Landtag,
30. Sitzung vom 26.03.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 47 von 82
Jung: Gewerbsmäßig!) - Ob gewerbsmäßig oder nicht. (Abg Mag Rüdiger Maresch: Gewerbeschein braucht er keinen!) In
der Regel sitzen sie jeden Tag da und versuchen, Geld zu erbetteln; regelmäßig
- mit dem einzigen Ziel, dass sie etwas bekommen. Sie setzen sich ja nicht hin,
weil es so schön ist! Das machen sie wirklich nicht. Wir wissen alle, es ist
demütigend! Ich weiß nicht, wer von Ihnen sich die Mühe gemacht hat, den Film
von Ulli Gladik, „Natascha", anzusehen, über eine Bettlerin, die nach Wien
und Graz pendelt, die ihre ganze Familie tatsächlich damit erhält; wo es
stimmt, dass es keine Arbeitsplätze gibt, dass es keine Chance auf Verbesserung
gibt, dort, wo sie herkommt; und wo in der Familie darüber diskutiert wird und
ein ganz entscheidender Satz fällt: Fürs Betteln brauch ich mich nicht zu
schämen, fürs Stehlen schon! - Wäre Ihnen lieber, alle, die jetzt betteln
kommen, würden stehlen? - Ein Bettler stiehlt im Normalfall nicht! (Beifall
bei den GRÜNEN.)
Aber wenn man ihnen das Betteln als Möglichkeit auch noch nimmt?! - Ich
wundere mich ohnedies oft, dass bei dieser ungleichen Verteilung in der ganzen
Welt die Kriminalität nicht noch höher ist. Es gibt so viele Menschen, die
keine Perspektive haben und wo selbst die besten Programme, die wir uns hier
überlegen, nichts nützen würden, weil es auch in anderen Ländern korrupte
Regierungen gibt. Da müssen wir uns ja nicht anlügen. Das gibt es! Und die
Entscheidung, die wir heute treffen, ist: Nehmen wir den Menschen, die nach
Wien betteln kommen - und da rede ich noch überhaupt nicht über all jene, die
in Wien in so einer verfestigten Armut leben, dass sie betteln müssen -, nehmen
wir den Menschen, die nach Wien kommen, die letzte Möglichkeit, sich vor
Verslumung zu retten, sich vor einem Auseinanderreißen der Familie zu retten,
sich möglicherweise auch vor Verfolgung zu retten!
Denn Sie sagen zu Recht - und es stimmt, ja -, es betteln in Wien,
neben vielen anderen Menschen, auch viele Roma. Das stimmt. Sie betteln, weil
sie - und selbst unseren burgenländischen Roma geht es nicht so super, seien
wir doch ehrlich! - in der Slowakei erheblich mehr verfolgt werden, weil sie in
Ungarn - das wissen Sie - in Wirklichkeit Todesängste auszustehen haben, wie
auch im restlichen Teil Osteuropas. Die Roma werden angesehen als die Parias
der Gesellschaft. Und Sie machen mit, Sie wollen sie vertreiben.
Ich finde das so was von letztklassig! Ich werde dann auch noch
Stellungnahmen vom menschlichen Wien vorlesen. Aber ich finde das so was von
letztklassig und so was von empörend! Und das zehn Monate - nein, es sind
ohnedies nur mehr sechs Monate bis zur Wahl, damit man den Wienern und
Wienerinnen ein sauberes, properes Wien vorspielen kann! (Abg Nurten Yilmaz: Wien ist jetzt schon sauber!) Jeder wirkliche
Sozialdemokrat in Ihren Reihen müsste sich in Grund und Boden genieren.
Tatsächlich! (Abg Nurten Yilmaz: ... ein Theater!)
Da geht es nicht um Theater, da geht es um das Überleben von Menschen.
