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Landtag, 15. Sitzung vom 01.10.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 13 von 26

 

kommt 280. Es ist also theoretisch möglich (Abg Mag Wolfgang Jung: Da hat Berlusconi ...), dass man mit 40 Prozent die absolute Mehrheit hat. Das wollen wir an sich nicht. Aber kein Mensch sagt, dass deshalb Italien kein demokratischer Staat wäre.

 

Polen, ein sehr erfolgreicher Reformstaat (Abg Mag Wolfgang Jung: Griechenland ist auch sehr modern ...), hat ein sehr kompliziertes Verhältniswahlsystem mit sehr deutlichen Mehrheitswahlelementen.

 

Slowenien hat ein Verhältniswahlrecht mit deutlichen Mehrheitswahlelementen.

 

Ungarn, das Ihnen ja besonders gefällt: Der dortige Regierungschef hat mit 52 Prozent der Stimmen mehr als zwei Drittel der Mandate und konnte deshalb die Verfassung so ummodeln, dass wirklich nicht mehr viel von Demokratie perspektivisch da sein könnte. Aber das gefällt Ihnen ja! Da habe ich noch nie einen Protest von Seiten der FPÖ gehört. - Also absolut ein gemischtes Wahlrecht mit ganz starken Elementen des Mehrheitswahlrechtes.

 

Spanien hat ein sehr verstärktes Verhältniswahlrecht mit deutlichen Elementen des Mehrheitswahlrechtes, ebenso Portugal.

 

Dann Frankreich als Land, wo die Französische Revolution ja mit dazu beigetragen hat, dass die Demokratie sich in Europa überhaupt erst durchsetzt und ihre Grundlagen hat (Abg Mag Wolfgang Jung: Meinen Sie damit die Guillotine?), hat ein Mehrheitswahlrecht, das sogenannte romanische Mehrheitswahlrecht, das sich dadurch auszeichnet, dass man im ersten Wahlgang in Einer-Wahlkreisen die absolute Mehrheit haben muss. Im zweiten Wahlgang dürfen nur die teilnehmen, die mindestens 12,5 Prozent der Wahlberechtigten im ersten Wahlgang hatten, und dort zählt dann die relative Mehrheit.

 

Großbritannien als durchaus außerordentlich lange, traditionsreiche Demokratie hat ein reines Mehrheitswahlrecht.

 

Deutschland und Litauen haben eine Stimme mit Mehrheitswahlrecht, die zweite gleicht das weitgehend aus, und Malta ähnlich.

 

Also wenn man jetzt die Wahlberechtigten in den Ländern zusammenzählen würde - ich sage es noch einmal -: Die Mehrheit der EU-Europäer lebt in einem System mit Mehrheitswahlrecht oder mit mehrheitsfördernden Elementen. Jetzt herzugehen und zu sagen, das ist alles scheindemokratisch oder nicht demokratisch, ist einfach absurd!

 

Man sei noch daran erinnert, dass die stärkste Demokratie der Welt, die USA, ein Mehrheitswahlrecht hat und dass die größte Demokratie der Welt, Indien, ebenfalls ein Mehrheitswahlrecht hat.

 

Also alle diese Länder, die ich jetzt aufgezählt habe und die gute Demokratien sind - es wäre äußerst arrogant, sie herabzuwürdigen -, haben Elemente, die um vieles weiter mehrheitsfördernd sind als unser sehr geringfügiges Mehrheitssystem, weil wir ja auch nach Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ein proportionales Wahlrecht in Wien haben.

 

Was ich jetzt ausdrücken will, ist: Dies immer irgendwie als undemokratisch darzustellen, ist einfach ein Blödsinn! Man kann sagen, wir wollen es nicht, denn wir hätten in einem anderen Wahlsystem die Chance auf ein, zwei Mandate mehr. Das ist legitim, denn es wird ja auch nicht eine Partei begünstigt, die SPÖ, sondern geringfügig die stärkste Partei. Das muss auch einmal gesagt werden. (Abg Mag Dietbert Kowarik: Zufällig ist das die SPÖ!)

 

Da sich aber von den Oppositionsparteien nie in den nächsten 50 Jahren jemand zutraut, stärkste Partei zu werden, ist es legitim, dass man sagt: Wir wollen das nicht! Genauso können wir sagen: Wir orientieren uns nicht an einem Mehrheitswahlrecht, schon nicht wegen unseres Koalitionspartners und unseres Koalitionsübereinkommens, aber wir orientieren uns an einem modernen Verhältniswahlrecht, wie wir es festgeschrieben haben. Das wird auch große Zustimmung finden! (Beifall bei der SPÖ.)

 

Damit haben wir dieses Thema jetzt hoffentlich einmal abgehandelt. Wobei noch einmal dazukommt, dass der Kollege Klubobmann der Freiheitlichen, Gudenus, gesagt hat, die letzte Wahl, wo wir die absolute Mehrheit hätten, hätten wir sonst nicht gehabt. Auch dort war es zum Beispiel so, dass wir 49 Prozent der Stimmen hatten, und die restlichen drei Parteien, die auch im Gemeinderat vertreten waren, zusammen 47,5 Prozent. (Abg Nurten Yilmaz: Ja!)

 

Es wird nämlich auch immer vergessen, dass es durch die 5-Prozent-Klausel, die natürlich als Klausel weitgehend unbestritten ist, auch eine gewisse Mehrheitsförderung gibt, die oft sogar stärker als das andere Element ist. Außer dem Klubobmann Ellensohn, dessen persönliche Meinung es war, dass man es so wie Holland machen will, gibt es wenige, die der Auffassung sind, dass man eine Klausel dieser Art nicht haben soll. - Also das auch noch hinzugefügt.

 

Gut, jetzt haben wir dieses Thema noch einmal ausführlich behandelt. Ich wäre sehr froh, wenn wir auf dieser fairen Ebene, wie es von ÖVP und GRÜNEN durchaus gekommen ist, weiterdiskutieren würden.

 

Was das kommunale Ausländerwahlrecht betrifft, will ich nicht viel Neues sagen, weil ich weiß, dass es in dieser Periode, fürchte ich, vergebliche Liebesmühe ist. Wir haben uns bestmöglich bemüht, wir haben es eingeführt. Der Verfassungsgerichtshof hat es anders gesehen. Wir brauchen eine Bundesverfassungsänderung, und dafür gibt es von Seiten der ÖVP wenig Zustimmung. Das ist bedauerlich. Wir werden es nach wie vor politisch betreiben.

 

Aber es ist auch eine Tatsache, dass es immerhin in Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Großbritannien, Irland, den Niederlanden, Portugal, Schweden, Spanien gewisse Formen des Zuwanderer- und Ausländerwahlrechts gibt, also über das EU-Wahlrecht hinaus. Wenn das bei uns derzeit nicht möglich ist auf Grund der Mehrheitsverhältnisse im Bund, muss man das zur Kenntnis nehmen.

 

Was mich noch mehr ärgert, zur Kenntnis zu nehmen - inhaltlich ist aber beides gleich wichtig, muss ich natürlich sagen -, ist, dass sozusagen die ÖVP gegen das

 

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