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Landtag, 16. Sitzung vom 03.10.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 29 von 40

 

Belastung für die Kundinnen und Kunden, die mit neuen Auflagen, schwierigeren Auflagen konfrontiert sind.

 

Irren ist menschlich. Irren ist auch staatlich. Nur der Staat tut sich ein bisschen schwer, Irrtümer zuzugeben. Es gibt in Österreich Menschen, die die österreichische Staatsbürgerschaft oder einen Reisepass oder beides haben, seit Jahrzehnten in Österreich wohnen und bei irgendeinem Gang zum Amt kommt heraus, dass dieser Ausweis, die Staatsbürgerschaft irrtümlich ausgestellt wurde und die Personen gar keine Staatsbürgerinnen oder Staatsbürger sind. Diese Menschen haben auch keine andere Staatsbürgerschaft. Also, sie sind staatenlos, ohne es gewusst zu haben. Jetzt spricht natürlich kein Grund dagegen, diesen Menschen die Staatsbürgerschaft sofort auszustellen. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Kein Grund, außer dem Gesetz, denn dies sieht für Putativösterreicherinnen und -österreicher keine vereinfachte Einbürgerung vor. Das heißt für sie, sich hinten anzustellen. Es könnte ja auch sein, dass Nachfahren von vertriebenen Sudetendeutschen nur Irrtumsösterreicher sind, weil der Pass irrtümlich ausgestellt worden ist.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, noch ein bedauerliches Faktum: Behinderte oder kranke Menschen erhalten keine Staatsbürgerschaft, wenn sie zu arm sind. Reiche Behinderte und Kranke bekommen sehr wohl die Staatsbürgerschaft. Das klingt nicht schön, ist es auch nicht. Die österreichische Staatsbürgerschaft wird nur Personen verliehen, die ein gesichertes Nettoeinkommen in bestimmter Höhe haben. Passiert ein Arbeitsunfall, ist es vorbei mit der Staatsbürgerschaft. Es ist nicht nur das Bein oder die Hand weg, genauso die Chance auf den österreichischen Pass. Die Behörde hat keinen Ermessensspielraum, bei Unterschreitung der gesetzlich geforderten Einkommensgrenzen in begründeten Fällen dennoch die Staatsbürgerschaft zu verleihen. Auch das ist weder logisch noch menschlich.

 

Apropos menschlich, viele Kinder werden unehelich geboren. Man sollte meinen, sie hätten keine Nachteile gegenüber ehelichen Kindern. Haben sie aber. Eheliche Kinder erhalten mit ihrer Geburt automatisch die Staatsbürgerschaft, uneheliche nicht. Erst bei Vorliegen aller gesetzlichen Voraussetzungen, Einkommensgrenze, Nachweis der Sprachkenntnisse, Zurücklegung der Staatsbürgerschaft der Mutter und so weiter, wird die österreichische Staatsbürgerschaft kostenpflichtig verliehen.

 

Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht kennt seit 1993 den erleichterten Wiedererwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Personen, die während der NS-Zeit verfolgt und zur Emigration gezwungen wurden. Im Exil geborene Kinder dieses Personenkreises sind jedoch unbegründet von dieser Möglichkeit ausgeschlossen. Übrigens, dieses Gesetz gibt es schon, Deutschland hat es schon gemacht, seit 1949, dass die zweite Generation der verfolgten Menschen, die emigrieren mussten, auch einen Anspruch auf einen erleichterten Zugang zur Staatsbürgerschaft hat.

 

Das Gleiche gilt für die Adoptivkinder. Die Adoption bewirkt nicht den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft. Einem Adoptivkind einer österreichischen Staatsbürgerin wird die Staatsbürgerschaft erst auf Antrag gebührenpflichtig verliehen. Und alle allgemeinen Einbürgerungsvoraussetzungen müssen erfüllt werden.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, noch eine unsinnige Regelung: Kurzfristige Unterbrechungen des rechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich in den letzten 6 Jahren, 10 Jahren, 15 Jahren führen zu einem Verlust der erworbenen Anwartsfristen für die Staatsbürgerschaft. Das heißt, Menschen, die für ihre Ausbildung oder wegen ihres Arbeitsverhältnisses im Ausland bleiben müssen, verlieren ihre Anwartschaft. Auch das finden wir nicht gerecht.

 

Ebenfalls ist ein bürokratisches Hindernis die gleich hohe Anforderung an Deutschkenntnissen für alle. Diese Anforderung sollte an die tatsächlichen Lebensverhältnisse angepasst werden. Ich frage mich manchmal, wie viele angestammte Österreicherinnen und Österreicher durch diesen Test fallen würden. Auf der anderen Seite: Wieso braucht eine Absolventin eines Hochschulabschlusses im deutschsprachigen Raum, welcher die Kenntnisse der deutschen Sprache voraussetzt, eine Deutschprüfung zur Erlangung der Staatsbürgerschaft? Das ist ein bürokratischer Unsinn. Genauso könnte man vom Quantenphysiker Zeilinger eine Physikprüfung auf Hauptschulniveau verlangen.

 

Der Staatsbürgerschaftstest ist ein reines Abprüfen von historischem Wissen. Lebensnahe und integrationsfördernde Maßnahmen nach dem Vorbild des Wiener Erfolgsprojektes „Start Wien" sind wesentlich nachhaltiger und wirkungsvoller.

 

Auf Grund dessen möchte ich jetzt einen Beschluss- und Resolutionsantrag mit meinen Kolleginnen und Kollegen Baxant, Berger-Krotsch, Ekkamp, Hursky, Matzka-Dojder, Rubik, Stürzenbecher sowie Akkilic, Hebein und Werner-Lobo einbringen und bitte um sofortige Abstimmung. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Präsident Johann Herzog: Zum Wort gemeldet ist Herr Abg Akkilic. Ich erteile es ihm.

 

11.54.15

Abg Senol Akkilic (Grüner Klub im Rathaus)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Anwältin Stoisits! Frau Anwältin Brinek! Herr Kostelka! Herzlich willkommen!

 

Ich kann mich den Danksagungen für die fundierte und gute Arbeit nur anschließen. Es ist eine sehr wertvolle Arbeit, die ich gerne lese und die auch mir neue Türen öffnet.

 

In dem Sinn darf ich sagen, dass der Hinweis auf die MA 35 und die Entwicklungen, insbesondere im Niederlassungs- und Aufenthaltsbereich beziehungsweise im Einbürgerungsbereich, von uns auch durchaus kritisch betrachtet werden. Da möchte ich unterstreichen, dass es uns ein großes Anliegen ist, weil wenn sehr viele Menschen zwei oder drei Jahre lang auf die Erledigung ihrer Verfahren, ihrer Anträge warten, so heißt das für diese Menschen, einfach in einer Sackgasse zu stecken und kein Leben mehr zu planen.

 

Da haben wir auch konkrete Schritte dafür gesetzt,

 

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