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Landtag, 30. Sitzung vom 26.03.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 48 von 82

 

mich erinnern, die Sozialdemokratie hat gesagt, die Grundsicherung wird auf der Höhe der Ausgleichszulagenrichtsätze sein, 14 Mal. (Abg Nurten Yilmaz: Ja, wollten wir!) Wer hat in der Grundsicherung gleich wieder 18 Prozent gestrichen, nein, 16,6 Prozent? - SPÖ und ÖVP gemeinsam! (Abg Nurten Yilmaz: Ja!) Bei den Armen von einer Zielvorgabe das Geld wieder zu streichen, das geht ruckzuck! (Abg Nurten Yilmaz: Das ist zur Zeit machbar!) Aber ihr seid die Partei, die die Armut bekämpft? – Ihr seid mittlerweile die Partei, die die Armen bekämpft! Und das stelle nicht nur ich fest. (Abg Nurten Yilmaz: Ohne uns würde es sie nicht einmal so geben!)

 

Ohne euch würde es die Grundsicherung nicht einmal so geben? – Na ja, das weiß ich nicht. (Abg Nurten Yilmaz: Mit wem? Mit euch?) Mit uns wäre sie besser! Mit uns wäre sie mit Sicherheit besser. Da muss man nicht einmal lange darüber nachdenken.

 

Mit uns würde es schon so etwas wie eine Vermögenssteuer geben, die von euch bestenfalls irgendwann plakativ vorangetragen wird, die aber niemals, wenn es wirklich darum geht, es dem Koalitionspartner deutlich zu machen, irgendwo ins Spiel gebracht wird.

 

Aber zurück: Es ist nicht nur so, dass nur wir es so interpretieren. (Abg Nurten Yilmaz: Schauen wir einmal nach Graz!) Ich kann die Stellungnahme der Bettellobby vorlesen: „Die Novellierung sieht die Erweiterung des Wiener Landes-Sicherheitsgesetzes um den Tatbestand des gewerbsmäßigen Bettelns vor. Laut der Begründung des Antrages richtet sich diese neue Regelung gegen alle Personen, die regelmäßig betteln. Betteln soll, sofern die Absicht der wiederkehrenden Begehung zur Verschaffung einer fortlaufenden Einnahmequelle zu bejahen ist, strafbar sein, ohne jedoch ein generelles Bettelverbot vorzusehen. Auf Grund der sehr offenen Formulierung des Tatbestandes ist zu erwarten, dass auf Grundlage dieser neuen Regelung alle Formen des Bettelns bestraft werden, die nicht durch die bereits bestehenden Verbote abgedeckt sind. Diese Ansicht teilt auch die ÖVP, die die neue Regelung sehr begrüßt. In einer Presseaussendung ist zu lesen: ‚Durch diese Begriffsbestimmung wird praktisch jede Form der Bettelei, die derzeit in Wien auftritt, unter Strafe gestellt. Ein wichtiger und richtiger Schritt für mehr Sicherheit in Wien.'" - Kurze Unterbrechung der Stellungnahme.

 

Sie sagen selbst, die Befürworter und diejenigen, die sich an der Diskussion beteiligen, interpretieren das Gesetz. Na ja, es wird eine breite Mehrheit zwischen SPÖ, FPÖ und ÖVP geben. Teile von Ihnen interpretieren das Gesetz ziemlich eindeutig. Man kann doch nicht davon ausgehen, dass einzig und allein, insbesondere dann, wenn einmal irgendetwas juristisch entschieden werden muss, die SPÖ die einzige Interpretationsmöglichkeit hat und jeder andere nicht. Wir wissen es aus unzähligen Gerichtsverfahren, dass Richter letztendlich interpretieren, Verwaltungsgerichtshöfe interpretieren, Verfassungsgerichtshöfe interpretieren. Wenn, mit Ausnahme der SPÖ, das rechte Wien und das menschliche Wien zum selben Schluss kommen, dass mit Gewerbsmäßigkeit das Verbot jeglicher Bettelei gemeint ist, dann wird da schon etwas dran sein.

