Landtag,
16. Sitzung vom 28.03.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 39 von 78
ansprechen und da gerade Deutschland als Vorbild genommen haben: Genau in Deutschland kann diese EU nämlich noch ihre gewaltigen blauen Wunder erleben, denn dort gibt es beträchtliche Vorbehalte des Bundesverfassungsgerichtshofs zu dem jetzt abzuschließenden Vertrag und der hat schon einige Male bei Beschlüssen des Bundestags in EU-Fragen Nein gesagt. Da werden wir noch sehen, was rauskommt.
Wie sehr Sie selber doch schon zurückrudern, Herr
Kollege Tschirf, da schauen wir uns Ihren Resolutionsantrag an. Die Akzeptanz der
Europäischen Union ist in der Bevölkerung weit nicht mehr so groß wie im Jahr
des Beitritts. Die EU-Skepsis wird größer. „Die EU ist ein Moloch.“, schreiben
Sie da selber hinein. Da sehen Sie doch, Sie rudern mit beiden Händen zurück,
was das Zeug hält, weil Sie merken, der Boden beginnt unter Ihren Füßen zu
wanken!
Ich nehme also jetzt die letzte Gemeindezeitung her.
Da steht unten drinnen zur heutigen Überschrift: „Die Verfassung, die wir
haben, heißt Demokratie, weil der Staat nicht auf wenige Bürger, sondern auf
die Mehrheit ausgerichtet ist. Und das sollte“ - steht da ursprünglich - „die
Präambel der Europäischen Verfassung werden.“ Man hat das richtigerweise nicht
hineingeschrieben, denn die Mehrheit der Bürger in Europa verlangt heute - und
das ist durch alle Befragungen in ganz Europa abgedeckt - eine Abstimmung über
diese Pseudoverfassung, die Sie ihnen nicht geben wollen! „Alles Recht geht vom
Volk aus“, haben wir auch bei uns stehen, Herr Kollege, wenn Sie schon dauernd
die Verfassung zitieren! (Beifall bei der FPÖ.)
Der Herr Bürgermeister hat in seinen Eingangsworten
angeführt: „Ich teile die Sicht der 82 Prozent der europäischen
Parlamentarier, die hier die Zustimmung zu den Lissabon-Verträgen
signalisieren.“ Die SPÖ hat sich ja unmittelbar nach den Worten des Herrn
Bürgermeisters in die Mittagspause verabschiedet und mittlerweile der
Bürgermeister auch schon. Das ist das, was Sie unter „Diskussion und Demokratie
auf Rot“ verstehen, meine Damen und Herren!
Also der Herr Bürgermeister teilt die Meinung von
82 Prozent der EU-Parlamentarier. Ich sage aber etwas anderes: Ich teile
die Sicht der Mehrheit von über 70 Prozent der Österreicher, die für eine
Volksabstimmung sind. Und die sind mir wichtiger als sämtliche
EU-Parlamentarier! (Beifall bei der FPÖ.)
Denn im Gegensatz zum Kollegen Tschirf will ich keine
Herauslösung von Teilen Österreichs in Pseudokooperationen. Mir sind die
Salzburger, Herr Kollege Tschirf, und die Oberösterreicher um Häuser lieber und
vor allem wichtiger als das, was sich im Raum Preßburg oder sonstwo tut! Und
das kann ich Ihnen auch sagen: Noch gibt es diese Republik Österreich und wir
treten für Sie ein, auch wenn Sie sie vielleicht gerne auflösen würden!
Ihre oberösterreichischen und niederösterreichischen Kollegen,
das kann ich Ihnen sagen, werden sehr genau auf das hören, was Sie da gesagt
haben. Sie werden sich mit Ihrer Wiener ÖVP noch weiter vom Bund isolieren, als
Sie es ohnehin schon sind.
Der Herr Bürgermeister bedankt sich auch ganz
großartig dafür, dass „Die Hoheit der Städte erstmalig“ - hat er gesagt – „in
der EU festgeschrieben wird.“ Die Hoheit der Städte, sie dürfen über ihre
eigenen Bereiche verfügen, wird festgeschrieben! Das ist doch keine Gnade,
verdammt noch einmal, meine Damen und Herren! Diese Hoheit der Städte haben im
Hochmittelalter schon sämtliche reichsfreien Städte gehabt, wie Sie vom
Baltikum bis nach Südtirol sehen können. Das ist doch keine Gnade, dass wir das
Recht haben, über uns selbst zu bestimmen oder sind wir schon so weit in dieser
EU? Das muss ich Sie schon fragen!
Nur noch ein Satz zu den Anträgen der GRÜNEN heute,
denen wir in weiten Bereichen, nicht in allen, das gebe ich zu, zustimmen
können. Aber die Volksabstimmung im Gesamtbereich ist besser als gar nichts.
Das ist auch ein Punkt.
Nun noch einmal zur Europa-Erklärung des Herrn
Bürgermeisters. Er hat dazu nämlich genau vor fünf Jahren, fast genau, am
23.4., schon eine Erklärung abgegeben und ich habe mir die Mühe gemacht, sie
herauszusuchen. Die Archive sind die Rache der Geschichte, hat einmal wer
richtig festgestellt.
Da sagt er: „Einer Europäischen Verfassung ohne
Identifikation der Bürger und Bürgerinnen dieses Europas mit ihrer Verfassung
wird kein Erfolg beschieden sein.“ In der Zwischenzeit hat er anscheinend die
Meinung geändert. Er führt weiter aus und fordert die Durchführung, wörtlich:
„Auch die Durchführung einer Volksabstimmung über die Europäische Verfassung
trotz aller Schwierigkeiten, die damit verbunden sind. Eine Verfassung, die in
einer Volksabstimmung von den Bürgern und Bürgerinnen verabschiedet wird, hätte
jedenfalls einen unübersehbaren Vorteil gegenüber einem Zustandekommen auf rein
mitgliedsstaatlicher Ebene. Allein der Prozess der Vorbereitung einer solchen
Volksabstimmung würde zwingend europaweit eine politische Diskussion und
Auseinandersetzung in Gang bringen.“ Der Herr Bürgermeister hat die
Volksabstimmung gefordert. Jetzt ist er leider nicht da, so dass man ihn an
seine Vergesslichkeit erinnern könnte, den Herrn Bürgermeister und die SPÖ, die
damals mitgegangen ist, meine Damen und Herren, Herr Kollege Schuster! Auch Sie
haben diese Deklaration des Herrn Bürgermeisters damals beklatscht und was ist
heute? Alles vergessen? Konrad Adenauer hat gesagt: „Was schert mich die
Dummheit, die ich gestern gesagt habe?“ Ist das die Politik, die Sie betreiben
und wie Sie die Österreicher an der Nase herumführen?
Hier geht es um wesentliche
Sachen, das kann ich Ihnen sagen. Ich meine, wir sind es schon gewohnt, dass
Versprechen und Taten bei der SPÖ zweierlei sind. Das hat sich in der
Vergangenheit schon des Öfteren gezeigt. Ich brauche da gar nicht die
Geschichte vom Umfallen zitieren. Sie sind ja gerade wieder in so einer Wackel-
und Umfallphase. Aber hier geht’s nicht nur um Studiengebühren oder Pensionsanpassung
- die ist sicher wichtig für die Betroffenen -, hier geht’s um etwas
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