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Landtag, 30. Sitzung vom 26.03.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 41 von 82

 

generelles Bettelverbot nicht in Frage kommt. (Abg Nurten Yilmaz: Haben wir auch nicht!) Das komme nicht in Wien, sagte er. (Abg Dr Kurt Stürzenbecher: Kommt auch nicht!) - Na denkste! Und ob das kommt! In dem Moment, wo wir das beschlossen haben, wird es für einen Bettler kaum noch möglich sein nachzuweisen, dass er nicht gewerbsmäßig bettelt. (Abg Dr Kurz Stürzenbecher: Man muss ja ihm das nachweisen, nicht er muss nachweisen! Sie kennen unser Rechtssystem nicht!) Und das sagen Expertinnen und Experten, das sagen Sozialarbeiter, das sagen Juristinnen und Juristen, die bei NGOs tätig sind. Das sagen diejenigen, die sich in diesem Bereich auskennen und die sich mit der Materie seit Jahren befassen. Und ich glaube diesen Menschen, denn die Stadt Wien unterstützt viele dieser Organisationen mit höheren Beträgen jahrein, jahraus. Warum? Weil sie wissen, wovon sie sprechen, weil sie gute Arbeit leisten, weil sie für uns in diesem Bereich arbeiten, und weitestgehend auch im Auftrag der Stadt. Und wir sind gut beraten, ihnen zu glauben, Glauben zu schenken und ihre Kompetenz nicht immer dann in Frage zu stellen, wenn sie Dinge sagen, die uns gerade nicht passen. Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, sind es ja, die sich nahezu bei jeder Rede bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Stadt Wien für die gute Arbeit, die sie leisten, bedanken!

 

Ich bedanke mich an dieser Stelle bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Wiener NGOs für die gute Arbeit, die sie leisten, für die klugen Stellungnahmen, die sie uns liefern und zur Verfügung stellen - selbst ungefragt -, für ihr Engagement und dafür, dass sie wissen, was sie tun und was sie sagen. Und an dieser Stelle einmal mehr: Ich würde hoffen, dass Sie sich auch bedanken, und zwar nicht durch Lippenbekenntnisse, sondern indem Sie ihnen einfach Glauben schenken bei dem, was sie uns in ihren Stellungnahmen sagen - und diese Stellungnahmen sind nicht wenige.

 

So, ich setze mein Zitat fort: „Die wesentliche zu § 3 Abs 1 Wiener Landes-Sicherheitsgesetz vorgeschlagene Änderung ist jene in Ziffer 2: ‚den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen behindern oder'. Nachdem in diesem Wortlaut weder Nachdrücklichkeit noch Verschulden gefordert ist, würden damit beispielsweise auch alle gehbehinderten Personen Adressaten einer Anweisung, schneller zu gehen, oder gar einer Wegweisung werden. Selbstverständlich wäre eine solche Auslegung nicht in Einklang mit der gesamten Rechtsordnung zu bringen.

 

Es bleibt allerdings die Frage unbeantwortet, vor welchen für die Allgemeinheit unzumutbaren Einschränkungen, die nicht unter den ohnedies weit gefassten aktuellen Wortlaut" - also des entsprechenden Paragraphen des Wiener Landes-Sicherheitsgesetzes – „fallen, die vorgeschlagene Ausweitung schützen soll."

 

Kurzum, was hier steht, ist: Das, was wir derzeit ja ohnedies im Gesetz verankert haben, ermöglicht es, Menschen, die andere Menschen durch aggressives, wiederkehrendes lästiges Verhalten daran hindern, öffentliche Einrichtungen zu begehen, wegzuweisen. - Ich finde, das ist eindeutig! Ich weiß nicht, wie Sie das finden. Für mich ist das eindeutig: Wenn sich jemand vor dem Eingang zu einer öffentlichen Einrichtung hinstellt und dort grölt oder alkoholisiert ist oder aggressiv ist und jemanden daran hindert, diese Einrichtung zu begehen, ist es jetzt schon vorgesehen, dass dieser Mensch weggewiesen werden kann.

 

Nein, das reicht uns aber nicht! Nein, wir müssen jetzt etwas anderes auch noch einführen! Jetzt geht es darum, dass man daran behindert wird oder aber auch unzumutbar beeinträchtigt wird. - Und was ist eine unzumutbare Beeinträchtigung? Worin besteht genau eine Beeinträchtigung? (Abg Nurten Yilmaz: Vor den Frauenberatungsstellen zum Beispiel!)

 

Ja? Wunderbar! Wunderbar! Vielen Dank für dieses Beispiel mit den Frauen und mit den Abtreibungskliniken! Ich kann dazu nur sagen: Die Abtreibungskliniken haben ja bekanntlich eine eigene Stelle im entsprechenden Gesetz gewidmet bekommen. Das heißt, es wäre ein Leichtes gewesen, an dieser Stelle innerhalb des Gesetzes so an der Schraube zu drehen, dass klar ist, dass es sich um die Abtreibungskliniken handelt, und Punkt. - Aber nein, das tun Sie nicht! Sie fügen es an einer anderen Stelle hinzu. Aber dann ist es nicht mehr nur etwas für die Obskuranten mit den Plastikembryos in der Hand, sondern es ist etwas (Abg Nurten Yilmaz: Kinderspielplatz!), das praktisch jeden Menschen - noch einmal - betrifft, der irgendwie einem anderen Menschen nicht zu Gesicht steht und der gerade vor einer öffentlichen Einrichtung oder innerhalb einer öffentlichen Einrichtung anwesend ist und diese auch mitunter nutzt. Denn eine öffentliche Einrichtung ist eine Klinik, das ist ein Spital, das ist eine Schule, das ist ein Kindergarten, das ist alles Mögliche (Abg Nurten Yilmaz: Kinderspielplatz!) - und es ist auch ein Park.

 

Und dort findet man vermehrt Menschen, die sehr arm sind, die wirklich sehr, sehr arm sind, die verwahrlost sind und die dort den Tag verbringen. Und warum verbringen sie den Tag teilweise in den Parks? - Weil es ja bekanntlich in den meisten Obdachloseneinrichtungen nach wie vor nicht möglich ist, sich tagsüber dort aufzuhalten. Das heißt: Man kommt dorthin, man kann schlafen, man kann sich allenfalls duschen, und dann wird man vor die Tür gesetzt und darf am Abend wiederkommen. Und tagsüber müssen diese Leute schauen, wo sie bleiben. Und manche von ihnen sind dann in U-Bahn-Stationen anzutreffen, und manche von ihnen sind in Parks anzutreffen, und manche von ihnen sind in der Straßenbahn anzutreffen. Und manche von ihnen sehen nicht besonders schön aus, und manche von ihnen riechen auch nicht besonders gut. Das ist Teil dessen, was eine Großstadt als Bilder produziert - leider, leider, leider! -, weil es Armut gibt, auch in Wien, weil es Verwahrlosung gibt, auch in Wien - und weil es falsch und gelogen ist, dass alle diese Menschen nicht in dieser Stadt wohnen und auch nicht in dieser Stadt produziert wurden, sondern allesamt angeblich in der Früh mit einem Bus aus dem benachbarten Ausland hergekarrt werden und am Abend wieder dorthin kommen.

 

Sehen Sie, meine Damen und Herren, es gibt diese

 

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