Landtag, 4. Sitzung vom 01.04.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 44 von 49
Villenchefs!
Ich finde es abgrundtief armselig, wie Sie hier argumentieren und wie sehr Sie sich weigern, den Realitäten in die Augen zu sehen, nämlich dass es Armut gibt. Unbestritten kein schöner Anblick, das ist unbestritten, nur das, was Sie hier machen, ist, auf liegende Menschen noch hinzutreten, und ich weiß nicht, wie das die ÖVP vertreten kann.
Zu den Fakten. Im Wiener Landes-Sicherheitsgesetz steht eindeutig geschrieben, das aggressive Betteln ist verboten, das organisierte Betteln ist verboten, das Betteln unter Mitnahme unmündiger Minderjähriger ist verboten, und die Stadt Wien ist letztes Jahr noch einen Schritt weitergegangen und hat auch das gewerbsmäßige Betteln verboten.
Das heißt konkret, wenn jemand, ein Mensch – wir reden übrigens von Menschen, sollten Sie das vergessen haben –, wenn jemand tatsächlich so in Notlage ist und die Absicht hat, sich eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen – also da genügt es, zwei Mal zu betteln –, dann ist das auch zu ahnden, dann ist da auch eine Strafe vorgesehen, und zwar bis zu 700 EUR. Und unserer Meinung nach verstößt das eindeutig gegen Menschen- und Grundrechte. Das sind einmal die Fakten.
Das andere ist: Es gibt auch ein Verwaltungsgerichtshofurteil in Baden-Württemberg, das festgestellt hat, dass Betteln eine gesellschaftliche Erscheinung ist, die hinzunehmen ist, ob es Ihnen gefällt oder nicht. Mir gefallen Ihre FPÖ-Plakate auch nicht. Da wird mir regelmäßig speiübel. Ich kann sie nicht verbieten, wir leben in einer Demokratie. Und hier beim Betteln reden wir noch dazu von Menschen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Das, was aber auch passiert, ist, und das stimmt: Viele Menschen sind verärgert, verärgert darüber, dass es bei uns Leute gibt, die die Hand aufhalten und ohne Leistung was bekommen. Diesen Ärger habe ich auch, und diese Grassers und Strassers und Meischbergers machen mich auch unglaublich wütend. Die halten doch glatt die Hand auf, kassieren Hunderttausende ohne irgendeine Leistung. Aber nein, es ist ja viel einfacher, bei diesen Leuten schauen wir lieber nicht hin, machen wir es bei den Bettlern und Bettlerinnen. Da geht es dann um 50 Cent oder 1 EUR; das ist doch viel leichter, ist doch viel bequemer. Schauen wir dorthin und agieren wir dann ein Stück weit gegen diese Menschen und gehen sogar einen Schritt weiter, wir arbeiten ein bisschen mit Rassismus, arbeiten dann auch ein Stück weit mit Zigeunern. (Abg Mag Johann Gudenus, MAIS: Bitte, was soll ich gesagt haben?) Das sind Zitate, die dann erscheinen, vor allem gegenüber Roma, wo ich mir denke: Bist du narrisch, das hatten wir vor 70 Jahren auch schon! Und niemand von Ihnen ist bereit, hinzuschauen und zu fragen: Wie geht es denn dieser Gruppierung mit Armut, mit Arbeitslosigkeit oder mit welchem Rassismus sind sie in ihren Ländern konfrontiert?
Der nächste Schritt ist, dass wir genau schauen müssen – ich könnte ja einen Roman erzählen –, wie es jetzt ausschaut mit den Bettelverboten. Wenn wir die Fakten hernehmen, gibt es 154 Anzeigen im Jahr 2010, aber keine einzige gegen organisierte Kriminalität. Und die Frage ist: Warum nicht? Warum nicht, woran liegt es? Wenn Sie mit der Polizei reden, dann werden Sie draufkommen, schwierig ist es, zu differenzieren und nachzuweisen. Viele Polizisten und Polizeikommandanten sagen – in Graz, im 16. Bezirk, auch in Wien –, der Nachweis der Bandengeschichte ist nicht gegeben, aber – und hier kommen wir wieder zu einem Punkt der Differenzierung – was tatsächlich eine ernstzunehmende Sache ist, ist der Kinderhandel. Tatsächlich gibt es Menschen, die sagen – und das sagen die Experten vor allem von der Kinderdrehscheibe –, da gibt es Kinder, die betteln, da gibt es Kinderhandel. Sie arbeiten damit, und was sie machen, ist, sie rückzuführen, vor allem Bulgaren und Rumänen, und sie bauen dort Krisenzentren mit auf.
Das sind konstruktive Vorschläge, und man muss hergehen und sich fragen: Wie schaut das aus mit der Strafgesetzgebung? Warum schafft es die Kriminalpolizei hier nicht, gegen Menschenhandel vorzugehen? Wie kann man sie unterstützen? Was kann man hier konkret tun? Das, was Sie machen, ist grob fahrlässig, alle Bettler und Bettlerinnen in einen Topf zu werfen, weil Sie einfach den Anblick von Armut nicht ertragen. Also schauen Sie gefälligst differenzierter hin, um welche Menschen es sich hier handelt!
Das, was es auch gibt – und das muss man auch zur Kenntnis nehmen, ob Sie wollen oder nicht –, es gibt Untersuchungen, die sagen, dass Menschen tatsächlich organisiert in Familienverbänden betteln. (Abg Johann Herzog: Geh, nein! Wieso?) Ja, das gibt es tatsächlich. Und Sie müssen noch weiter hinschauen. Schauen Sie ein bisschen weiter hin! (Abg Johann Herzog: Am Anfang Ihrer Rede haben Sie das noch nicht gesagt!) Was passiert mit dem Geld? Die Kinder können in die Schule gehen, die Kinder erhalten eine Ausbildung. Es gibt Studien an der Universität Graz. Informieren Sie sich ein bisschen und tun Sie nicht in Ihren Scheuklappen da vor sich hinschwadronieren. Man hat überhaupt das Gefühl, da ist manchmal ein hoch bezahlter Rhetorikwettbewerb hier herinnen. Wer tiefer und am tiefsten menschenverachtend Reden hält, bekommt dann anscheinend einen Preis.
Insofern noch einmal: Punkt 1: Unterstützen wir die Kriminalpolizei und schauen wir genauer hin, welche Art der organisierten Kriminalität es gibt. Bestrafen wir nicht die Armen, nicht Bettler und Bettlerinnen, denn das ist es, was Sie wollen. Wen trifft denn ein generelles Bettelverbot? Die Mafia? Geh, bitt’schön, hören Sie auf!
Und bewiesen ist gar nichts. Sie kommen immer wieder mit den Bildern von einem Mercedes. Zeigen Sie mir ein konkretes Bild, eines von einem Mercedes, wo Bettler und Bettlerinnen aussteigen. (StRin Veronika Matiasek: Nicht die Bettler, die Bosse!) Noch kein einziges haben Sie gefunden, weil es keines gibt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Aber Sie treiben das mit den Bildern ja weiter und weiter, nur um auf die Menschen hinzutreten.
Was ich beachtenswert gefunden habe, ist das, was der Herr Häupl heute gesagt hat: Wir schauen uns gemeinsam in der Koalition genauer an, was die Theorie, was die Praxis ist, wie funktionieren die Gesetze, und
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