Landtag,
18. Sitzung vom 26.06.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 27 von 49
auszuweiten, die sich irgendwie mit Tierschutz beschäftigt haben und eventuell ein Mail an den Verein geschickt haben, gegen Tierfabriken zum Beispiel. Das genügt schon. Wenn Sie in Kontakt mit einer einzigen Person gestanden sind, die momentan inhaftiert ist, könnten Sie auf Grund dieses § 278a im Moment abgeführt werden - Landtagsabgeordnete nicht ganz so leicht, aber sagen wir einmal: Bei allen Personen, die uns im Internet zuschauen, könnte jetzt hinter ihnen die Wohnung aufgebrochen werden, könnte einer von der WEGA hereinmarschieren und diese Person mitnehmen - weil sie zum Beispiel 20 EUR gespendet hat oder weil sie auf der Mariahilfer Straße, wo verschiedene Tierrechtsorganisationen immer wieder Unterschriften sammeln, unterschrieben hat. Das genügt im Moment, um in Österreich weggesperrt zu werden - mittlerweile fünf Wochen. Im Übrigen: Wie lange das noch dauert, weiß kein Mensch. Es gibt keine Auskünfte darüber.
Das ist im Moment ein Justizskandal erster Güte!
Diese Konstruktion der kriminellen Organisation macht es möglich, dass täglich
alle Personen, die bei diesen Vereinen tätig sind oder tätig waren – das geht
ja rückwirkend, bis in die 90er Jahre sollen Vorfälle untersucht werden -,
damit rechnen müssen, dass sie jederzeit abgeholt und inhaftiert werden können.
Die Kritik von uns ist einfach, dass der § 278a
StGB hier missbräuchlich verwendet wird. Und damit das auch nicht mehr so
leicht passieren kann – und es soll auch nicht mehr passieren -, muss er
reformiert werden.
Die Personen, die jetzt in U-Haft sind, sind in
völlig unterschiedlichen Organisationen tätig. Es sind nicht alle bei einem
Verein, sondern die sind alle in verschiedenen Organisationen tätig. Das
Einzige, was sie gemein haben, das Einzige, was denen in dieser Frage gemeinsam
ist: Sie engagieren sich alle für den Tierschutz. Punkt, das war's. Die
kriminelle Organisation wird abgeleitet aus: „Ich engagiere mich für den
Tierschutz". Punkt. Sonst gibt es nichts! – Jetzt, aktuell, Österreich
2008: Alles, was Sie tun müssen, ist, sich für den Tierschutz zu engagieren.
Überlegen Sie sich das, ob Sie sich das noch leisten können!
Warum sind das zehn Personen? – Das ist natürlich
kein Zufall. Wären es neun oder acht oder sieben oder sechs, dann greift der
Paragraph nicht. Es müssen schon zehn sein. Und genau zehn hat man gefunden,
genau zehn hat es gegeben, auf die das zutrifft - eben nicht neun und nicht
acht. Und deswegen kommt es natürlich auch nicht zur Enthaftung eines
Einzelnen, denn dann sind es nur noch neun. In dem Moment, wo eine Person auf
freien Fuß gesetzt wird - was ich für unbedingt richtig halten würde, für
richtig halte -, bricht das alles zusammen, dieses Kartenhaus an Vorwürfen.
Die Voraussetzung des Vorwurfs wird allgemein
gehalten: Die Personengruppe soll seit 1997 verschiedene Delikte ausgeübt haben
– irgendwelche Stinkbomben fallen lassen, irgendwelche Schaufenster zerstört,
irgendwelche Fahrzeuge zerkratzt und so weiter. Eine Konkretisierung, warum sie
diese Personengruppe festgenommen haben - jetzt rede ich nicht einmal von den
einzelnen Personen, sondern über die Frage: Warum waren es diese Tierschutzorganisationen?
-, die gibt es auch nicht. Es gibt gar nichts! Es gibt hier ein paar
Sachbeschädigungen, da ein paar TierschützerInnen, und zack!, tut man sie
zusammen. Genauso gut hätte man irgendeine andere NGO nehmen können:
irgendwelche AntifaschistInnen, die Demos machen, irgendwelche Menschen, die
Globalisierungskritik üben, irgendjemanden einfach.
Dieser Paragraph ist zu einem Politparagraphen
geworden - leider, er war ja nicht als solcher beabsichtigt -, er wird
ausgenützt, um Opposition mundtot zu machen - das ist in diesem Zusammenhang ja
fast schon eine freundliche Ausdrucksweise, denn wenn man für mehrere Wochen
weggesperrt ist, die eigene Familie nicht sehen kann, die eigenen Kinder nicht
sehen kann, kann sich jeder vorstellen, was das für die einzelnen Personen
bedeutet. Es ist einer der Inhaftierten im Moment im Hungerstreik, oder zumindest einer im Hungerstreik, der hat
bereits über 20 Kilo abgenommen. Der sitzt dort drinnen und steht kurz vor
der Zwangsernährung.
Als Ziel dieser kriminellen Organisation wird dann
der wirtschaftliche Ruin bestimmter Unternehmen behauptet. - Behauptet, sonst
nichts. Das Ziel dieser Tierschützer und Tierschützerinnen ist, Unternehmen zu
ruinieren. - Eine Behauptung; Beweis: null, nichts. Eine These aufgestellt,
Punkt, fertig - das genügt. Das ist in diesem Rechtsstaat anscheinend alles
möglich, deswegen möchte ich den Rechtsstaat in dieser Frage unter
Anführungszeichen setzen.
Der Rechtsstaat hat elendig versagt. Der § 278a
StGB wird hier als Ermittlungsparagraph missbraucht. Die Hoffnung, dass man bei
den Hausdurchsuchungen irgendetwas findet, das anschließend vielleicht
rechtfertigt, dass man die Leute einsperrt, anklagt, hat sich nicht
bewahrheitet: Bis zum heutigen Zeitpunkt keine fertigen Anklagen! Bis zum
heutigen Zeitpunkt keine Akteneinsicht, keine vollständige Akteneinsicht für
die Anwälte! - Das ist an sich ein Skandal: Sie sitzen in U-Haft, haben einen
Anwalt, und der hat keine Akteneinsicht? Wie soll da jemand herauskommen aus dem
Schlamassel? Wie sollen die jemals wieder von hinter den schwedischen Gardinen
hervorkommen können?
Das Schlimme daran ist Folgendes -
und das sollten sich schon alle überlegen; das sollten sich alle überlegen, die
zum Beispiel Jugendliche in der Familie haben, die sich vielleicht in
irgendwelchen linken politischen Organisationen herumtreiben, wo man noch ein
bisschen frecher ist und sich noch ein bisschen mehr traut. Das könnte der eine
oder andere haben. Es könnten ja Leute hier Kinder oder Enkel haben, die
vielleicht irgendwo in einer linken politischen Jugendorganisation tätig sind.
Was denen droht, wenn das Innenministerium wieder einmal durchknallt, sehen wir
in diesem Fall! Hier wird ein Exempel statuiert: Deutschland und Österreich
zeigen in diesem Fall, dass kritische oppositionelle Organisationen immer mit
dem Zugriff des Staates rechnen müssen. In Deutschland gab es völlig überzogene
Aktionen - damit man nicht sagt: bei uns sind es die
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