Landtag,
30. Sitzung vom 26.03.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 55 von 82
der geheimen Wahl verletzt. Vor allem in autoritär geprägten
Familienstrukturen ist hier natürlich dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. wo
der Pater familias etwa dann für alle Familienangehörigen das Kuvert ausfüllt,
abschickt und einsendet. Es gibt ja in Österreich leider immer noch sehr viele
autoritär geprägte Familienstrukturen, etwa in den ländlichen Bereichen, aber
durchaus auch in Wien, durch die starke muslimische Zuwanderung, wo der Mann,
der Vater, eigentlich das Sagen hat. Überall in diesen autoritär geprägten
Familienstrukturen wird dem Missbrauch eigentlich durch diese Briefwahl Tür und
Tor geöffnet.
Meine Damen und Herren, das war nur einer der Versuche, die Macht der
Mehrheitsfraktion durch Änderungen des Wahlrechts abzusichern. Wenn wir das ein
bisschen Revue passieren lassen, dann fällt einem hier zunächst einmal das
Ausländerwahlrecht ein, als die SPÖ hier, und das ist fast zehn Jahre her,
versucht hat, durch das Ausländerwahlrecht ihre Mehrheit abzusichern. Wir haben
das dann beim Verfassungsgerichtshof durch eine Anfechtung zu Fall gebracht.
Dann kam der Vorschlag des Bürgermeisters, das E-Voting einzuführen,
eine Form der Stimmabgabe, die höchst bedenklich ist, die auch bei den
Hochschülerschaftswahlen etwa zu Verwirrung und auch zur Anfechtung der
Hochschülerschaftswahlen in zwei Bundesländern, nämlich in Wien und in
Salzburg, geführt hat.
Wir erinnern uns an die Wirtschaftskammerwahlen, wo Verwandte die
Stimmkarte für ihre Verwandten abgeben konnten, wo Funktionäre die Stimmkarten
einsammelten. Wir haben daher auch diese Wirtschaftskammerwahl, weil sie die
Macht der Apparate begünstigt, weil sie es Machtapparaten ermöglicht, durch das
Einsammeln von Wahlkarten überproportional Stimmen zu gewinnen, angefochten.
Meine Damen und Herren, es gibt heute zwei Abänderungsanträge, die sich
mit dieser Briefwahl kritisch auseinandersetzen, die die Briefwahl in einigen
Teilbereichen zurückführen möchten. Wir werden daher heute diesen beiden
Abänderungsanträgen unsere Zustimmung geben.
Aber, meine Damen und Herren, der Bürgermeister hat trotz alledem am
23. Februar eigentlich die Ausweitung der Briefwahl als Auftrag der
Volksbefragung gefordert. Er hat gemeint, der Ausgang der Volksbefragung ist
ein Auftrag, die Briefwahl auszuweiten. Meine Damen und Herren, wenn wir hier
ein bisschen über unsere Grenzen, in andere europäische Länder, schauen, dann
sehen wir, dass etwa in Frankreich schon 1977 diese Briefwahl wieder eingestellt
wurde, weil es eben zu Unregelmäßigkeiten, zu Manipulationen, zu Pannen
gekommen ist. 30 Jahre nach diesen negativen Erfahrungen im europäischen
Ausland kommt unser Bürgermeister daher und möchte diese Briefwahl einführen.
Meine Damen und Herren, wenn Sie der Opposition hier nicht Glauben
schenken, so hören Sie wenigstens auf Verfassungsrechtler, auf die Doyens des
österreichischen Verfassungsrechts, auf die Professoren Mayer und Korinek, die
etwa unisono feststellen: „Die Vereinfachungen bei der Briefwahl ..."
- ich zitiere jetzt – „... gefährden das geheime Wahlrecht. Diese
Vereinfachungen öffnen für Wahlmanipulation auch Tür und Tor."
Meine Damen und Herren, man fragt sich natürlich schon, welche Absicht
sich dahinter verbirgt, wenn die Mehrheitsfraktion E-Voting einführen will,
wenn die Mehrheitsfraktion die Briefwahl ausweiten will. Die Antwort ist klar:
Die SPÖ versucht, etwa durch die Ausweitung der Briefwahl ihre Macht zu halten.
Die SPÖ hofft, und man hat das bei der Wirtschaftskammerwahl, aber auch bei der
Volksbefragung in Wien gesehen, ihre Macht durch Änderungen des Wahlrechts zu
erhalten, obwohl ihr die eigenen Wähler immer mehr davonlaufen. Das sind nichts
anderes als Versuche, durch eine Änderung des Wahlrechts die Macht einer
Partei, der SPÖ, zu zementieren, damit dann am Schluss der sozialistische
Parteikassier, der Blockwart im Gemeindebau nach Möglichkeit diese Wahlkarten
alle einsammeln und per Briefwahl an die Wahlbehörde übermitteln kann.
Aber meine Damen und Herren, es kann nicht so sein, und das ist eine
Entwicklung, vor der nicht früh genug gewarnt werden kann, dass am Schluss die
Macht der Apparate, die Macht der Funktionäre in dieser Stadt für die Anzahl
der Stimmen, die eine Partei per Briefwahl erhält, ausschlaggebend ist. Meine
Damen und Herren, ich sage daher, wir dürfen mit unseren Grundprinzipien des
Wahlrechts, mit den Verfassungsprinzipien, mit dem geheimen Wahlrecht, nicht so
leichtfertig umgehen. Das freie Wahlrecht, das geheime Wahlrecht ist das
höchste Gut in einer Demokratie. Die Opposition hat sich daher
zusammengefunden, um diese Novelle heute zu Fall zu bringen. Meine Damen und
Herren von der SPÖ, die Opposition wird die zweite Lesung dieses Gesetzes heute
verhindern.
Wir Freiheitliche sagen, die Briefwahl soll in Zukunft nur mehr im
Ausland möglich sein. Aber im Inland, meine Damen und Herren, muss die
Briefwahl wieder abgeschafft werden, damit dem freien, dem geheimen Wahlrecht
als Grundprinzip unseres Verfassungsrechts wieder zum Durchbruch verholfen
werden kann! (Beifall bei der FPÖ.)
Präsident Prof Harry Kopietz:
Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Abg Dipl-Ing Margulies. Ich erteile es
ihm.
Abg Dipl-Ing Martin Margulies
(Grüner Klub im Rathaus): Sehr
geehrter Herr Präsident! Frau Berichterstatterin! Sehr geehrte Damen und
Herren!
Auch wenn es mir nachvollziehbar ist, dass nach dem
vorherigen Tagesordnungspunkt jetzt ganz viele Abgeordnete einmal
durchschnaufen müssen, wirft es trotzdem kein Superbild auf unser Gremium, wenn
bei einer zentralen Änderung des Wahlrechtes nicht einmal dreißig Abgeordnete
im Saal sind. Das ist in etwa dasselbe Bild, welches sich ergibt, wenn man
zentrale Änderungen des Wahlrechtes nicht gemeinsam diskutiert, nicht in
Begutachtung schickt, sondern ebenfalls mittels Initiativantrag versucht,
schnellstmöglich durchzuboxen. Das war auch der Grund dafür, warum wir heute
sowohl einen Absetzungsantrag, der abgelehnt wurde, gestellt
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