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Landtag, 17. Sitzung vom 05.06.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 31 von 70

 

Statistischen Zentralamtes sagen für Wien, dass bereits ein Drittel der Wiener Bevölkerung einen Migrationshintergrund hat. Das ist so zu verstehen, dass nahezu ein Drittel der Wiener Bevölkerung einen Migrationshintergrund in der ersten Generation oder in der zweiten Generation hat.

 

Wir sind auch inzwischen so weit, dass wir sozusagen auf Grund von geburtenstärkeren Jahrgängen die Entwicklung haben - die wir auch schon in den letzten Jahren auf uns zukommen gesehen haben - dass unter den Taferlklasslern und Taferlklasslerinnen nahezu 50 Prozent mit nichtdeutscher Muttersprache sind.

 

Nun gehöre ich ganz sicher nicht zu denjenigen, die den Migrationshintergrund, oder die Tatsache, dass ein Kind sozusagen nichtdeutsche Muttersprache hat, mit dem Faktum gleichsetzen, dass es Deutschschwierigkeiten hätte. Das ganz sicher nicht. Nichtsdestotrotz wissen wir, dass auch die Zahl der Kinder, die zum Zeitpunkt der Einschulung in der deutschen Sprache noch Schwierigkeiten haben, durchaus eine wachsende ist. Also eine, die stetig steigt, und es hat ganz simple Ursachen. Man muss das meines Erachtens auch nicht dramatisieren, es gehört zur Natur der Dinge, wenn Sie so möchten, dass in einer Familie, wenn beide Kinder Eltern haben, die nicht Deutsch als Muttersprache haben, man davon ausgehen kann, dass diese Eltern zu Hause die eigene Muttersprache mit ihren Kindern sprechen werden und nicht allenfalls gebrochenes Deutsch. Und selbst wenn sie es täten, würde es, nebenbei bemerkt, den Kindern im Hinblick auf ihre Einschulung auch kaum etwas nützen. Das heißt in der Tat: Die Frage, wie wir es erreichen können, dass möglichst alle Wiener Kinder zum Zeitpunkt der Einschulung so gut Deutsch beherrschen, dass sie dem Unterricht folgen können, ist eine zentrale Frage für das Wiener Bildungssystem. Und das ist eine Frage, die nicht nur mit der Zukunft dieser Kinder unmittelbar zusammenhängt, sondern es ist eine Frage, die die Zukunft aller Wiener Kinder logischerweise miterfasst, es ist eine Frage, die bedeutet, dass wir vielleicht, und hoffentlich in den nächsten Jahren irgendwann einmal, mit weitaus besseren PISA Ergebnissen zu rechnen haben werden, als es zuletzt der Fall war. Klar ist auch - und das möchte ich in dieser Debatte vorausschicken -, dass die hervorragenden Deutschkenntnisse von Kindern zum Zeitpunkt der Einschulung ein Aspekt sind, ein, wie gesagt, sehr zentraler und sehr wesentlicher für den Erfolg des Wiener Schulsystems, aber sicherlich nicht der einzige.

 

Das heißt, hier gibt es Reformen, die erforderlich sind, über die wir immer wieder von hier aus diskutiert haben, nicht zuletzt auch die Frage einer Gesamtschule, aber für die Zwecke der heutigen Diskussion sollten wir logischerweise dieses Kapitel vielleicht nicht mehr beleuchten, sondern wir sollten uns darauf konzentrieren, was passiert mit Kindern, was ist sinnvoll, was macht Sinn, wie sollte man Kinder erfassen und bestmöglich fördern und betreuen, noch bevor sie die Schule erreichen.

 

Und hier kann ich Ihnen einiges an Kritik nicht ersparen, also ganz besonders Ihnen, Frau Stadträtin, und auch den Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie nicht, denn wir haben viele Jahre lang in diesem Haus darüber diskutiert, dass es sehr wichtig und sehr sinnvoll ist, Kinder mit Deutschschwierigkeiten im Klassenverband zu belassen, dass wir sie nicht von den anderen Kindern separieren. Wir hatten seinerzeit, also vor 12 Jahren, als ich in diesem Haus begonnen habe, Vorzeigemodelle mit BegleitlehrerInnen und StützlehrerInnen, mit Nachmittagsbetreuung, wo auch die Muttersprache gefördert wurde, wo ich zwar der Ansicht war, dass das bei Weitem noch nicht ausreichend ist, dass es ausbaufähig ist, dass es in diesem Bereich viel mehr braucht, aber jedenfalls hatten wir einen Weg. Und ein Zentralaspekt dieses Weges war, dass die Kinder, die Deutschschwierigkeiten haben, nicht separiert werden sollen, sondern dass sie im Klassenverband bleiben sollen, weil das oft auch zur Stigmatisierungen dieser Kinder führen kann und weil es bedeutet, dass sie sich selbst dann als etwas anderes betrachten und weil sie dann auch von den anderen Kindern als Belastung betrachtet werden können.

 

Was ist passiert? Seit dem Jahr 2000, wissen wir, sind über 1 000 Lehrerinnen und Lehrer eingespart worden, und diese Einsparungen bedeuteten nicht zuletzt, dass es gerade im Bereich der Fördermaßnahmen für Kinder, die Deutschschwierigkeiten haben, auch übrigens in der Förderung des muttersprachlichen Unterrichts und in vielem mehr, zu massiven Einsparungen gekommen ist. Das heißt, dieses Modell, das wir einmal hatten und auf das wir stolz waren und wo wir darüber stritten, ob es jetzt ausreicht oder ausgebaut werden muss, ist in Wahrheit zurückgefahren worden. Und klar ist - und an dieser Stelle, glaube ich, kann auch einwandfrei festgestellt werden -, es gibt ein Problem, und dieses Problem ist sehr schlimm. Und einmal mehr, dieses Problem bedeutet, dass Tausende von Kindern jahrein jahraus in Wahrheit mit der Schultype bereits, ja, in der Schultype, wenn Sie so möchten, einen vorgezeichneten Weg haben, der durchaus ein bitterer sein wird. Und ich finde es sehr traurig, wenn Kinder von Anfang an ihrer Perspektiven beraubt werden. Und ich denke, es muss gehandelt werden und es muss nüchtern sozusagen, und ohne ideologische Scheuklappen darüber diskutiert werden, was man tun kann und wie man diese Kinder optimal betreuen kann.

 

So, denke ich, ist auch, oder anders und mit Abstrichen, aber egal, ist auch die Regelung der Bundesregierung schlussendlich zustande gekommen. Zunächst hat es geheißen, man diskutiert über verpflichtenden Kindergarten für alle Kinder - ich rufe in Erinnerung, zunächst hat es geheißen, verpflichtender Kindergartenbesuch, das letzte Kindergartenjahr oder Vorschule für alle Kinder, und kostenlos, denn selbstverständlich, wenn man etwas vorschreibt, muss es auch eine kostenlose Maßnahme sein. Aus dem Kostenlosen ist dann sehr wohl eine Kostenpflicht geworden und aus dem Verpflichtend für alle Kinder ist dann ein Verpflichtend für Kinder mit Migrationshintergrund, die Deutschschwierigkeiten

 

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