Landtag,
16. Sitzung vom 28.03.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 52 von 78
ein Auffanglager, das von der Kriminalpolizei geführt
wird. (Abg Dr Wolfgang Aigner: Aber das
ist doch nicht unser Problem!)
Ja, sehen Sie, Herr Aigner, das ist eben der
Unterschied zwischen Ihrer Mentalität und meiner. Es ist wunderbar. Danke für
diesen Zwischenruf! Er ist entlarvend, denn er zeigt, worum es mir geht und
worum es Ihnen geht. Ihnen geht es ganz simpel darum: Hinaus damit! Machen wir
die Stadt sauber von den Bettlern! Ab nach Hause! Und was dort mit denen
geschieht, ist mir wurscht, das ist mir einfach wurscht. Aus den Augen, aus dem
Sinn! Die kommen aus einem anderen Land. Die sollen schauen, wo sie bleiben.
Und dann kommen Sie hierher und vergießen Krokodilstränen über das Kindeswohl.
Na, ganz sicher nicht. Dann steht eben nicht das Kindeswohl für Sie – für Sie
zumindest – im Vordergrund. Für Sie steht nur eines im Vordergrund: Sie wollen
nicht belästigt werden von bettelnden Eltern mit Kindern. Sie wollen den Wiener
Chic wunderschön, unverfälscht, ohne Bettler, ohne unangenehme Bilder für die
Touristinnen und Touristen, die zu Tausenden zur EURO kommen werden,
aufrechterhalten. Darum geht es Ihnen. Wunderbar! Das haben wir festgehalten.
Ist auch ein Zugang. Wir leben in einer Demokratie. Das ist Ihr Zugang. Das ist
auch der Zugang der FPÖ. Stadt frei von Bettlern! Saubere Stadt! Hinaus mit den
Bettlern aus der Stadt! (Abg Veronika Matiasek: Wollen Sie, dass die Kinder
weiterhin auf der Straße betteln? Ist Ihnen das lieber?) Hinaus mit den Hunden aus der Stadt!
Hinaus mit den Tieren aus der Stadt! Hinaus – mit wem? – mit den
Drogensüchtigen aus der Stadt! Alles, was halt irgendwie nicht perfekt ist,
alles, was irgendwie belästigt, alles, was uns irgendwie darauf verweist, dass
in unserer Stadt eben nicht alles perfekt ist, dass es Armut gibt, dass es
Elend gibt, dass es Randgruppen gibt: Hinaus damit! Die saubere, perfekte
Stadt! Wunderbar! Jedes Haus saniert, alles sauber, alles picobello. Das ist
Ihr Stadtbild. Ist okay, es ist Ihnen unbenommen.
Ich habe einen anderen Zugang. Mich interessiert sehr
wohl, was mit diesen Kindern passiert, wenn sie die österreichische Grenze
verlassen, und ich gehe davon aus, dass es außer den Grünen mindestens eine Fraktion in diesem Haus gibt, die das
auch interessiert, nämlich die SPÖ. Und an sie richte ich daher eigentlich
meine Wortmeldung, denn hier gibt es tatsächlich einen Punkt, wo ich schlicht
den Ausführungen nicht glaube, die ich bisher gehört habe. Es ist zu schön! Es
ist wunderbar, es gibt eine herrliche Begleitmusik, wenn man diese Papiere für
dieses Bettelverbot für die Kinder anschaut (Abg
Godwin Schuster: Eben!), und das soll mir weismachen, dass diesen Kindern
überhaupt nichts Schlimmes passiert. Sie werden abgeholt, sie kommen in die
„Drehscheibe". Na ja, die Eltern kommen halt ins Gefängnis für zwei Wochen
oder länger, denn sie können sich die 700 EUR nicht leisten. (Abg Godwin Schuster: Das ist super, wie Sie
das darstellen! Und das ist in Ordnung?) Aber das ist ja nicht so schlimm.
Und dann kommen sie zurück in das Herkunftsland, wo sie dann betreut werden von
Sozialarbeitern und Sozialarbeiterinnen, wo sie in tolle Zentren kommen nach
dem Vorbild der „Drehscheibe" und wo ihnen dann eine bessere Zukunft
gesichert ist.
Und genau damit, sage ich Ihnen, habe ich ein
Problem, denn ich weiß, dass in diesen Ländern die sozialarbeiterischen
Standards nicht dieselben sind, dass die Ausbildung der Sozialarbeiter und
Sozialarbeiterinnen in keinster Art und Weise mit der hiesigen zu vergleichen
ist, und ich weiß auch – und ich weiß es auch aus der eigenen Erfahrung –, wie
Kinderheime in diesen Ländern aussehen.
Das sind nun mal keine Einrichtungen, in denen wir in
Österreich gerne Kinder sehen würden. Es sind keine Einrichtungen, in denen
Kinder liebevoll betreut werden und in denen ihnen eine gedeihliche Zukunft
mehr oder weniger gesichert ist, sondern es sind vielerorts bedauerlicherweise
äußerst triste Verwahrungsinstitutionen, die obendrein teilweise sogar von der
Polizei geführt werden.
Und da bin ich in größter Sorge, ob das, was wir tun,
obwohl es gut gemeint ist, nicht am Ende das Gegenteil von gut ist und am Ende
erst recht zu einer Traumatisierung dieser Kinder führt. Ich weiß nicht, ob am
Ende diese Kinder, so sie nicht eben von kriminellen Banden zum Betteln
gezwungen werden, sondern bloß die eigenen Eltern begleiten, vielleicht besser
dran wären, so wie es bisher war, und ob es nicht die bessere Lösung gewesen
wäre – was wir ja mehrfach angeregt haben in den letzten Wochen, seit die
Debatte läuft –, sich Zeit zu nehmen, vielleicht noch ein Jahr, in dem
Sozialarbeiter Anamnesegespräche führen mit den Menschen, die hier in Wien
betteln, in dem man genauer die Ursachen erforscht und dann ein gescheiteres
Projekt auf die Beine stellt, vor Ort, unter Einbindung der Communities, was
bedeuten würde, dass diese Kinder in den Communities betreut werden könnten und
nicht eben in diesen schrecklichen Heimen landen, wo ihnen viele Dinge drohen,
die wir uns hier nicht einmal ausmalen möchten.
Das ist der Kern meiner Wortmeldung, das ist der
Grund dieser Skepsis, warum wir sehr wohl großes Bauchweh haben und warum wir
sagen, okay, selbst wenn wir anerkennen, dass hier sozusagen durchaus eine
mögliche gute Absicht hinter dem Gesetz steckt, die Ausführung ist denkbar
schlecht. Leider, leider sehen wir nicht, dass das angestrebte Ziel, nämlich
das Wohl des Kindes, auf diesem Weg auch wirklich erreicht werden kann. (Abg Kurth-Bodo Blind: Vielleicht soll man
sie nach Athen schicken!)
Lassen Sie mich abschließend noch
eines sagen: Es lohnt sich, immer wieder die Statistik anzuschauen, denn es
wird behauptet, dass ein Großteil dieser Kinder in Wahrheit gar nicht die
eigenen Eltern begleitet, sondern durchaus von kriminellen Banden hierher
gebracht wird. Dazu Folgendes: Wenn jemand von kriminellen Banden nach
Österreich gebracht wird, um zu betteln, und zwar unabhängig davon, ob dieser
jemand ein Kind ist oder ein Erwachsener, ist es bereits jetzt strafbar.
Organisiertes Betteln ist in Österreich strafbar, und das ist gut so. Das
heißt, jegliche Kinder, die aktuell von kriminellen
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