Landtag,
19. Sitzung vom 10.07.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 6 von 49
Volksabstimmung stattfinden? Warum wurden die
Wienerinnen und Wiener über diesen Vertrag von Lissabon nicht mehr informiert?
Wie viele Informationsveranstaltungen hat gerade der Wiener Landeshauptmann und
Bürgermeister zu diesem Thema abgehalten? (Abg
Mag Thomas Reindl: Die Frau Außenministerin ist seit Monaten auf
Tauchstation! – Weitere Zwischenrufe von der SPÖ.) Ihre Zwischenrufe
zeigen nur schlechtes Gewissen! (Beifall
bei der ÖVP.)
Erinnern wir uns zurück an das Jahr 1994! Ich selber
war auch einer, der herumgelaufen ist und geworben hat. Wir haben damals darum
gekämpft, das Votum für die EU herbeizuführen. Und wir haben gewusst, dass man
sich nicht zurücklehnen und bei allen Dingen, die vielleicht ein bisschen
unangenehm sind, sagen kann: Wir können nichts dafür, das war Brüssel! –
Das ist zwar im ersten Moment leicht, aber die Tagesrealität holt einen ein,
meine sehr geehrte Damen und Herren!
Ich setze mit meinen Fragen fort: Warum sind die
Bürger nicht informiert worden, um eine faire Basis zur verantwortungsvollen
Meinungsbildung jedes Einzelnen zu gewährleisten? (Abg Kurt Wagner: Fragen Sie die Frau Außenministerin!) Warum wurde
von Ihnen anders argumentiert?
Drittens: Herr Landeshauptmann! Sie haben als
Präsident des Rates der Gemeinden und Regionen nach dem irischen Referendum
festgestellt, dass Sie nicht erfreut sind über das Ergebnis, zumal der Vertrag
von Lissabon eine Aufwertung für Europas Regionen bedeutet. Wie werden Sie beim
Rat der Gemeinden und Regionen als dessen Präsident Ihren Meinungsschwenk erklären?
Viertens: In der letzten Sitzung des Wiener Landtages
zum Thema Europa hat Kollegin Vitouch ein wirklich bemerkenswertes Zitat von
Johannes Voggenhuber gebracht, der gesagt hat: „Nicht einmal die Hausordnung
des Paradieses würde 27 Mal eine absolute Mehrheit erhalten.“ –
Kollegin Vitouch hat gesagt, dass sie sich diesem Zitat nur anschließen könne.
Im Anschluss daran stelle ich die Frage an den Landeshauptmann von Wien: Ist
der Landeshauptmann von Wien auch dieser Meinung?
Fünftens: Das Nein der Iren kann dazu führen, dass es
bilaterale Veränderungen des Vertrages zwischen Irland und der EU gibt. Sind
Sie dafür, dass diese Veränderungen auch in Österreich einer Volksabstimmung
unterzogen werden?
Sechstens: Sind Sie für einen EU-Beitritt Kroatiens?
Soll es darüber hier eine Volksabstimmung geben? Wie würde Ihre Empfehlung
lauten?
Siebentens: Sind Sie für einen EU-Beitritt der
Ukraine? Soll es darüber hier eine Volksabstimmung geben? Wie würde Ihre
Empfehlung lauten?
Achtens: Sind Sie für einen EU-Beitritt der Türkei?
Darüber hört man Unterschiedliches von der SPÖ. Soll es darüber hier eine
Volksabstimmung geben? Wie würde Ihre Empfehlung lauten? (Abg
Mag Thomas Reindl: Da hat Schüssel eine Linie vorgegeben!) Ja! Kollege Reindl! Lesen Sie gut nach!
Wolfgang Schüssel könnte ein gutes Vorbild für die SPÖ sein! (Beifall bei der ÖVP.)
Das ist ein guter Hinweis! Wolfgang Schüssel ist
nämlich einer, der nicht nach Meinungsumfragen schielt! (Ironische
Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg Godwin Schuster: Was war
denn 1995?) Schüssel ist einer, der zeigt, was der Unterschied zwischen
einem parteipolitischen Taktiker und einem Staatsmann ist. Wolfgang Schüssel
ist ein Staatsmann. (Beifall bei der
ÖVP. – Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verstehe
die Unruhe! Ich würde auch unruhig werden, wenn ich einer Partei angehören
müsste, die immer eine starke Tradition im Internationalismus hatte, wie auch
im Hainfelder Programm nachzulesen ist, die viel gerade auch im Zusammenhang
mit dem EU-Beitritt geleistet hat und die sich jetzt aus kleinlichen Motiven
und parteipolitischer Taktik unterwirft und Briefe schreibt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stelle noch
eine zehnte Frage an den Landeshauptmann: Sind Sie dafür, dass in Zukunft alle
Auslandseinsätze von österreichischen Sicherheits- und Verwaltungskräften wie
beispielsweise der Polizei einer Volksabstimmung unterzogen werden?
Wir wissen, was bei Friedenseinsätzen beziehungsweise
humanitären Einsätzen von Österreicherinnen und Österreichern im Ausland
geleistet wird, womit auch wichtige Beiträge für das Image Österreichs erbracht
werden. Ich weiß, dass es Menschen in diesem Staat gibt, die das anders sehen.
Die ÖVP hat das nie anders gesehen. Seit den späten 50er Jahren und letztlich
seit unserem UNO-Beitritt hat es diesbezüglich immer eine klare Position der
ÖVP gegeben. Wir sind dafür, dass wir auf diesem Gebiet in der Welt etwas
leisten. Wir sind dafür, weil wir der Ansicht sind, dass es in dieser Welt ganz
große Herausforderungen gerade für ein kleines Land gibt. Ein kleines Land hat
nämlich in einem großen Europa ganz andere Chancen, die Probleme des
21. Jahrhunderts zu lösen. Daher bedauern wir es, dass manche in ihrem
Denken aus dem 20. oder gar aus dem 19. Jahrhundert noch nicht herausgekommen
sind! (Beifall bei der ÖVP. - Abg
Mag Thomas Reindl: In der Schuldebatte seid Ihr im Mittelalter! –
Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Was sollen diese Ablenkungsmanöver? Das Thema ist
ernst genug, dass wir uns hier und jetzt in erster Linie damit
auseinandersetzen sollten! Ich glaube, es ist wirklich ernst genug, und ich
hoffe, dass wir auf diese zehn Fragen jeweils Antworten bekommen!
Was sind eigentlich die Motive für
den Meinungsumschwung der SPÖ? –Offensichtlich hat die SPÖ Probleme
betreffend die Ergebnisse aktueller Meinungsumfragen. Offensichtlich verliert
die SPÖ so stark an Terrain, dass sie selbst Positionen vergisst, die ein Franz
Vranitzky einmal geschaffen hat. Das ist bedauerlich! Und ich füge hinzu: Mag
sein, dass Gusenbauer in einer derart kritischen Situation so gehandelt hat.
Mag sein, dass dem neuen Spitzenkandidaten der SPÖ Faymann nicht bewusst ist,
was das bedeutet, solche Gesten zu setzen. Aber von jemandem mit dem Intellekt des
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