Landtag,
16. Sitzung vom 28.03.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 51 von 78
Weg zu finden als ihre Eltern. Sie sind mit unfassbaren Anfeindungen seitens der Mehrheitsgesellschaft konfrontiert, sie sind extremem Rassismus ausgesetzt.
Ich rufe in Erinnerung, dass vor wenigen Jahren
gerade eben bei einer Roma-Community in der Slowakei rundherum so eine Art Wall
errichtet wurde, eine Art befestigter Zaun, so richtig mit Ziegeln, damit sie
sozusagen den Ort nicht verlassen können und die benachbarten Dörfer in der
Nähe nicht erreichen können. Das ist etwas, was damals schärfstens verurteilt
worden ist allseits in Europa, und inzwischen hat man auch Abstand von diesem Projekt
genommen.
Worauf ich aus bin, ist, dass es so war in den
vergangenen Jahrzehnten und bedauerlicherweise in Bulgarien, in Rumänien, in
Serbien, in Griechenland übrigens auch, in der Slowakei auch noch immer so ist,
dass die Aufbauarbeit, die Betreuungsarbeit, die in diesen Communities
geleistet wird, minimal und marginal ist, dass die Rahmenbedingungen, unter
denen diese Menschen leben und auch ihre Kinder aufwachsen, nicht verändert
werden, dass die Sozialarbeit, die ihnen sozusagen zukommt in den Herkunftsländern,
ebenfalls minimal ist und dass innerhalb der Communities wirklich sehr wenige,
sehr engagierte Menschen mit extrem wenig Mitteln versuchen, Besserungen zu
erreichen. Sie können diese Besserungen punktuell erreichen, aber dann kommt
der nächste harte Winter, das nächste Hochwasser, die nächste schlechte Ernte,
und es geht alles wieder von vorne los und ist noch viel schlimmer als vorher,
weil eben kein soziales Netz existiert, kein Auffangnetz da ist, keinerlei
soziale Leistungen, so wie wir sie kennen. Es sind Menschen, die wirklich am
Rande der Gesellschaft leben.
Und da ist es auch kein Wunder, dass neben dem
Großteil von ihnen, die im Übrigen als Erntehelfer arbeiten und so ihren
Lebensunterhalt verdienen, eben auch etliche immer wieder zum Betteln gezwungen
sind und auch tatsächlich in der einen oder anderen Art – manche organisiert
bedauerlicherweise und auf äußerst tragische Art und Weise ausgebeutet, andere
wiederum aber schon auch auf eigene Faust – bis nach Österreich kommen, aber auch
insgesamt in den umliegenden europäischen Ländern betteln.
Betteln mit Kindern ist nichts Neues. Das gibt es in
Wien schon seit einigen Jahren. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass bereits
1996 ähnliche Vorfälle in Wien zu verzeichnen waren. Die Polizei ist
eingeschritten, es ist zu sehr unschönen Szenen damals gekommen, und schon 1996
hat der Wiener Gemeinderat einen Antrag der grünen GRin Susanne Jerusalem
unterstützt, mit den Stimmen der SPÖ, und in diesem Beschlussantrag des
Gemeinderates wird Folgendes festgehalten:
„Der Wiener Gemeinderat spricht sich dafür aus, dass
das Jugendamt in Zukunft bettelnden ausländischen Familien die Kinder/das Kind
nicht mit der Begründung Bettelei abnimmt. Das Jugendwohlfahrtsgesetz mit
seiner Forderung, dass das Kindeswohl im Mittelpunkt zu stehen habe und das
jeweils gelindeste Mittel zur Erreichung des Zieles einzusetzen sei, soll
eingehalten werden."
Worum ging es in diesem Beschlussantrag, meine Damen
und Herren? – Es ging darum festzuhalten, dass es nicht gut und nicht schön
ist, wenn Kinder betteln, aber wenn diese Kinder die eigene Mutter, den Vater
begleiten, dann ist es sicher keine gute Idee, diese Kinder von der
Bezugsperson zu trennen. Und weil wir hier über das Kindeswohl diskutieren und
weil wir hier festhalten, dass es nicht gut ist, dass es dem Kindeswohl nicht
gedeihlich ist, die Kinder in der Kälte mitzuführen und auch betteln zu lassen
– da sind wir uns alle einig –, stelle ich hier die Frage: Tut es den Kindern
gut, in ein Polizeiauto gezerrt zu werden, in ein Polizeigebäude geführt zu
werden, dort einige Stunden lang in einer Gefängniszelle zu verbringen?
Ja, man hat sich jetzt bemüht, Mutter-Kind-Zellen zu
schaffen. (Abg DDr Eduard Schock: Die
kommen zur „Drehscheibe"!) Ja, ich kann mir schon vorstellen, dass
diese Mutter-Kind-Zellen weniger furchteinflößend sind oder sein sollen nach
unseren Vorstellungen als gewöhnliche Zellen. Es sind nichtsdestotrotz Zellen. (Abg Godwin Schuster: Das ist nicht die
Wahrheit!) Wieso ist das nicht die Wahrheit? (Abg Godwin Schuster: Das ist Ihre Wahrheit!) Entschuldigung! (Abg DDr Eduard Schock: Die Kinder kommen
zur „Drehscheibe"!) Ich habe doch in den Unterlagen, die ich von Ihnen
bekommen habe, ich habe in der Zeitung gelesen – ich habe das nicht verbreitet,
Sie haben es so den Medien weitergegeben –, dass Mutter-Kind-Zellen geschaffen
werden, wo sie sich für einige Stunden aufhalten sollen, bis die Personalien
festgestellt sind, und von dort sollen sie dann in die „Drehscheibe"
kommen.
Wenn man nun davon abgegangen ist und sie kommen gar
nicht erst in die berühmte Mutter-Kind-Zelle, von der, wie gesagt, Sie, Frau
Stadträtin, die Medien informiert haben, dann freut es mich. Dann kommen sie in
die „Drehscheibe". Wunderbar! Sie werden von den Eltern getrennt – noch
einmal –, sie erleben, dass die Eltern ins Gefängnis kommen, sie selbst halten
sich ein paar Wochen lang in der „Drehscheibe" auf, von wo sie von den
Eltern auch wieder abgeholt werden können, und in der einen oder anderen Art
und Weise werden sie dann rückgeführt in die Herkunftsländer, wo, wie wir
gehört haben, auch heute Früh, angeblich – angeblich! – ein Netz aufgebaut wird
nach dem Vorbild der „Drehscheibe" und sozusagen nach dem Vorbild dessen,
was wir in Wien an sozialarbeiterischen Standards kennen.
Und ich sage Ihnen an dieser
Stelle: Würde ich glauben, dass in den Herkunftsländern tatsächlich derartige
sozialarbeiterische Standards vorhanden sind, wie wir sie hier in Österreich
kennen, hätte ich auch kein Problem damit. Es ist aber nicht so. Es ist nun mal
nicht so! Diese Kinder kommen zurück nach Bulgarien oder nach Rumänien, wo
teilweise Heime da sind, Auffanglager da sind, die zum Beispiel nicht in die
Kompetenz des Sozialministeriums fallen, so wie wir das erwarten würden,
sondern in die Kompetenz der Kriminalpolizei. (Abg Dr Wolfgang Aigner: Das ist nicht unser Problem!) So ist es
der Fall zum Beispiel aktuell in Bulgarien. Sie kommen in
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