Und da geht es um die Verlogenheit in einer Begründung, die hier ständig
gedreht wird. (Abg Nurten Yilmaz: Du glaubst doch nicht wirklich, dass du
den Menschen damit hilfst, dass sie in Wien betteln dürfen! Die werden ja noch
mehr unterjocht! Sieh das einmal ein!)
Also ich glaube – um mich, so wie du, auf die „Glaubensebene" zu
begeben -, dass Menschen, die hierher betteln kommen und nicht in Wien leben,
das tatsächlich als ihren einzigen Ausweg sehen. Als ihren einzigen! (Abg Anica Matzka-Dojder: Die behinderten
Menschen kommen allein nach Wien?!) Und wenn man ihnen den einzigen Ausweg
wegnimmt, dann geht es ihnen schlechter. David Ellensohn hat richtig gesagt:
Welcher Arme profitiert von diesem Gesetz? (Abg
Nurten Yilmaz: Das ist auch kein Gesetz, um die Armut zu verhindern!) Welcher
Bettler profitiert von diesem Gesetz? – Niemand! Kein einziger profitiert
davon! Wie viele werden darunter leiden? - Vielleicht nicht alle Bettler, aber
mit Sicherheit ganz, ganz viele! - Das ist ein Gesetz gegen die Ärmsten in
dieser Gesellschaft.
Und ich weiß, das ist ja das Schöne, wir werden dann – formal mache ich
das noch - eine namentliche Abstimmung beantragen. Und das Schöne ist, ich
führe ja im Vorhinein Gespräche und ich weiß, nicht jeder von Ihnen fühlt sich
wohl damit (Abg Dr Kurt
Stürzenbecher: Ich fühle mich sehr wohl! Du wirst das nicht bestimmen!) -
auch wenn ich nicht damit rechne, dass jetzt irgendjemand aus der
sozialdemokratischen Fraktion mit Nein stimmen wird. (Abg Mag Wolfgang Jung: Wie wäre es mit einer geheimen
Abstimmung?)
Nichtsdestoweniger halte ich es für respektlos - und damit komme ich
noch einmal zur Auseinandersetzung mit dem, was tatsächlich im Gesetz steht -,
einfach das, was im Gesetz steht, zu verdrehen. „Gewerbsmäßig" ist
vollkommen klar gewesen: Regelmäßigkeit mit dem Ziel, ein Einkommen zu
erreichen. (Ruf bei der SPÖ: Dauerhaft!) Ein
dauerhaftes, ja. – Okay. Das heißt: Es gibt sie nicht, die Wiener Bettler, die
einmal im Monat betteln gehen und dann zufrieden sind und wieder heimgehen.
Kann man das irgendwie einmal klarstellen? Oder glaubt ihr wirklich, dass es
die gibt, die Bettler, die einfach sagen: Nein, heute freut es mich nicht, ich
habe eh ein bisschen Sozialhilfe, heute setze ich mich auf die Straße!?
Hört doch auf damit! Das gibt es nicht! Jeder, der in Wien bettelt und
- um im Wienerischen zu bleiben – „net a Schnorrer is", macht das
regelmäßig, mit dem Ziel, Einkünfte zu erzielen, weil er nichts anderes hat, um
zu überleben. (Abg Nurten Yilmaz: Er hat
die Grundsicherung!) - Und das wird verboten! So einfach ist das. Und ja,
es ist schön, wenn der Polizist die Augen zumacht - bis zur nächsten
Bettlerrazzia, weil es gerade wieder passt, und dann nehmen wir einmal 200 mit
und nehmen ihnen das Geld auch noch weg, wie in der Strafbestimmung vorgesehen.
Alles, was sie bei sich haben, nehmen wir ihnen weg. (Abg Nurten Yilmaz: Grundsicherung! Wir haben die Grundsicherung!)
Nein, Grundsicherung - schauen wir einmal, wann die
Grundsicherung tatsächlich kommt! Momentan ist es so - ein ganzer kurzer Exkurs
zur Grundsicherung: Ich kann
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