Landtag,
21. Sitzung vom 02.10.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 9 von 47
75 000 Todesfälle gegeben. Davon sind 15 000 obduziert worden. Wir liegen damit, was die Obduktionsrate betrifft, weit über allen anderen europäischen Ländern. Und davon sind 81 Prozent im klinischen Bereich obduziert worden - also wenn Menschen im Spital versterben und dort obduziert werden -, 7 Prozent waren gerichtsmedizinische Obduktionen, und 12 Prozent waren behördlich angeordnete Obduktionen. Also der große Teil - und daran hat sich überhaupt nichts geändert - sind jene Obduktionen, die ganz normal im Spital vorgenommen werden, die nicht sanitätsbehördlich angeordnet sind. Und die Zahl der gerichtsmedizinischen Obduktionen, bei denen es darum geht, Verbrechen aufzuklären, ist und bleibt bei rund 500. Und auch daran hat sich überhaupt nichts geändert durch die Gesetzesänderung, die der Landtag vor einem Jahr einstimmig beschlossen hat.
Präsident Heinz Hufnagl: Danke. - Die
3. Zusatzfrage wird von Frau Abg Praniess-Kastner gestellt. Ich erteile
ihr das Wort.
Abg Karin Praniess-Kastner (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien):
Frau Stadträtin! Ihre Erklärung, die Sie soeben der Frau Abg Vassilakou
gegeben haben, hatten wir ja auch schon im Gesundheitsausschuss diskutiert. Ich
habe jetzt eine zusätzliche Frage, und zwar:
Die aktuellen Probleme der Gerichtsmedizin betreffen
ja auch in erster Linie die Bereitstellung von Infrastruktur für die Sachverständigengutachten
und nicht so sehr den Wissenschaftsbetrieb. Mittlerweile haben sich ja schwere
Versäumnisse der Stadt, was die Kostendeckung für die geleistete forensische
Tätigkeit betrifft, herausgestellt. Die Tarife, die 1990 zwischen der Stadt Wien
und dem damals für Wissenschaftsbelange zuständigen Ministerium ausverhandelt
wurden, sind ja bei Weitem nicht mehr kostendeckend.
Und jetzt meine ganz konkrete Frage dazu: Werden Sie
sich dafür einsetzen, die seit Langem geforderte Bereitstellung für
Infrastruktur für Sachverständige in die Tat umzusetzen?
Präsident Heinz Hufnagl: Bitte, Frau
Stadträtin.
Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely:
Wenn es wieder eine Gerichtsmedizin gibt, bin ich sehr gerne bereit, auch über
die Tarife zu verhandeln, und zwar auch in Richtung einer Kostendeckung, um
diesen Beitrag für die Stadt Wien zur Verfügung zu stellen.
Präsident Heinz Hufnagl: Die
4. Zusatzfrage stellt Frau Abg Floigl. Ich erteile ihr das Wort.
Abg Veronika Floigl (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener
Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrte Frau Stadträtin! Was waren
die Hauptkritikpunkte des Rechnungshofes, dass es letztendlich zur Schließung
der Gerichtsmedizin gekommen ist?
Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely:
Grundsätzlich muss man dazu sagen, dass der Rechnungshof ganz klar der Stadt
Wien aufgetragen hat, die Obduktionen in den eigenen Häusern durchzuführen und
deutlich zu reduzieren - die sanitätsbehördlichen Obduktionen, die ja der
kleinste Teil sind -, und außerdem das Bundesministerium für Wissenschaft und
die Medizinuniversität aufgefordert hat, ein Gesamtkonzept der Gerichtsmedizin
zu erarbeiten.
Die Kritikpunkte des Rechnungshofes waren nicht nur
im letzten Rechnungshofbericht, der jetzt veröffentlicht wurde, zu lesen,
sondern gehen bereits zurück auf das Jahr 2002. Die dort herrschenden
katastrophalen baulichen und hygienischen Mängel wurden mehrfach aufgezeigt,
und ich lese jetzt nur einige wenige vor: Die Leichen wurden aus Platzmangel
übereinander gelagert, die Ratten aus dem Kanalsystem drangen bis zu den
Leichen vor, die Leichen wurden aus Platzmangel ungekühlt gelagert, die Lüftung
war mangelhaft, die Kühlplätze in den Seziersälen waren kaputt. - Um da Abhilfe
zu schaffen, hat die Stadt Wien schon im Jahr 2004 Maßnahmen ergriffen, um die
Situation zu verbessern.
Darüber hinaus - und das ist der wesentliche Punkt,
der auch die Finanzierung des Gerichtsmedizinischen Instituts so schwierig
macht - kritisiert der Rechnungshof massiv die Finanzgebarung, denn: Die dort
in Universitätsdiensten stehenden Medizinerinnen und Mediziner, also die
Gerichtsmediziner, die jetzt sagen, sie wollen bitte schnell eine
Gerichtsmedizin haben, haben private und gerichtliche Gutachtertätigkeit
ausgeübt und die Honorare selbst kassiert, während sie aber diese Tätigkeit in
der staatlichen Einrichtung durchgeführt haben. Daher wurde die Verrechnung der
Sachverständigenleistungen durch die Universität sowie die Bezahlung des vollen
Kostenersatzes an die Universität für die beanspruchten Ressourcen angeregt.
Man muss sich das vorstellen: Die Gerichtsmediziner
haben dort sozusagen eine Privattätigkeit gemacht und nicht ausreichend und
kostendeckend auch dafür bezahlt. Die wissenschaftliche Tätigkeit ist auf der
Strecke geblieben - das war auch einer der großen Kritikpunkte des
Rechnungshofes -, die Sachverständigentätigkeit der Gerichtsmediziner sollte
als Dienstpflicht und Pflichtaufgabe an der Universität festgeschrieben werden.
Und abgesehen davon, dass festgestellt worden ist, dass die Stadt Wien viel zu
lange, nämlich über Monate, auf Befunde im Bereich der Histologie und der
Chemie warten musste, hat der Rechnungshof außerdem kritisiert, dass es
Ungereimtheiten bezüglich der Abrechnung gegenüber der Stadt Wien gegeben hat.
Anfügen möchte ich auch noch, dass der Rechnungshof
kritisiert hat, dass das Department für Gerichtsmedizin viel zu wenig
Forschungstätigkeit macht, und dass auf Grund der schlechten Situation und der
schlechten Führung dieses Instituts, bevor die Stadt Wien diese Entscheidung
getroffen hat, bereits die Polizei die Entscheidung getroffen hat, ihre
chemischen Analysen nicht mehr dort durchführen zu lassen, sondern in
Seibersdorf, und dass die Aufträge für DNA-Analysen bei Gewaltverbrechen seit
nunmehr mehr als drei Jahren an die Gerichtsmedizin Innsbruck erteilt werden,
weil eben die Zustände am Institut für Gerichtsmedizin in Wien so waren, wie
sie waren.
Präsident Heinz Hufnagl: Die fünfte und
letzte Zusatzfrage wird wieder von Herrn Mag Ebinger gestellt. – Bitte,
Herr Abgeordneter.
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