Landtag,
19. Sitzung vom 10.07.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 23 von 49
gegeben, die FPÖ hat immer eine andere Position eingenommen zu den Vorstellungen, wie sie die ÖVP vertritt, und die SPÖ hat sich jetzt - was die Durchführung von europapolitischen Zielen betrifft - nunmehr der Freiheitlichen Ansicht im Sinne von Volksabstimmungen angeschlossen.
Wichtig ist, dass der Herr Bürgermeister und
Landeshauptmann die Mitgliedsstaatenabstimmung betont hat, weil
missverständliche Äußerungen, dass letzten Endes der Ausweg in die nächste
große Koalition der Weg über europaweite Abstimmungen sein könnte, als
Kompromiss mit der ÖVP, noch immer im Raum steht.
Die Frage ist nur: Ist diese sozialdemokratische
Richtungsänderung ernst zu nehmen oder nicht, ist sie nur ein Medienspektakel,
oder ist sie mehr? Die Frage ist schwer zu beantworten, ich glaube aber, dass
man doch sagen muss, dass viel Polemik dabei ist, und wir werden sehen, was die
Zukunft in der tatsächlichen Politik bringt. Die SPÖ-Wien hat sich in
verschiedenen Abstimmungen und Erklärungen oft genug klar gegen die Durchführung
einer Volksabstimmung ausgesprochen, gemeinsam natürlich mit ÖVP und
Grünalternativen, und es wäre sicherlich auch eine Frage, ob eine europaweite
Abstimmung, ein Schwenk der SPÖ in diese Richtung hin zu einer Lösung einer
gemeinsamen Regierungsbildung mit der ÖVP in der nächsten Periode hier
hoffentlich von Seiten der Wiener SPÖ ausgeschlossen wird.
Noch Mitte Juni, also vor ganz kurzer Zeit, hat
Bundeskanzler Gusenbauer ein zweites Referendum in Irland für richtig gefunden
und befürwortet. Ich glaube aber, dass das einen Irrweg bedeutet. Eine
Nichtanerkennung der Abstimmung in Irland ist eine Missachtung und heißt, dass
vor drei Wochen der Bundeskanzler und die SPÖ damit eigentlich die
Rechtsgrundlagen, wie sie jetzt in der EU bestehen, zur Disponade erklärt hat.
Es ist eine schlichte Rechtsbeugung, wenn man die klare Festlegung, dass bei
Ablehnung eines Vertrages durch einen Staat der Vertrag obsolet ist, zu umgehen
versucht, und andere Dinge herbeiführt.
Daher gibt es keinen europapolitischen Konsens hier
in Wien. Es gibt einen Konsens von drei Parteien, und die FPÖ war die einzige
Partei, die sich immer klar und eindeutig für eine Volksabstimmung
ausgesprochen hat. Es gibt einen Konsens von ÖVP, SPÖ und Grünen, aber einen Konsens, der gegen
das Wollen der österreichischen Bevölkerung gerichtet ist. Es hat einen Konsens
gegeben, der gegen die überwältigende und klar erkennbare Mehrheit der Bürger
geführt wurde, und es wäre eine Rosstäuscherei, seitens der Sozialdemokraten
eine neuerliche Volksabstimmung in den Raum zu stellen, wenn sozusagen die
Hoffnung besteht, dass sie nicht in die Pflicht genommen werden. Es ist aber
natürlich immer erfreulich, wenn sich eine Partei wie die SPÖ letztendlich der
Meinung der Freiheitlichen anschließt, es ist immer klug, wenn man klüger wird,
und es ist immer möglich, dass man klüger wird, oder wie Konrad Adenauer es
gesagt hat, all die Bemerkungen der letzten Jahre betreffend, und das trifft
auch auf die SPÖ zu: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern" (Beifall bei der FPÖ.)
Die Nagelprobe kommt bestimmt, denn wie gesagt, es
wird sicher Versuche geben, Lissabon zu retten und es wird selbstverständlich
in einer versuchten neuen großen Koalition die ÖVP geben, die versuchen wird,
die SPÖ auf ihre Richtung hinzubringen. Der Abgeordnete Broukal, der sich jetzt
zurückzieht, hat ja in den letzten Tagen im Österreichischen Nationalrat, im
Couloir des Parlaments, lang und breit verlautet, dass die große Koalition
feststeht, es werden auch am Wochenende entsprechende Berichte kommen, und es
spricht ja auch ein Nichtangriffspakt der ÖVP und der SPÖ im Nationalrat dafür,
dass so was geplant ist. Es gibt zum Beispiel keine Abstimmung über die
Studiengebühren.
Für die ÖVP, das möchte ich feststellen, ist
Mitbestimmung durchs Volk, ist die direkte Demokratie kein Thema. Sie haben
sich also sowohl im Parlament wie auch in der Öffentlichkeit gegen eine
Volksabstimmung gewandt und haben den Vertrag entgegen den klar erkennbaren
Wünschen der österreichischen Bevölkerung im Parlament durchgepeitscht. Und ich
glaube, dass eine solche eklatante Missachtung des Volkswillens etwas ist, was
der Demokratie als Ganzes schadet.
Das ist ein Bärendienst an der Demokratie in
Österreich, an der repräsentativen Demokratie, wenn man von der
Abgeordnetenseite her die sämtlich und klar erkennbaren Wünsche der Bevölkerung
klar negiert.
Zum Beispiel hat die EU-Kommissarin Ferrero-Waldner
knapp vor dem Irland-Votum davon gesprochen, dass, wenn es schief ginge, - was
ja dann geschehen ist - es sich um einen ganz bedauerlichen Zeitverlust
handelte. Das heißt, es werden Verfassungsbestimmungen oder Rechtsbestände der
EU von den eigenen Kommissaren, so sie von der konservativen Seite kommen,
nicht ernst genommen. Und diese volle und völlige Abgehobenheit, diese
Missachtung des Volkswillens an sich sowohl in Wien wie in Brüssel ist ja auch
der Grund dafür, warum die Missstimmung der Bürger gegenüber der EU in diesem
Ausmaß ausgeprägt ist, und dass heute in Wien und Österreich nur mehr
28 Prozent der Bevölkerung die EU als gut und richtig empfinden.
Aber es ist nicht nur das. Es ist
trotz Flexibilitätsklausel, trotz vereinfachter Änderungsverfahren – über diese
Sondergesetze, die hier verfasst werden, haben wir schon gesprochen – etwas,
von dem man sagen muss, es ist der Geist der EU–Richtlinien als solcher, mit
dem ein Großteil der Bevölkerung nicht zu Rande kommt. Es ist eine
Zwangsbeglückung durch diverseste Richtlinien, durch die Gleichbehandlung,
durch die Freizügigkeit, durch die Antidiskriminierungsrichtlinie, die
vielleicht bei vielen Bürgern noch gar nicht so wirklich bekannt ist. Wenn all
das, was wir in dem letzten halben, dreiviertel Jahr über diese ganzen Dinge
hier diskutiert haben, der Bevölkerung bewusster wird, wird die Ablehnung der
Europäischen Union noch eine viel stärkere sein. Wir werden dafür Sorge tragen,
dass im Rahmen des Wahlkampfes diese Anschläge auf die Rechte der Inländer
durch überbordende EU-Richtlinien bekannt gemacht wird. (Abg Marco
Schreuder: Sie wollen die
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