Landtag, 31. Sitzung vom 19.04.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 25 von 34
werden? Wir von den Grünen haben
hier mehrfach einen Armuts- und Reichtumsbericht von der Gemeinde Wien
gefordert. Den verweigert die SPÖ-Stadtregierung aus guten Gründen, wie ich
meine, und deswegen machen die Grünen jetzt
einen eigenen Armutsbericht. Wir haben uns kapitelweise herangearbeitet, und es
gibt sehr viele dramatische Zahlen zu Alter in Armut, Armut bei
Arbeitslosigkeit. Aber das Kapitel, das wir heute besprechen, ist das Drama
Kinderarmut, und ich muss ein paar Zahlen herausgreifen.
Was heißt das, 100 000 Kinder leben in Wien in Armut, nämlich fast
doppelt so viele wie noch vor 5 Jahren. Was ist denn da passiert, und wer
hat dafür die Verantwortung, und was kann man machen. Es fühlen sich ja alle
betroffen, wenn sie die Zahlen hören, aber was heißen die Zahlen genau, und
gibt es einen Unterschied, ja, wird das woanders besser gemacht?
Wenn ich dann sage, in Dänemark ist die Chance eines Kindes, dass es in
einem armen Haushalt lebt, nur ein Drittel, also in Wien dreimal so hoch, dann
werden einige sagen, wir wohnen nicht in Dänemark, und das kann man nicht
vergleichen. Wenn man in Österreich die Armut insgesamt von allen Gruppen, die
hier leben, vergleicht, dann ist es in der Stadt ein bisschen mehr als in den
Bundesländern. In Zahlen ausgedrückt sind das 17 Prozent Armut in Wien und
13 Prozent in den Bundesländern. Wenn man Kinderarmut vergleicht, ist es
wesentlich dramatischer, und deswegen rentiert es sich auch, genau darauf zu
schauen. 24 Prozent in Wien und ein bisschen etwas und 14 Prozent in
den Bundesländern.
Warum ist das Risiko eines Kindes, in Wien arm zu sein wesentlich höher,
als wenn es in Vorarlberg, Tirol, Salzburg oder Niederösterreich aufwächst.
Warum ist das so?
Das belegen Zahlen, die sind ja nicht von uns, sondern das sind ganz
normal ausgewertete Daten von diesem EU-Zielverfahren, die man auch für alle
anderen Armutsindikatoren heranzieht. In Wien ist ein Kind ärmer als in jedem
anderen Bundesland, und das in einem derartig hohen Ausmaß, dass man sich
fragen muss, wie das passieren kann. Wenn man die Zahlen genau herunterbricht,
heißt das zum Beispiel in Wien, dass in einem AlleinerzieherInnenhaushalt bei
Kindern, egal, ob das eines oder mehrere sind, die Wahrscheinlichkeit, dass
dieses Kind in den letzten vier Jahren irgendwann in einem Armutshaushalt war,
60 Prozent beträgt. Mehr als die Hälfte von Kindern in alleinerziehenden
Haushalten sind irgendwann darunter und ich nehme an, sie sind nicht 3 Jahre
steinreich und 1 Jahr arm, sondern leben dann halt knapp über der Grenze.
60 Prozent der Kinder in alleinerziehenden Haushalten sind zwischendurch
arm. Eine schockierende Zahl, wenn man sie so liest, sogar noch ein höheres
Risiko als die Mehrkindfamilie, weil die trifft es dann als zweitstärkste
Familie mit 3 Kindern und mehr. Die Chance, dass die in Armut leben, ist
auch wieder 40 Prozent höher als bei den anderen.
So, und was heißt das jetzt an einem konkreten Beispiel, weil das sind
alles immer so nackte Zahlen um die Kinderarmut. Fakt ist, in Wien ist es
wesentlich schlechter als in den Bundesländern, Fakt ist, es gibt Länder, die
es besser machen. In Dänemark ist die Chance für ein Kind nicht einmal ein
Drittel so hoch. Das würde heißen, hätten wir das System von Dänemark, dann
hätten wir statt der 100 000 immer noch viele, aber doch nur 30 000.
Ein schöner Unterschied, ja. Würden wir das tun, hätten wir 70 000
gerettet, oder wenn wir das, was die anderen acht Bundesländer machen, hätten
wir statt 24 Prozent 14 und das hieße dann, es sind viele Zehntausende
Kinder aus der Armutsfalle gerettet.
Jetzt nehme ich aber ein Beispiel: In diesem Haus hat Peter Kern, ein
Autor und Regisseur, für sein Werk ein goldenes Ehrenzeichen bekommen. Und was
hat er gemacht, als er das erhalten hat? Er hat zwei Kinder aus der ersten
Reihe zu sich geholt und denen dieses Ehrenzeichen gegeben und die Geschichte
dazu erzählt. Der Regisseur Peter Kern wohnt im Gemeindebau, und diese zwei
Kinder auch. Was ist den beiden Kindern passiert? Mama, Papa, zwei Kinder, die
Mutter ist an Krebs gestorben, das ist schlimm genug, und der Mann läuft im
Jänner mit einer Zange am Gang herum und der Peter Kern fragt ihn, was machst
du mit der Zange, weil er kennt seinen Nachbarn. Der sagt: „Ich gehe jetzt
hinunter, mir hat man Strom und Gas abgedreht, meine Kinder sitzen in der
Wohnung und frieren.“ Im Jänner heuer, und wer sich erinnert, der weiß, es war
ziemlich kalt, aber ganz unabhängig davon, er hat gesagt, ich gehe jetzt hinunter,
ich mache etwas, was ich nicht tun darf, weil meine Kinder frieren und das kann
ja so nicht sein, das geht nicht. Die Geschichte endet leider noch schlimmer,
weil der Vater auch schwer krank war.
Die Frage ist: Sollen in dieser Stadt Kinder frieren,
ja oder nein? Da sagt jeder Nein. 100 000 leben in Armut, sollen Kinder
aus dem Gemeindebau delogiert werden können, ja oder nein? 100 000
Delogierungen im Jahr im Gemeindebau, etliche Kinder darunter. Und wir sagen,
wenn man schon nicht die ganze Armut auf einmal abschaffen kann, dann gehen wir
einmal die an, die nichts dafür können, weil ein 3-jähriges Kind, ein
3-jähriger Bub, ein 5-jähriges Mädchen, da wird keiner da herinnen sitzen und
sagen, die sind selber schuld. Die sind nicht selber schuld. Und die Vorschläge
der Grünen sind, das zu tun, was
Wien selber machen kann, nämlich diesen Richtsatz zu erhöhen, der jetzt nicht
einmal die Hälfte von der Armutssicherheit bedeutet. Das kostet Geld, aber wenn
uns die Kinderarmutsbekämpfung kein Geld wert ist, dann frage ich mich, wo wir
überhaupt noch Sozialpolitik in der Stadt machen wollen. Das Risiko von einem
Kind, hier ärmer zu sein als in einem anderen Bundesland, das ist inakzeptabel,
das geht nicht, und hier sind wir alle gefordert. Wir haben Vorschläge präsentiert,
ich bin aber auch für jeden anderen offen, und ich möchte
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