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Landtag, 30. Sitzung vom 26.03.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 40 von 82

 

alles hervorruft, ein bisschen ersparen möchte? – Na, das ist ganz einfach! Das ist die neue Unsitte - die gibt es ja im Nationalrat schon seit längerer Zeit, jetzt hält sie auch bei uns Einzug -: Wir verändern Gesetze mittels eines Initiativantrages. Und schwuppdiwupp - weg ist die Begutachtungsfrist, weg sind die lästigen Stellungnahmen. Wir müssen uns nur ganz, ganz kurze Zeit damit befassen, dann wird es ruck, zuck im Landtag beschlossen, und wir haben es hinter uns!

 

Meine Damen und Herren! Demokratisch ist das nicht besonders! Es ist nur möglich. Es ist möglich im Rahmen der Geschäftsordnung, sollte aber nur in begründeten Ausnahmesituationen als Mittel ergriffen werden. Ich sehe nicht, worin die so besondere Not besteht, dass wir das, gleich ein paar Mal sogar – exzessiv! -, auf der Tagesordnung der heutigen Landtagssitzung haben. Also offensichtlich, weil ja die Zeit drängt, weil ja die Sozialdemokratie glaubt, auf diese Art und Weise vor der Wahl Stimmen retten zu müssen - daher kommt ja auch die Zeitnot -, machen wir das jetzt so, dass wir uns das alles sparen und, wie gesagt, möglichst rasch auf diese Art und Weise zu Beschlüssen kommen, die für die Sozialdemokratie bequem sind.

 

An dieser Stelle möchte ich schon sagen, dass es, wenn es nach uns geht, nicht so sein soll. Und ich hoffe sehr, dass die anderen zwei Oppositionsparteien, die ja auch Betroffene der Vorgangsweise sind - auch dann, wenn sie ausnahmsweise mit den Inhalten dessen, was heute beschlossen wird, einverstanden sein sollten -, uns mindestens in dem Ansinnen unterstützen, die zweite Lesung heute zu blockieren und uns allen auf jeden Fall einen zusätzlichen Zeitraum zu verschaffen, innerhalb dessen nachgedacht werden kann, innerhalb dessen auch die Damen und Herren von der Sozialdemokratie die Möglichkeit haben, sich eingehend mit den eingelangten Stellungnahmen zu befassen. Denn ich gehe davon aus, dass die meisten sie noch nicht gelesen haben und teilweise auch nichts davon wissen, dass sie da sind und was da entsteht. (Abg Nurten Yilmaz: Na geh!)

 

O ja, das glaube ich schon! Das glaube ich sehr wohl! (Abg Nurten Yilmaz: Du machst „keinen" Wahlkampf, wir „schon"!) Das glaube ich sehr wohl! Denn wenn ich aus den Bänken der Sozialdemokratie vorhin den Ruf „Holler!" in Bezug auf eine dieser Stellungnahmen gehört habe, dann kann ich nicht glauben, dass besagter Landtagsabgeordneter meint, dass das, was die eigenen Sozialarbeiter sagen, was die eigenen Juristen sagen, was die Leute von der Caritas, von Neustart, vom Arbeiter-Samariter-Bund sagen, alles „Holler" ist, weil es gerade nicht ins Konzept passt. Und ich meine schon, dass es ihm gut täte, sich diesen „Holler" zu Gemüte zu führen, sich ein bisschen eingehender damit zu beschäftigen. Und wenn er in einem Monat zurückkommt und immer noch der Ansicht ist, das ist „Holler", dann kann ja die Sozialdemokratie mit ihrer Mehrheit ohnedies über den „Holler" darüberfahren und Hollermarmelade machen. Aber vorher hätte ich schon gerne, dass man sich die Zeit nimmt.

 

Und deshalb werden wir sehr wohl auch Wert darauf legen, dass es hoffentlich gelingt, zumindest einmal die endgültige Beschlussfassung heute hintanzuhalten. Und ich appelliere an dieser Stelle einmal mehr an die Damen und Herren sowohl von der FPÖ als auch von der ÖVP, darüber nachzudenken, ob es Sinn macht, bei so etwas mitzuspielen, bloß weil man inhaltlich einverstanden ist. Denn heute trifft es uns, und schon morgen wird es bei etwas anderem Sie treffen. (Abg Nurten Yilmaz, auf die FPÖ weisend: Habt ihr noch nicht geredet mit ihnen? – Heiterkeit bei Abg Dr Kurt Stürzenbecher.) Wenn wir innerhalb der nächsten Monate, in denen wir uns im Wahlkampf befinden werden und die Damen und Herren hier ihre Selbstherrlichkeit - wie man sieht, ungehemmt – ausleben werden, diese Art von Politik hier ermöglichen, dann ist es meiner Meinung nach nicht klug von den Parteien der Opposition, wenn sie bei solchen Spielen mitmachen.

 

Ich komme jetzt zurück zu den Stellungnahmen, die Sie sich zu ersparen versucht haben, und möchte die zweite vorlesen - denn die muss man alle vorlesen, um sicherzugehen, dass sich jeder damit beschäftigt hat. Diese kommt von Neustart. Ich zitiere: „Die Umsetzung des Initiativantrages würde eine Einschränkung von Persönlichkeitsrechten, das extreme Ausweiten von Straftatbeständen und Eingriffsermächtigungen bewirken, ohne dass der Schutz höherwertiger Interessen eine solche Einschränkung rechtfertigen oder erfordern würde, und ist daher abzulehnen." - Die Verhältnismäßigkeit ist also nicht gegeben. – „Im Einzelnen bestehen folgende Kritikpunkte:" - Den ersten möchte ich Ihnen besonders ans Herz legen - „Durch die Einfügung der Wortfolge ‚oder gewerbsmäßiger' würde nahezu jedes Betteln strafbar werden. Bei der Beurteilung, ob eine gewerbsmäßige Begehung vorliegt, wäre mangels einer eigenen Begriffsbestimmung im Landesgesetz die Definition nach § 70 StGB relevant – Klammer: Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung fortlaufende Einnahmen zu verschaffen. Streng genommen wäre dann nur derjenige Bettler nicht strafbar, der nur eine einzige Person anschnorrt und zu diesem Zeitpunkt auch keinerlei Vorhaben hat, noch weitere Personen anzuschnorren."

 

Das heißt, das, was Sie hier de facto einführen, bedeutet ein generelles Bettelverbot durch die Hintertür, denn es ist laut dieser einzigen Definition, die im österreichischen Recht vorhanden ist, de facto nicht möglich zu unterscheiden: Was ist jetzt gewerbsmäßig und was nicht?

 

Noch einmal, meine Damen und Herren: Diejenigen, die ein generelles Bettelverbot für Wien fordern, die applaudieren gerade, die freuen sich. Sie freuen sich zu Recht. Man kann zu diesem großartigen politischen Erfolg - aus ihrer Sicht -, den sie gerade erreicht haben, gratulieren. Denn wenn wir dies beschlossen haben, haben wir in Wien das generelle Bettelverbot durch die Hintertür eingeführt.

 

An dieser Stelle sei noch einmal in Erinnerung gerufen, dass der Herr Bürgermeister mehrfach, auch in der Öffentlichkeit, festgehalten hat, dass für ihn ein

 

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