Landtag,
33. Sitzung vom 24.06.2010, Wörtliches Protokoll -
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logisch, weil wir glauben, dass es nicht mehr sein kann, so wie ich
eingangs schon erwähnt habe, dass die Interessensvertretung nicht in die
Gesetzwerdung mit einbezogen wird und dass man wirklich kontinuierlich
Gespräche führt, kontinuierlich schaut, wo sind die Problemlagen, sich auch
wirklich immer wieder mit dem FSW hinsetzt, um zu schauen, wo braucht es eine
Förderung, wo braucht es eine neue Förderung, wo braucht es neue Maßnahmen, wo
greifen die alten nicht weitgehend genug oder gibt es neue Entwicklungen, denen
wir folgen müssen.
Ich finde es schade, wie schon gesagt, dass dieses Gesetz meiner Meinung
nach auf halber Strecke oder auf dreiviertel der Strecke steckengeblieben ist,
dass man nicht den Mut hatte, hier wirklich Chancengleichheit durchzuziehen,
hier wirklich für Chancengleichheit zu sorgen. Auch wenn jetzt in Inseraten
versprochen wird beziehungsweise allen, die das lesen, versucht wird, klar zu
machen, dass das Selbstbestimmung unterstützt. Ja, das
stimmt, es ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber wieder mal ein zu
kleiner Schritt und deswegen lehnen wir das Gesetz ab. Danke. (Beifall bei
den GRÜNEN.)
Präsident Prof Harry Kopietz:
Danke. Als Nächste zum Wort gemeldet ist Frau Abg Praniess-Kastner. Ich ersuche darum.
Abg Karin Praniess-Kastner
(ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr
geehrte Frau Landesrätin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Bevor ich mich mit dem vorgelegten Gesetz befasse, möchte ich Ihnen eine
Premiere hier im Sitzungssaal vorstellen. Normalweise gehen ja die
Gebärdensprachdolmetscher nach der Fragestunde und der Aktuellen Stunde nach
Hause. Heute ist es gelungen, dass diese Sitzung, die eine Gesetzesvorlage
beschließen soll, die für behinderte Menschen in dieser Stadt sehr, sehr
wichtig ist, dass diese Sitzung auch barrierefrei zugänglich ist. Es ist der
Mehrheitsfraktion in dieser Stadt leider nicht selbst eingefallen,
Gebärdesprachdolmetscher hier einzusetzen. Ich möchte mich daher ausdrücklich
beim Herrn Landtagspräsidenten Kopietz für die Zurverfügungstellung bedanken, sie gewährleistet
Barrierefreiheit auch für gehörlose SeherInnen auf
der Galerie, HörerInnen und BeobachterInnen
im Internet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Gebärdensprache ist kein Hobby und
auch kein Luxus, sondern Gebärdensprache zählt zu den Menschenrechten. Es ist
ein Menschenrecht. Und es ist sehr, sehr wichtig für Menschen in dieser Stadt,
die Sitzungen hier, die Gesetzeswerdungen und natürlich alle anderen Dinge auch
gebärdensprachübersetzt zu bekommen. Es liegt vielleicht auch am nicht ganz
vollzogenen Paradigmenwechsel in der Politik für Menschen mit Behinderung in
dieser Stadt, dass zum Beispiel der Sitzungssaal hier nicht barrierefrei ist.
Das heißt, ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete, die im Rollstuhl anwesend
wäre, hätte auch keine Möglichkeit, hier ihr Abgeordnetenmandat auszuüben. Aber
vielleicht ist das ja auch demnächst möglich.
Es passt leider auch ins Bild, wie gesagt, dass keine GebärdesprachdolmetscherInnen beim Rest der Sitzungen
anwesend sind, dass der Sitzungssaal nicht barrierefrei ist und Menschen mit
Behinderung damit nicht die gleichen Informationsmöglichkeiten zur Verfügung
stehen. Sie könnten ein Mandat auch nicht wirklich vollkommen uneingeschränkt
ausüben, obwohl das zur Sicherstellung der Rechte für behinderte Menschen hier
in Wien notwendig wäre.
Das Thema Barrierefreiheit
haben wir ja schon sehr oft und ausführlich besprochen, aber lassen Sie mich
hier jetzt zum vorgelegten Chancengleichheitsgesetz Stellung nehmen. Eines
vorweg, es ist für uns und meine Fraktion richtig und wichtig, dass ein neues
Gesetz an die Stelle des letztendlich bereits 40 Jahre alten Gesetzes tritt.
Eine stilistische Überarbeitung des Wiener Behindertengesetzes, so hat das
ehemalige Gesetz für Menschen mit Behinderung geheißen, hätte sicherlich nicht
alle Neuerungen und Weiterentwicklungen der Rechtsnormen für Menschen mit
Behinderung aufnehmen können. In dieser Hinsicht bin ich froh, dass nun ein
neues Regelwerk vorliegt. Was mir aber, und nicht nur mir, sondern vielen
Organisationen, die für Menschen mit Behinderungen tätig sind, aber auch der
Interessensvertretung gefehlt hat, war die Einbindung der Interessensvertretung
behinderter Menschen in diese Gesetzeswerdung von Beginn an. Diese komplette
Neufassung der Rechtsvorschriften hätte doch ein Grund sein können, mit der
Interessensvertretung behinderter Menschen in einen intensiven Dialog
einzutreten. Umso mehr verwundert es, dass die Landesregierung es nicht der
Mühe wert gefunden hat, gemeinsam mit der Interessensvertretung behinderter
Menschen das neue Gesetz zu erarbeiten. Der Interessensvertretung wurde zuerst
einmal lediglich das Recht eingeräumt, so wie allen anderen, zum vorliegenden
Entwurf eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
Und das ist auch schon der erste Punkt, wo ich auf
die UN-Konvention zu sprechen komme, denn ich sehe darin eine absolute
Missachtung der UN-Behindertenrechtskonvention, zu der sich der Staat
Österreich durch Ratifizierung bereits im Oktober 2008 bekannt hat. In einem
Artikel, ich zitiere wörtlich Art 4 Abs 3 der UN-Konvention, da heißt
es, dass sich die Vertragsstaaten dazu verpflichten: „Bei der Ausarbeitung und
Umsetzung von Rechtsvorschriften und politischen Konzepten zur Durchführung
dieses Übereinkommens und bei anderen Entscheidungsprozessen in Fragen, die
Menschen mit Behinderung betreffen, führen die Vertragsstaaten mit den Menschen
mit Behinderung, einschließlich Kindern mit Behinderung, über die sie
vertretenden Organisationen enge Konsultationen und beziehen sie aktiv ein.“ In
diversen Stellungnahmen, das habe ich schon gesagt, wurde das ja kritisiert,
dass der Komplettentwurf vorgelegt wurde ohne Einbeziehung. Ich teile diese
Kritik der
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