 

Ich lese weiter in der Stellungnahme: „Obwohl die SPÖ betont, kein generelles Verbot des Bettelns einführen zu wollen, wird die genannte Änderung zur Folge haben, dass künftig jeder Mensch, der in Wien bettelt, bestraft werden kann." - Mir ist es wichtig, auf dieses „bestraft werden kann" hinzuweisen.

 

2009 allein in Wien, glaube ich, 877 Anzeigen wegen Bettelns. Sie sagen, das organisierte Betteln, die Bettelbanden et cetera kriegen Sie nicht in den Griff. Dann werden die 877 nicht in wirklich großem Maße die Bettelbanden betroffen haben. (Abg Inge Zankl: Vielleicht waren das die mit den Kindern!) - Nein, 39 mit Kindern. Das Kinderbettelverbot hat gewirkt.

 

Von den 877 Anzeigen waren mehr als 400 wegen aggressiver Bettelei. Wissen Sie, was aggressive Bettelei ist? Von der Polizei interpretiert aggressive Bettelei? - Menschen ansprechen: „Bitte, bitte, mein Herr! Danke!" Hände entgegenstrecken - aggressiv. Schon das wird jetzt von der Polizei als aggressiv gewertet. Sitzen darf man auch nicht. Das heißt, wenn ich mich hinsetze und eine Hand ausstrecke, ist es aggressiv und dann glauben wir, gewerbsmäßig wird im Sinne der Bettler interpretiert! Das meinen Sie doch selbst nicht selbst! Wer soll das glauben? (StR David Ellensohn: Das glaubt niemand!)

 

Ich bin davon überzeugt, die Bezirksvorsteherin Stenzel wird schon dafür sorgen, dass der 1. Bezirk, der Platz, wo es für Bettler und Bettlerinnen möglicherweise am leichtesten ist, zu Geld zu kommen, bettelfrei sein wird. Wie werden Sie es dann begründen? Dass im 1. Bezirk die organisierten Bettler waren? Dass im 1. Bezirk die gewerbsmäßigen Bettler oder die aggressiven Bettler waren? Oder dass das generelle Bettelverbot einfach gegriffen hat? Es war ja genug Rechtsunsicherheit. Zwei, drei Razzien, wo man den Menschen das Geld wegnimmt, das sie sich erbettelt haben, wo man ihnen noch zusätzlich 700 EUR Strafe gibt. Über die Strafbestimmungen haben wir noch gar nicht geredet. Das ist eure Vorgehensweise. Das ist die Perversion schlechthin. Es tut mir leid, ich muss das so sagen.

 

Das österreichische Strafrecht schafft es nicht, gegen Menschenhandel vorzugehen. Das österreichische Strafrecht schafft es nicht, gegen Nötigung vorzugehen. Aber das Wiener Landes-Sicherheitsgesetz wird es richten. Entschuldigt, Leute, was ist von eurer Sozialdemokratie noch geblieben? (Abg Nurten Yilmaz: Das Betteln mit Kindern haben wir auch mit dem Landes-Sicherheitsgesetz abgeschafft!) Das soziale Bewusstsein wird mit dem heutigen Tag endgültig abgegeben!

 

In diese Richtung gab es sehr viele Kommentare, zum Beispiel ein ganz hervorragender Kommentar in der „Presse" von Sibylle Hamann. Sie endet in ihrem Kommentar: „Sagen wir es so, wer in Wohlstand lebt, muss es aushalten, von Zeit zu Zeit daran erinnert zu werden, dass andere nicht in Wohlstand leben. Wer etwas hat, muss von Zeit zu Zeit seinen Kriterienkatalog überprüfen, warum er wem etwas davon abgibt und warum wem nicht. Sagen wir, ein bisschen Verunsicherung gehört

 

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