Landtag,
33. Sitzung vom 24.06.2010, Wörtliches Protokoll -
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und die Grüne Fraktion auch. Danke schön. Ein Anhörungsrecht muss auch
tatsächlich ein Recht sein. Auf dieses Recht müssen sich Menschen mit
Behinderung verlassen können!
Apropos Verlässlichkeit und damit komme ich schon zum zweiten
Kritikpunkt dieses Entwurfs, nämlich den fehlenden Rechtsanspruch auf
wesentliche Leistungen. Auch dieser Punkt wurde ja in zahlreichen
Stellungnahmen kritisiert. Der vorliegende Entwurf garantiert Menschen mit
Behinderung lediglich bei vier Leistungen einen Rechtsanspruch, Tagesstruktur
jedoch nur bis zum 65. Lebensjahr, vollbetreutes Wohnen,
Regelfahrtendienste von und zu Einrichtungen der Behindertenhilfe aber nur
unter der Woche, also keine Beförderung an Wochenenden, und Kostenzuschüsse zur
Beschaffung und Instandsetzung von bestimmten Hilfsmitteln. Leider wurde die
Liste wieder entfernt, welche Hilfsmittel das genau sind. Das ist sicher auch
ein großer Nachteil im Gesetz, aber immerhin, es gibt einen Rechtsanspruch.
Keinen Rechtsanspruch gibt es auf die übrigen Leistungen, die in diesem Gesetz
geregelt sind. Und auch das steht ganz klar im Widerspruch zur geltenden
UN-Konvention.
Die SPÖ-Stadtregierung heftet sich das Wort Chancengleichheit auf ihre Fahnen
und gewährt aber nur auf bestimmte Leistungen einen Rechtsanspruch. Ich möchte
das am Rechtsanspruch für vollbetreutes Wohnen aufzeigen, was das bedeutet: Es
gibt vollbetreutes Wohnen, es gibt teilbetreutes Wohnen, diese Leistung ist ja
nicht neu und es gibt ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben mit
Persönlicher Assistenz. Die SPÖ forciert mit ihrem Vorschlag, einen
Rechtsanspruch ausschließlich auf vollbetreutes Wohnen zu gewährleisten, eine
bestimmte Wohnform, statt dafür zu sorgen, ein faires Angebot den Menschen mit
Behinderungen für alle Wohnformen zu machen und zum Beispiel eben auch mit
Persönlicher Assistenz in den eigenen vier Wänden zu leben.
In dem Moment, Frau Landesrätin, wo Sie für eine bestimmte Wohnform
einen Rechtsanspruch im Gesetz verankern und für andere Wohnformen keinen
Rechtsanspruch gewähren, nehmen Sie Menschen die Chance, selbstbestimmt zu
entscheiden, wo und wie sie leben möchten und diese Vorselektion, meine Damen
und Herren, lehnen wir ab!
Es widerspricht auch einmal mehr den Bestimmungen der UN-Konvention,
denn auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen, im Art 19 der
UN-Behindertenkonvention heißt es wörtlich: „Die Vertragsstaaten dieses
Übereinkommens anerkennen das gleiche Recht aller Menschen mit Behinderungen,
mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu
leben, und treffen wirksame und geeignete Maßnamen, um eine gleichberechtigte
Teilhabe in der Gemeinschaft zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderung
gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu
entscheiden, wo, mit wem sie leben und nicht verpflichtet sind, in einer
besonderen Wohnform zu leben und Menschen mit Behinderung Zugang zu einer Reihe
von gemeindenahen Unterstützungsdiensten zu Hause und in Einrichtungen
einschließlich der Persönlichen Assistenz zu gewährleisten.“ (Beifall bei
der ÖVP.)
In Wien haben wir leider aber noch eine ganz andere, eine sehr, sehr
lange Reihe von weiteren Bestimmungen, die massiv gegen die Bestimmungen der
UN-Konvention verstoßen, speziell, wie gesagt, was die Wohnform für Menschen
mit Behinderung betrifft.
Und es sei mir daher, um das noch einmal zu unterlegen, ein kleiner
Exkurs gestattet und zwar zum Therapiezentrum Ybbs, wie es heißt. Die Stadt
Wien hält nach wie vor am überholten Konzept dieses Großheims, wie ich es
bezeichne, fest. Auch wenn wir heute ein Chancengleichheitsgesetz beschließen,
werden diese Relikte aus längst vergangenen und überholten Zeiten nicht
verabschiedet. Ich habe hier schon von dieser Stelle einmal formuliert, der
ärztliche Leiter Primarius Dr Kurt Sindermann hat auf meine Frage in der
Untersuchungskommission, was er davon hält, behinderte Menschen in solchen
Institutionen unterzubringen und ob das zeitgemäß sei, gesagt: Nein, er halte
das nicht für zeitgemäß. Ein paar Tage später musste Primarius Sindermann,
scheinbar auf Druck - ich weiß es nicht, aber es sieht ganz danach aus - der
roten Stadtregierung zurückrudern und er hat sich schriftlich von seiner
Aussage distanziert. Das heißt also, die Revolution in Ybbs, die angezettelt
und endlich einmal in diesem Haus thematisiert wurde und die auch von einem
Primar bestätigt wurde, war leider nur von kurzer Dauer. Die Einrichtung
besteht unverändert weiter. Auf der Homepage bekommt man einen Einblick in die
Standpunkte der Führungsebene des Wiener Krankenanstaltenverbundes, was die
Betreuung von Menschen mit Behinderung, speziell von Menschen mit
Lernschwierigkeiten, bedeutet, denn auf der Homepage von Ybbs ist wörtlich zu
lesen: „Therapiezentrum Ybbs, sozialtherapeutisches Zentrum, herzlich
willkommen. Im sozialtherapeutischen Zentrum leben erwachsene Menschen ab
16 Jahren mit Intelligenzminderung und Körperbehinderung. Ihre
lebenspraktischen Fertigkeiten und Fähigkeiten entsprechen meist nicht denen
unserer Lebensgemeinschaft. Ziel der Förderungs- und der Betreuungsarbeit ist
die Normalisierung der Lebensumstände der hier lebenden Menschen.“
Meine Damen und Herren, das ist eine Katastrophe in
Zeiten wie diesen und es ist eine Schande für die Stadt Wien, denn die
KAV-Führung spricht damit Menschen mit Behinderung in einem simplen Satz
einfach die Fähigkeit ab, an unserer Gesellschaft teilhaben zu können! Menschen
mit Behinderung entsprechen nicht unserer Lebensgemeinschaft, Punkt. Das ist
auf der Homepage des KAV fürs Therapiezentrum Ybbs nachzulesen. Aber damit
nicht genug, und meine Kollegin Smolik hat es heute schon gesagt, nach Ansicht
der SPÖ-MandatarInnen scheinbar in diesem Haus und nach Ansicht der KAV-Führung
müssen Menschen
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