Landtag, 6. Sitzung vom 30.06.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 35 von 69
Erforderlich dafür wäre, das Wohngebiet viel klarer zu definieren. Was verstehen Sie unter Wohngebiet? Wie weit reicht das Wohngebiet? Ist es eine Häuerzeile? Ist es ein Häuserblock? Ein Häuserblock, der im Regelfall von vier Straßen umgeben ist? Sind es zwei Häuserblocks? Ist es mehr? Ist es vielleicht sogar ein ganzer Bezirk, wie ich jetzt einer der jüngsten Aussendungen der Frau Stadträtin entnehmen kann? Dann frage ich mich, warum sagt man nicht gleich, man meint den 1. Bezirk, und erfindet dann eine Interpretation, die so im Gesetz nicht drinnensteht.
Jeder der Beteiligten muss sich die Frage stellen, welche Gebäude Wohnzwecken dienen, denn so lautet die Definition des Wohngebietes: „Ein Wohngebiet ist ein Gebiet mit Häusern, die mehrheitlich Wohnzwecken dienen." Das ist oft nur sehr schwer festzustellen. Im Rathaus wohnt wohl niemand mehr, denn da hat es ja eine ausführliche Debatte gegeben, dass die Bürgermeisterwohnung aufgegeben worden ist. Auch bei der Hofburg kann ich mich erinnern, dass der Bundespräsident erklärt hat, seine Wohnung in der Josefstädter Straße weiter behalten zu wollen. Beim Museumsquartier und bei Schönbrunn ist das schon nicht mehr so eindeutig, ob da alle wissen, dass Personen oberhalb der ehemaligen Hofstallungen oder im ehemaligen Schloss leben.
Und zum Dritten, warum es alles andere als Rechtssicherheit gibt, ist, dass Fachvokabeln aus dem Gebiet der Flächenwidmung Eingang gefunden haben, die nur sehr schwer zu verstehen sind. Die Beteiligten müssten geradezu Flächenwidmungsexperten sein, wissen, was Wohngebiet ist, was gemischtes Baugebiet ist, was Kleingartengebiet ist, was Gartensiedlungsgebiet ist und wo es genau gewidmet ist.
Sehr verehrte Damen und Herren von den Regierungsparteien! Sie halten nicht sehr viel von der Mitsprache der Bürger in dieser Stadt. Und das bei einem Thema, das die Bürger in besonderer Art und Weise betrifft. (Beifall bei der ÖVP.)
Was hindert Sie daran, bei Prostitutionslokalen den Bürgern eine Parteienstellung einzuräumen, etwas, was gang und gäbe ist in Gewerbeangelegenheiten, in Bauangelegenheiten. Bei Prostitutionslokalen ist das Interesse sehr groß. Wie ist der Jugendschutz gewährleistet? Wie ist die Gestaltung und Kennzeichnung des Prostitutionslokals gegeben?
Wenn ich dann als Gegenargument höre, da könnte ja, wenn es so viel Mitsprachemöglichkeit gibt, kein einziges Prostitutionslokal mehr genehmigt werden, dann sage ich Ihnen, diese Parteienstellung gibt es auch in der Bauordnung, und meines Wissens nach wird in Wien immer wieder etwas gebaut, auch wenn es heftige Anrainereinsprüche dagegen gibt.
Aber Sie halten auch nicht sehr viel von den Bezirksorganen, von den Bezirksvertretungen, denn sonst hätten Sie diesen demokratisch gewählten allgemeinen Vertretungskörpern doch mehr Mitsprache gegeben. Es wird nun die Möglichkeit bestehen, Erlaubniszonen mitten im Wohngebiet zu verordnen, und die Bezirksvertretung kann das nicht verhindern. Ich höre von der Frau Stadträtin, na ja, so heiß wird es nicht gegessen werden, man wird das nicht verordnen ohne die Zustimmung der Bezirksvertretung.
Sehr verehrte Damen und Herren! Darauf möchte ich mich nicht verlassen müssen. Wie oft haben wir schon erleben müssen, dass es einen Beschluss der Bezirksvertretung gibt, und die Stadt Wien hat etwas anderes gemacht. Das Anhörungsrecht bei der Erlassung solcher Verordnungen ist ein viel zu schwach ausgestaltetes Recht. Wir bräuchten in jedem Fall ein Zustimmungsrecht der Bezirksvertretung. (Beifall bei der ÖVP.)
Und Sie machen etwas, worauf Sie ja spezialisiert sind. Sie schieben die Verantwortung ab. Gott sei Dank hat sich wieder eine Behörde gefunden, die die heiße Kartoffel aus dem Feuer holen soll, eine Bundesbehörde, die bereit ist, die Verantwortung zu übernehmen, nämlich die Bundespolizei. Die Bundespolizei ist es, die im Einzelfall entscheiden wird müssen: Ist jetzt an dieser Stelle die Straßenprostitution zulässig oder ist sie es nicht?
Bei der Definition, die Sie gewählt haben, werden sich sehr, sehr viele Juristen, aber auch Polizisten auf der Straße den Kopf darüber zerbrechen müssen. Es werden dann natürlich Strafbescheide erlassen. Das Ganze geht zum Unabhängigen Verwaltungssenat, geht weiter zu den Richtern des Verwaltungsgerichtshofes. Ich muss Ihnen leider Gottes prophezeien, hunderte, ja, tausende Juristen werden brüten über Ihrer verunglückten Definition, bis man dann endlich nach einem langwierigen, kostspieligen Verfahren zu einem rechtswirksamen Ergebnis wird kommen können.
Sie schieben die Verantwortung ab bei der Einrichtung der Erlaubniszonen. Nicht die Stadt Wien soll sagen, wo in Hinkunft Prostitution erlaubt ist, nicht die Stadt Wien, die ja unmittelbar mit den Bürgern befasst ist und die Anliegen und Wünsche der Bürger kennt, nein, der Bundespolizei wird die heiße Kartoffel zugeschoben. Die Bundespolizei muss sagen, ja, da haben wir ein Wohngebiet, dicht verbaut, dicht bewohnt, aber, warum auch immer, dort wird eine Erlaubniszone eingerichtet. Und wenn es dann Beschwerden gibt, weil man das nicht möchte – die Bezirksvertretung kann es nicht verhindern –, dann wird die SPÖ in Wien das machen, wofür sie ja bekannt ist und was sie in der Vergangenheit nie vergessen hat zu machen: Sie wird mit dem Finger auf den Bund weisen. (Beifall bei der ÖVP.)
Noch in einem dritten Bereich wird die Verantwortung auf die Polizei abgeschoben, nämlich wenn es um die Genehmigung von Prostitutionslokalen geht. Unter anderem geht es dort um den ausreichenden Gesundheits- und Brandschutz, unter anderem um den Jugendschutz, darum, dass es zu keinen Belästigungen der Anrainer kommt, ob die Kennzeichnung entspricht und die Stadtbildverträglichkeit gegeben ist.
Sehr verehrte Damen und Herren! Dass das nicht zum Kernbereich der Polizei gehört, ist ja augenscheinlich, aber das gehört nicht einmal in die letzten Verästelungen der Bundespolizei, sich mit solchen Dingen wie einer Stadtbildverträglichkeit zu beschäftigen. Auch hier haben Sie sich leider Gottes aus der Verantwortung gestohlen, und ich bin schon sehr neugierig, wie diese
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular