Landtag,
30. Sitzung vom 26.03.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 42 von 82
ja auch. Niemand zweifelt daran, dass es diese auch gibt. Aber es gibt auch einen
Haufen Menschen, die in dieser Stadt geboren und aufgewachsen sind - so wie
manche von Ihnen -, die hier zu Hause sind, die kein anderes Zuhause haben als
Wien. Aber ihr Zuhause ist eben nicht eine schöne, warme Wohnung, sondern ihr
Zuhause ist eine Notschlafstelle, die sie tagsüber verlassen müssen. Und dann
ist ihr Zuhause die Straßenbahn, die U-Bahn-Station oder der Park, weil sie
kein anderes Zuhause haben als bloß den öffentlichen Raum in dieser Stadt.
Wenn wir dieses Gesetz so beschlossen haben, wie es hier vorliegt -
einmal mehr -, dann reicht es, dass irgendjemand der Ansicht ist, dass er oder
sie Angst hat vor ihnen, dass sie nicht gut aussehen und ihre Anwesenheit dazu
führt, dass er sich unsicher fühlt, dass sie ihn beunruhigen - und dann kann
man schon die Polizei rufen, und sie wird dann kommen und wird sie wegweisen.
Und falls sie wiederkommen, wird sie sie mit 700 EUR strafen. (Abg Dr Kurt Stürzenbecher: Das ist
abstrus!) - Nein, das ist so!
Das ist ermöglicht! Das ermöglichen Sie durch die Art und Weise, wie das im
Gesetz geschrieben ist, und, auch noch dazu, durch die schwammigen Ausführungen
in den Erläuterungsbestimmungen. Das ist so!
Und jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder Sie können es nicht
verstehen - dann wäre es gut, sich noch einen Monat Zeit zu nehmen, oder wann
auch immer die nächste Landtagssitzung sein wird -, oder Sie wollen es nicht
verstehen. Das ist natürlich die zweite Möglichkeit. Für die kann ich nichts.
Ich kann an dieser Stelle nicht an diejenigen appellieren, die nicht verstehen
wollen, sondern nur an diejenigen, die das vielleicht noch nicht verstehen
können, in der Hoffnung, dass sie es dann verstanden haben und davon abgehen,
es zu tun. Mehr kann ich an dieser Stelle leider nicht tun.
Somit will ich zu meinen
weiteren Ausführungen kommen, indem ich ganz einfach zusammenfasse, dass diese
Stellungnahmen, die wir heute hier vorlesen, ja nicht Stellungnahmen sind, die
irgendwo vom Himmel gefallen sind, sondern sie sind das, was das menschliche
Wien zu dieser Angelegenheit zu sagen hat. Ich glaube, dass die
Sozialdemokratie gut beraten wäre zuzuhören, was das menschliche Wien zu dieser
Angelegenheit zu sagen hat.
Ich kann an dieser Stelle vielleicht auch noch anmerken - weil es mir
ein Anliegen ist -, dass ich nicht verstehe, wie es mit der SPÖ so weit kommen
konnte, dass man diese Form von Bestimmungen heute in dieser Vorgangsweise
beschließt. Immerhin sind Sie ja jene Partei – oder: die in politischer
Hinsicht begonnen hat, wollen wir in diesem Fall sagen, in jener
Arbeiterbewegung, die einmal angetreten ist mit den drei Pfeilen im Kreis. Ich
weiß nicht, ob Sie sich noch daran erinnern, wofür diese drei Pfeile im Kreis
gestanden sind: Kampf dem Faschismus, Kampf dem Klerikalismus, Kampf dem
Kapitalismus. Die Frage ist, was sozusagen davon heute übrig ist und wie das
umgesetzt wird. (Abg Godwin Schuster: Maria, die Pfeile hast du noch nie
wirklich gekannt!) - Kann schon sein, dass ich nicht auf der Welt war, als
diese Pfeile einmal hochgehalten wurden in der SPÖ. Gott sei Dank bin ich nicht
so alt! (Abg Godwin Schuster: Du hast sie falsch interpretiert! Völlig falsch!)
Aber, mein lieber Godwin, der Punkt ist nicht dieser. (Abg Godwin Schuster, auf Abg Dipl-Ing Martin Margulies weisend: Frag
den Martin! Der kennt sich aus!) Der Punkt ist, dass diese Pfeile auf
diesen roten Fahnen bei Veranstaltungen immer wieder zu sehen sind.
Offensichtlich gibt es innerhalb der Sozialdemokratie Leute, die sie heute noch
hochhalten. (Abg Godwin Schuster: Ja, wir stehen auch dazu!) Sie stehen
auch dazu. Gestern am Abend zum Beispiel beim „Lichtertanz gegen
Rosenkranz" waren sie zu sehen. Große, große rote Fahnen mit dem Kreis und
den drei Pfeilen wehten überall im Frühlingswind.
Ja, man möge ihn verstehen und darüber nachdenken, auch über das
übertragene Erbe dieser drei Pfeile: Was kann das bedeuten? Was kann es für
eine Handlungsweise nahelegen? Kann es das sein, was hier heute beschlossen
wird? (Abg Nurten Yilmaz: Die
Grundsicherung kann es sein!) Wie weit ist es gekommen? Reicht es, heute
hier mit durchgestrichenen Rosenkranz-Köpfen, die man sich aufs Sakko gepickt
hat, herumzulaufen, um diesen einen Pfeil einzulösen? (Abg Nurten Yilmaz: Wir haben auch die Grundsicherung beschlossen!) Reicht
es, kann es reichen, dass man das damit einlöst, dass man sich ein Pickerl aufs
Sakko heftet, und dann ist es das, dann ist das ausgelebt (Abg Godwin Schuster: Weißt du, was der Unterschied ist, Maria? Wir
waren dort und haben uns nicht begrüßen lassen! Bei dir ist interveniert
worden, dass ein Name ...!) - während Kolleginnen und Kollegen aus der
Sozialdemokratie im Nationalrat den Herrn Graf zum Dritten
Nationalratspräsidenten gewählt haben und während wir heute ein Gesetz
beschließen, mit dem die FPÖ zufrieden ist und applaudiert? (Abg Nurten Yilmaz: Ihr habt ja auch schon
Anträge mit der FPÖ beschlossen!)
In Wahrheit regen sie sich ja auf, weil sie sich so ärgern, dass das
jetzt noch vor der Wahl beschlossen wird. Darin besteht ja deren Aufregung!
Aber inhaltlich finden sie das großartig. Das finden sie großartig! - Und Sie
sitzen hier und erleben heute Vormittag eine Rede aus den Reihen der FPÖ, in
der die eigenen Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen der Stadt Wien von der
FPÖ diffamiert werden als „linke Gutmenschen". (Abg Godwin Schuster: Glaubst du wirklich, dass irgendjemand von der
FPÖ auf die Idee käme, vor Ort zu helfen? – Wir organisieren Hilfsmaßnahmen für
die Betroffenen vor Ort, um Armut zu lindern!) - An dieser Stelle muss ich
sagen: Unvollständig! Normalerweise heißt es: „linkslinke Gutmenschen".
Ich kann an dieser Stelle nur sagen: Gut, wunderbar,
die „linkslinken Gutmenschen", sprich, die Sozialarbeiter dieser Stadt,
sagen zu diesem Gesetz, es ist kein gutes Gesetz, wenn es heute so beschlossen
wird; es ist ein ganz schlechtes Gesetz, das sehr viele Möglichkeiten zum
Missbrauch eröffnet und durch das ziemlich viele Sandler dieser Stadt
draufzahlen könnten. - Das sagen
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