Landtag,
18. Sitzung vom 26.06.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 26 von 49
Tierschutz ist eine sehr wichtige Angelegenheit, eine Angelegenheit, die den GRÜNEN sehr am Herzen liegt. Tierrechte, aber auch Menschenrechte und BürgerInnenrechte sind ein Grundpfeiler der Demokratie, und wenn beides gemeinsam in Gefahr gerät, ist es notwendig, dass wir uns hier mit diesem Thema genauer auseinandersetzen.
Im Moment sitzen in
Österreich zehn Personen in Untersuchungshaft. Die Anwälte dieser Personen
haben keine völlige Akteneinsicht. Die sitzen seit fünf Wochen in
Untersuchungshaft, und kein einziger Anwalt hat völlige Akteneinsicht, worum es
denn überhaupt geht. Wir sprechen da nicht von Guantánamo oder irgendeinem
fernen Land, sondern das passiert hier in Österreich: in Wien, in Wiener
Neustadt, in Innsbruck.
Es handelt sich um nichts
Geringeres als ein Abmontieren des Rechtsstaats. In der Bundesrepublik
Deutschland hat man bei so etwas sehr oft sogar die FDP an seiner Seite. In
Österreich gibt es im bürgerlichen Spektrum niemanden, der für einen
Rechtsstaat eintritt. Das ist bedauerlich. Dieser Rechtsstaat wird in
Österreich mit Füßen getreten, mit den Füßen des Innenministers und mit den
Füßen der WEGA.
Ich werde im Einzelnen
darauf eingehen, was bisher vorgefallen ist und warum TierschützerInnen
eingesperrt sind, ohne zu wissen, wie die Anklage im Einzelnen genau lautet.
Am 21. Mai 2008
stürmen Beamte der WEGA und ähnliche Einheiten in Wien, Salzburg, Tirol und der
Steiermark in einer Razzia verschiedene Wohnungen und Häuser in Österreich -
mitten in der Nacht, mit dem Rammbock durch die Tür, schwer bewaffnet, mit der
Waffe in der Hand, und diese in der Nähe des Kopfes dieser Personen; manches
Mal angeblich im falschen Haus und dann anschließend daneben im richtigen. Es
sind Personen nackt aus dem Bett herausgeholt worden. Die Annahme, dass die
Tierschützer und Tierschützerinnen zu Hause um 6 Uhr früh oder um
5 Uhr früh bewaffnet hinter der Türe sitzen und warten, ob irgendjemand
hereinkommt, ist mehr als lächerlich. Allein diese Razzia zeigt, ... (Zwischenruf
von Abg Mag Wolfgang Jung) - Ich habe den Zwischenruf nicht verstanden und
kann ihn nicht kommentieren, aber er war sicher nicht besonders hilfreich.
Sie kamen mit dem Rammbock
durch die Tür, und plötzlich standen die Tierschützer da, mit der angehaltenen
Pistole vor dem Kopf, es wurden ihnen Handschellen angelegt, und sie wurden
abgeführt, weg!
Seit diesem Zeitpunkt ist
ihr Kontakt zur Außenwelt schwer reduziert. Inhaftiert wurden zehn Personen -
darauf komme ich noch zu sprechen -, und der Hauptvorwurf, der einzige, der
übrig bleibt, lautet auf den § 278a StGB. Das ist der so genannte Mafia-Paragraph
in Österreich. Der wird jetzt verwendet, um aus den Tierschützern und
Tierschützerinnen eine kriminelle Organisation zu machen. Das ist der einzige
Vorwurf, der momentan tatsächlich zugeordnet wird, und dieser gilt pauschal für
alle. Keinem Einzigen und keiner Einzigen der Inhaftierten wird konkret eine
einzige Sachbeschädigung oder auch nur sonst irgendein Delikt vorgeworfen. Kein
einziges Delikt wird einer einzelnen Person exakt zugeordnet. Es gibt nur den Vorwurf:
§ 278a - kriminelle Organisation, kriminelle Vereinigung.
Dazu gibt es mittlerweile eine Serie von
Presseaussendungen. Und damit man auch weiß, was dieser § 278a regelt -
der eigentlich für Geldwäscher, für Waffenschieber, für Menschenschlepper gedacht
war und der jetzt missbraucht wird für Menschen, die sich in einer NGO
organisieren -, damit ich genauer erläutern kann, worum es da genau geht,
bringe ich einen kurzen Auszug aus dem Strafgesetzbuch. § 278a StGB
betrifft: „Wer eine auf längere Zeit angelegte unternehmensähnliche Verbindung
einer größeren Zahl von Personen gründet oder sich an einer solchen Verbindung
als Mitglied beteiligt, die“ - unter anderem – „eine Bereicherung in großem
Umfang oder erheblichen Einfluss auf Politik oder Wirtschaft anstrebt"
oder „andere zu korrumpieren oder einzuschüchtern oder sich auf besondere Weise
gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen sucht, ..."
Der letzte Punkt wird verwendet, weil Personen sich verschlüsselt
E-Mails geschickt haben. - In Österreich empfiehlt einem fast jedes Programm:
Verschicken Sie Ihre E-Mails verschlüsselt! - Das haben hier ein paar Personen
auch gemacht. Ich nehme an, dass das auch in diesem Haus einige Mitglieder des
Landtags hin und wieder tun, um die Sicherheit des Datenverkehrs
aufrechtzuerhalten. Das ist einer der Vorwürfe, die hier getätigt werden.
Das Vorbild hat sich der Herr Innenminister
offensichtlich in Deutschlands abgeschaut, im Mai 2007 - eine ebenfalls völlig
überzogene Aktion. In Deutschland heißt der Paragraph 129a - Bildung
terroristischer Vereinigungen. Im Vorfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm
stürmten dort, ähnlich wie in Österreich am 21. Mai dieses Jahres,
Polizeieinheiten Wohnungen und Häuser von Mitgliedern von NGOs - in Deutschland
von GlobalisierungskritikerInnen -, 40 Wohnungen, Büros und verschiedene
Projektinitiativen von linken Aktivisten und Aktivistinnen.
Der konkrete Missbrauch in Österreich schaut so aus:
Eine Hausdurchsuchung und die Verhängung der U-Haft müssen sich auf bestimmte
Tatsachen - und nicht bloße Vermutungen – stützen. Eine Verdachtslage gegen
eine Person muss bestehen, um derartige Maßnahmen setzen zu können. Das gibt es
in diesem Fall nicht. Wie gesagt, es wird ja keinem irgendetwas vorgeworfen,
und auch nicht der einen eingesperrten Frau. Und deswegen wird konstruiert -
weil es eben keinen einzelnen Tatverdacht gibt -: 278a, der in diesem Fall
missbräuchlich herangezogen wurde, wissentlich missbräuchlich herangezogen
wurde vom Innenministerium.
Da kann man zwischendurch sagen: Zum Glück wird es
demnächst neu besetzt!, aber ich befürchte, es wird nicht besser.
Wenn man den § 278a nimmt,
dann braucht man keine Zuordnung mehr, dann muss man nur noch sagen: Die
gehören irgendwo dazu! - Es würde also momentan genügen, den § 278a auf
alle Personen in diesem Raum
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