Landtag, 14. Sitzung vom 28.06.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 21 von 38
sem Haus zu führen. In gewisser Weise teile ich diese Auffassung und bin angenehm berührt, dass die Diskussion dennoch so sachlich stattgefunden hat. Ich glaube, dass Wahlrechtsfragen heikel sind. Das sind Dinge, wo es an den Grund der Demokratie geht und demzufolge sollte man sich mit dieser Frage sehr seriös auseinandersetzen. Da gibt’s halt zwei Herangehensweisen, die eine, was man will, und die andere, was die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Bundesverfassung hergeben. Im zweiten Fall muss man das, denke ich, auf der Ebene nationalstaatlichen Rechts und auf der Ebene der Europäischen Union diskutieren, in der wir ja sind. Das sind Spannungsfelder, die man auflösen muss und die man nicht rasch über den Tisch klären kann.
Meine Damen und Herren, seit 1992 existiert der Begriff der Unionsstaatsbürgerschaft, der den Bürgern der Europäischen Union eine Fülle von Rechten und Möglichkeiten einräumt. 1995 wurde ... (Abg Armin Blind: Es gibt keine EU-Staatsbürgerschaft!) Doch, das steht im Art 22, im Art 20 des EU-Arbeitsvertrags der Europäischen Union. (Abg Mag Wolfgang Jung: Es gibt keine EU-Staatsbürgerschaft!) Da steht der Begriff drinnen. Und im Art 22 steht auch, welche Rechte sich daran knüpfen. (Abg Mag Wolfgang Jung: Die Union ist kein Staat!) Die Union ist kein Staat, aber es gibt den Begriff der Unionsstaatsbürgerschaft. (Abg Mag Wolfgang Jung: Keine Staatsbürger!) Hören Sie, Sie haben so viele Juristen in Ihrer Fraktion. (Abg Mag Wolfgang Jung: Die Union ist kein Staat!) Bitte schauen Sie es sich einfach mal an. (Abg Mag Wolfgang Jung: Nicht Staatsbürger!) Das hab ich auch nicht gesagt. (Aufregung bei den GRÜNEN.) Lesen Sie einmal den Arbeitsvertrag der Europäischen Union. (Abg Dr Kurt Stürzenbecher: Der Herr Jung wird es wissen! – Abg Mag Wolfgang Jung: Weil es keine Staatsbürgerschaft gibt!) Da steht das drinnen, das hab ja nicht ich erfunden. (Aufregung bei der FPÖ.)
Erstens: Über die Gültigkeit des Vertrags von Maastricht mit allen seinen Bedingungen wurde 1995 in Österreich abgestimmt. So gesehen ist die Frage des kommunalen Wahlrechts für Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union vom Elektorat demokratisch legitimiert durch eine Volksabstimmung und damit ist die Geschichte auch geklärt. Damit ist die erste Phase kommunaler Partizipation innerhalb der Europäischen Union abgeregelt und auch dementsprechend legitimiert.
Wenn man heute wünscht und möchte, dass, und da bin ich persönlich sehr dafür, das ist meine private Meinung, wenn man will, dass man Rechte von Bürgern der Europäischen Union ausweitet, dann kann man das auf nationalstaatlicher Ebene tun. Da hat mein Kollege Stürzenbecher aber schon deutlich darauf hingewiesen, was da die Krücken sind, nämlich der Staatsbürgerschaftsvorbehalt, das Staatsgrundgesetz, und das ist eine Frage der österreichischen Bundesverfassung und müsste dann dort geregelt werden und nicht im Wiener Landtag. Das ist keine Frage. Ich erkenne momentan im Nationalrat keinerlei Bewegungen, da Veränderungen herbeizuführen. So gesehen ist es an sich kein Thema.
Zweitens: Man kann das auch anders regeln, indem man den Art 22 des Arbeitsvertrages der Europäischen Union ändert und erweitert, indem man nämlich hergeht und auf europäischer Ebene eine Änderung in der Partizipation der europäischen Bürger einführt. Das ist, denke ich mir einmal, auch der bessere Weg, in Reziprozität insgesamt eine Regelung der Europäischen Union zu schaffen. Nur dafür ist der Wiener Landtag überhaupt nicht zuständig, das möchte ich auch dazusagen. Das heißt, wenn man will, und ich bekenne mich ja dazu, dass die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union mehr Rechte erhalten, und das ist jedenfalls prioritär als gegenüber einer Rechtssetzung in Bezug auf Drittstaatsangehörige, das möchte ich auch sagen, dann ist wahrscheinlich der richtige Weg, das über den Weg der Europäischen Union zu regeln und dort im Primärrecht Veränderungen der Verträge herbeizuführen. Das geht schon und es ist auch die sauberste Lösung, weil es dann eine gleiche Regelung ist und sie in Reziprozität ist, keine Frage. (Abg Mag Johann Gudenus, MAIS: Ja, sehr sauber!) Na, Sie wollen es gar nicht, das ist schon wahr, weil Sie das alles nicht wollen, das ist richtig. (Aufregung bei der FPÖ.) Sie wollen, Purkersdorfer wählen Purkersdorfer und sonst niemanden, das ist schon wahr. Aber das ist ja nicht der Gedankengang der Europäischen Union. Dass Sie diese Europäische Union nicht wollen, das ist eine andere Geschichte, über das reden wir jetzt nicht. Wir reden über die Mechanik, wie ein Wahlrecht erzeugt werden kann oder nicht, und das hab ich Ihnen gerade versucht zu erklären. (Zwischenruf von Abg Mag Dietbert Kowarik.)
Herr Abg Kowarik, mechanisch funktioniert es so. Ob man es will oder nicht, ist eine andere Frage, das möchte ich sagen. (Weitere Aufregung bei der FPÖ.) Nein, das ist nicht richtig, weil eine Änderung des Primärrechts der Union schlägt das österreichische Bundesverfassungsrecht immer. Freilich, schauen Sie einmal nach. (Aufregung bei Abg Mag Dietbert Kowarik.) Aber das können wir uns dann überlegen, wenn es so weit ist.
Es ist aber nicht so weit, um zum Schluss zu kommen, und demzufolge gibt es momentan überhaupt keinen Grund zur Aufgeregtheit, weil der Weg zu einer Änderung des Wahlrechts in dieser Frage ist jedenfalls sicher ein längerfristiger und wird nicht übermorgen stattfinden. Danke, meine Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Präsident Johann Herzog: Die Aktuelle Stunde ist somit beendet. Die Abgen Mag Kowarik, Mag Gudenus und Blind haben gemäß § 30b der Geschäftsordnung zwei Gesetzesvorlagen betreffend Novellierung der Wiener Gemeindewahlordnung eingebracht. Diese beiden Anträge weise ich dem Ausschuss für Integration, Frauenfragen, KonsumentInnenschutz und Personal zu.
Nach Beratung in der Präsidialkonferenz nehme ich folgende Umstellung der Tagesordnung vor. Die Postnummern 7, 1, 2, 3, 4, 5,6 und 8 werden in dieser genannten Reihenfolge verhandelt. Gegen diese Umreihung wurde kein Einwand erhoben. Ich werde daher so vorgehen.
Postnummer 7 betrifft die erste Lesung der Vorlage eines Gesetzes, mit dem die Dienstordnung 1994, die 31. Novelle zur Dienstordnung 1994, die Besoldungsord
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