Landtag,
30. Sitzung vom 26.03.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 59 von 82
kann alles noch einmal vorlesen. Also lassen Sie mich reden, dann ist
es auch für Sie kürzer!
Es gibt Mehrheitswahlrecht und es gibt Verhältniswahlrecht. Da gibt es
die unterschiedlichsten Methoden in Europa und in den USA, und es wird nie
davon gesprochen, dass dabei etwas undemokratisch oder unfair wäre. Wollen wir
sagen, dass Großbritannien oder die Vereinigten Staaten ein unfaires Wahlrecht
haben? Das wollen wir absolut nicht sagen, und all das ist sicherlich auch
nicht ganz einfach zu beantworten. Ganze Bibliotheken sind voll von
Abhandlungen, was ein genaues Wahlrecht wäre und wie ein Wahlrecht genau das
abbilden könnte, was die Wählerin und der Wähler wollen.
Es gibt bei allen diesen Verhältniswahlrechten leicht
mehrheitsfördernde Systeme. Die Verfahrenskombination nach Hagenbach-Bischoff
und d’Hondt ist ja allgemein bekannt: Das eine Verfahren wird bei uns in den
Wahlkreisen und das andere bei der Vergabe der Restmandate angewendet.
Bei der letzten Wahl hatte die SPÖ 49 Prozent der Stimmen, und die
Oppositionsparteien hatten zusammen 47,5 Prozent. Wenn man die Parteien,
die an der 5 Prozent Hürde gescheitert sind – und diese Hürde finden
ja alle gut, sie ist zumindest heute nicht kritisiert worden –, abzieht
und das als Basis nimmt, dann wäre die SPÖ auch unter dieser Voraussetzung über
50 Prozent gelegen. Daran kann ich nichts Ungewöhnliches finden, auch wenn
das der ÖVP unangenehm ist und immer wieder Zwischenrufe betreffend die
Wirtschaftskammerwahl und so weiter kommen.
Man muss das immer wieder sagen: Dort, wo die ÖVP allein bestimmen
kann, welches Wahlrecht zum Tragen kommt, fällt mir – bevor ich auf die
Wirtschaftskammer zu sprechen komme – immer wieder auch die Faxwahl ein.
Die Faxwahl hat die ÖVP erfunden: Diesfalls muss man aufs Gemeindeamt
marschieren und Zetteln weg faxen, wobei man diese Zettel dem Bürgermeister
oder dem Gemeindediener vielleicht zeigen muss. Diese Faxwahl ist eine
Erfindung der ÖVP.
Bei der Wirtschaftskammerwahl, bei der die ÖVP auch mitreden kann und
deren Ergebnis erst vor Kurzem bekannt wurde, zeigt sich: Die ÖVP
beziehungsweise der Wirtschaftsbund haben 47,4 Prozent aller Stimmen
zusammen, haben aber 54 Sitze von 87, also 62 Prozent. Da kann man nicht
sagen, dass das ein leicht mehrheitsförderndes Wahlrecht ist, sondern das ist
etwas ganz anderes.
Niederösterreich wurde auch kurz erwähnt, und ich muss dazu sagen, dass
es leider auch im Burgenland so ist. In allen anderen Ländern sticht die Parteistimme
die Vorzugsstimme. In Niederösterreich verhält es sich jedoch so, dass es eine
Stimme für die ÖVP ist, wenn man beispielsweise die SPÖ ankreuzt und als
Vorzugsstimme Pröll dazuschreibt. Dort hat man es sich gerichtet. Man ist also
auch nicht ganz frei davon! Und im Burgenland ist es ähnlich. Das gibt es also
auch. Man soll genau wissen, wie es in Österreich ist.
Schauen wir uns auch in anderen Ländern um! In Spanien hätte man zum
Beispiel bei einem Verhältniswahlrecht mit 42 Prozent sogar gute Chancen
auf absolute Mehrheiten. In Griechenland ist das noch viel ärger. Im Hinblick
darauf sage ich an dieser Stelle, dass wir ein gutes Wahlrecht haben und die
Oppositionsparteien offenbar schlechte Verlierer sind.
Ich komme jetzt zu den konkreten Änderungen, bevor ich auf die Anträge
eingehe, die eingebracht wurden. Im Wesentlichen handelt es sich in Wien um
eine Harmonisierung nach der Bundeswahlordnung, und ich möchte Sie alle davon
informieren, welche Parteien in der 53. Sitzung des Nationalrates dafür
gestimmt haben: Diese Sitzung fand am 29. Jänner 2010 statt, dabei wurde
ein Großteil der Änderungen beschlossen, die wir heute nachvollziehen. Dafür
waren die SPÖ, die ÖVP, die sich jetzt davon verabschiedet, die Grünen und B. Keine Ahnung, was B
heißt! Ach so, das wird das BZÖ gewesen sein! Dagegen waren die Freiheitlichen.
Wir vollziehen das nur nach, und ich kann Ihnen das jetzt auch gerne im
Einzelnen sagen.
Die Angleichung des Alters für die Mitgliedschaft in Wahlbehörden ist
eine Harmonisierung gemäß Wahlrechtsänderungsgesetz 2010. Die Eintragung der
wahlberechtigten Bewohner von Geriatriezentren in das Wählerverzeichnis ihres
Hauptwohnsitzes ist eine Harmonisierung. Die Anpassung der Terminologie an die
eingetragene Partnerschaft ist eine Harmonisierung. Das Wahlkartenabonnement
für WählerInnen mit besonderen Bedürfnissen ist eine Harmonisierung. Die
Umgestaltung der Wahlkarte mit verschließbarer Lasche und so weiter und so
weiter ist eine Harmonisierung. Die Anpassung der Frist für die Einbringung der
Kreis- und Bezirkswahlvorschläge ist eine Harmonisierung. – All das
beschließen wir übrigens hier heute oder auch nicht, das werden wir ja sehen.
Die Präzisierung der Nichtigkeitsgründe und so weiter und so weiter ist
eine Harmonisierung. Die Übernahme des Portos für die Rücksendung von
Briefwahlkarten durch die Gemeinde Wien ist eine Harmonisierung. Die
Klarstellung, dass Briefwahlkarten an Werktagen auszuzählen sind, ist eine
Harmonisierung. Die Anpassung der Prüfung und Auszählung der rückgelangten
Briefwahlkarten durch die Bezirkswahlbehörden ist eine Harmonisierung.
Man kann also sagen, dass wir zu 99 Prozent mit diesem Gesetz
nachvollziehen, was auf Bundesebene
beschlossen wurde. Und wenn hier immer wieder die Behauptung aufgestellt wird,
dass es zwei oder drei Bundesländer gibt, wo das nicht der Fall ist, dann muss
man sagen: Ja, aber dort ist auch noch niemand klagen gegangen! – Wir
wollen dieses Risiko nicht auf uns nehmen. Es ist klar, dass die Länder das
nachzuvollziehen haben, was auf Bundesebene
beschlossen wurde, und das tun wir heute.
Zu den Einzelheiten, zunächst zum Antrag betreffend
Wahlrecht auch für Zweitwohnsitzer: Nach den Bestimmungen des
Meldegesetzes 1991 können Zweitwohnsitze in beliebiger Zahl begründet
werden. Das heißt, es könnte sich zum Beispiel jemand in allen 23 Bezirken
einen Zweitwohnsitz nehmen und dann 23 Mal wählen
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