass die EU-Skepsis groß ist. Österreich ist eines der Länder, das, wenn man sich die Umfragen anschaut, an vorderster Stelle steht, was die EU-Skepsis der Bevölkerung betrifft. Es wundert nicht, dass viele Menschen keinerlei Identifikation mit Europa haben. Die abstrakte, wichtige, aber doch für viele Menschen abstrakte Idee von „ Nie wieder Krieg auf europäischem Boden“ ist richtig und ist die Basis für europäische Integration. Aber die Menschen müssen die Auswirkungen der EU auch in ihrer unmittelbaren Lebenswirklichkeit sehen, was ihre Lebensqualität betrifft, und müssen spüren, dass ihnen die EU auch etwas bringt und zwar ihnen und nicht nur den Unternehmen. Dafür müssten aber Binnenmarkt und Wettbewerb nicht mehr oder dürfen Binnenmarkt und Wettbewerb nicht mehr die prioritären Instrumente europäischer Politik sein und braucht es ein soziales Gegengewicht zur Wirtschafts- und Währungsunion und zum neoliberalen Grundgesetz. Es braucht eine Sicherstellung der wirtschaftlichen und sozialen Grundrechte, des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts. Es braucht eine europäische Demokratie, es braucht eine direkte europäische Demokratie.

 

Wir GRÜNE wollen Europa zu einer Frage der direkten Demokratie machen, nicht nur zu einer repräsentativen Demokratie. Deshalb bringen die GRÜNEN heute einen umfassenden Antrag zur Demokratisierung der EU und zur direktdemokratischen Legitimation des Reformvertrags ein:

 

„Der Landtag wolle beschließen, dass im Rathaus“ – denn die EU ist nicht nur eine europäische Angelegenheit, es ist eine Angelegenheit von uns, wie ich eingangs betont habe – „ein BürgerInnenforum über den EU-Vertrag abgehalten werden soll, bei dem neben den Landtagsfraktionen vor allem Vertreter und Vertreterinnen von NGOs, aus dem Jugend-, aus dem Sozial-, aus dem Umwelt-, aus dem Friedens-, aus dem Frauen- und aus dem Menschenrechtsbereich eingeladen werden, ihre Stellungnahmen und Positionen einzubringen und mit den Wiener Landespolitikern und –politikerinnen zu diskutieren.

 

Weiters soll der Landtag die Österreichische Bundesregierung auffordern, sich auf EU-Ebene für folgende Demokratisierungsschritte einzusetzen: Die Einführung eines europaweiten Referendums über Fragen mit europaweiter Bedeutung, zum Beispiel über entscheidende Änderungen von EU-Verträgen. Nach bestimmten Kriterien sollte ein solches Referendum natürlich auch verbindlich sein, zum Beispiel bei doppelten Mehrheiten von BürgerInnen und Mitgliedsstaaten.“

 

Wir wollen die verpflichtende Abhaltung von europaweiten Referenden, zum Beispiel bei der Änderung von EU-Verträgen, aber auch zum Beispiel, wenn eine europäische Bürgerinitiative ein gewisses Ausmaß von Unterschriften erreicht hat, zum Beispiel 10 Millionen Unterschriften. Dafür braucht es natürlich auch Erleichterungen und eine Konkretisierung dieses neuen direktdemokratischen Instruments „Europäische Bürgerinitiative“, dass zum Beispiel Unterschriften nicht mehr aus einer erheblichen Anzahl von Mitgliedsstaaten kommen sollen oder dass auch bewusst Erleichterungen beim Zugang zu Medien geschaffen werden sollen, um eine europäische Bürgerinitiative entsprechend auch europaweit zu bewerben.

 

Wir wollen eine Einbindung der Zivilgesellschaft in allen künftigen Konventen für Änderungen der Verträge mit Stimmrecht und wir wollen natürlich einen Ausbau des Europaparlaments zu einem richtigen Parlament mit

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular