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Landtag, 16. Sitzung vom 03.10.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 30 von 40

 

wie wir diese Probleme lösen können. Da gilt ein herzliches Dankeschön an die Frau Hornschall von der MA 35. Wir haben hier eine Schnittstelle ins Leben gerufen, einen Projektleiter, der die Abläufe zwischen Innenministerium, der Fremdenpolizei und der zuständigen Magistratsabteilung koordinieren soll. Wir haben auf Grund der Einbürgerungssituationen ein Backoffice innerhalb der MA 35 errichtet, das sich vor allem anschauen soll, welche Altfälle es gibt, wie die Situation ist und wie wir das verbessern können. Wir haben auch ein Auge darauf, dass die Menschen rechtzeitig, innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist von sechs Monaten, eine Antwort bekommen.

 

Wie meine Kollegin Yilmaz erwähnt hat, sind aber diese Probleme keine hausgemachten Probleme. Das sind Probleme, die in der Regel auf Grund der Gesetzesnovellen auf Bundesebene an uns herangetragen werden. Innerhalb von fünf Jahren sechs oder sieben Mal Gesetze zu ändern, bedeutet für uns eine große Herausforderung, auch für die MitarbeiterInnen der MA 35 eine große Herausforderung. Hier gilt, von meiner Seite aus gerichtet, ein großes Dankeschön an die MitarbeiterInnen der MA 35. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Wie wir aber jetzt erfahren haben, gibt es aktuelle Bemühungen seitens des Innenministeriums, die Staatsbürgerschaftsnovelle noch einmal in Angriff zu nehmen. Es ist aktuell eine Arbeitsgruppe errichtet worden. Wie wir zu hören bekommen, soll Oktober/November eine Novelle zur Staatsbürgerschaft vorgelegt werden. Das ist, glaube ich, eine gute Gelegenheit für uns, sich den von Frau Yilmaz in unserem Namen vorgestellten Antrag ein bisschen genauer anzuschauen.

 

Ich möchte einmal damit beginnen, wieso für ältere MigrantInnen, ältere Menschen, die seit den 60er Jahren in Österreich leben, bei der Einbürgerung die B1-Prüfung erforderlich sein sollte. Ich möchte darauf hinweisen, dass, als diese Menschen nach Österreich geholt worden sind, nicht primär die Deutschkenntnisse abgefragt wurden, sondern deren Nutzen am Arbeitsmarkt. Das ist jahrelang so gegangen. Es sind oft auch keine Angebote für sie zur Verfügung gestellt worden. Es sind auch keine Deutschkenntnisse von ihnen gefordert worden. Diese Menschen haben großartige Arbeit für dieses Land geleistet, haben das Land mitgestaltet, zu unserem Wohlstand beigetragen. Wenn sie sich jetzt, nach 50 Jahren, entscheiden, um die österreichische Staatsbürgerschaft anzusuchen, stellt man eine Hürde, dass sie die B1-Prüfung ablegen müssen. Ich glaube, das ist diesen Menschen nicht zumutbar. Es ist auch unfair. Diese Hürde sollte in der neuen Staatsbürgerschaftsgesetzgebung abgeschafft werden. Unser Appell an die Bundesregierung ist, darauf besonders Rücksicht zu nehmen.

 

Eine ganz zentrale Frage stellt für mich der Umgang mit Kindern, die hier in Österreich geboren sind, dar. Sie wissen, dass die Mehrstaatlichkeit - so ist der Fachausdruck für doppelte Staatsbürgerschaft – zwei Mal Gegenstand des Europarates war, einmal 1963. 1963 hat der Europarat beschlossen, die Mehrstaatlichkeit zu verringern, weil gewisse zentrale Fragen in den Raum gestellt worden sind, wie es mit der Wehrpflicht wird, wenn jemand doppelte Staatsbürgerschaft hat oder wie es mit dem Wahlrecht und so weiter und so fort wird. Dieser Beschluss des Europarates hat aber nicht ausreichend Anhänger bekommen. So ist man 1997 hergegangen und hat einen neuen Beschluss gefasst. Nach diesem Beschluss wurde die doppelte Staatsbürgerschaft, die Mehrstaatlichkeit ermöglicht. Das hat einen wesentlichen Grund, weil die gesellschaftspolitische Entwicklung dahin gehend ist, dass Mehrstaatlichkeiten heutzutage Normalität geworden sind.

 

Österreich hat eine der strengsten Einbürgerungsregelungen - eine der strengsten Einbürgerungsregelungen! -, wenn wir über unseren Tellerrand drüberschauen, nach Deutschland oder in andere europäische Länder. Dort gibt es das automatische Erlangen der deutschen Staatsbürgerschaft zum Beispiel, die sogenannte Optionsmöglichkeit, die sogenannte Optierungsmöglichkeit, die seit 2000 in Deutschland gilt, die es den Kindern ermöglicht, bis zu ihrem 18. oder 23. Lebensjahr die doppelte Staatsbürgerschaft zu haben.

 

Welche Auswirkungen hat das für diese Leute? Das hat das Einbürgerungsamt in Deutschland auch erhoben. Nachdem die Menschen ab 18 beziehungsweise 23 sich entscheiden müssten, welche Staatsbürgerschaft sie haben wollen, haben sich 70 Prozent dieser Menschen für die deutsche Staatsbürgerschaft entschieden. 70 Prozent! Weitere 13 bis 15 Prozent haben gesagt, ich hätte gerne die doppelte Staatsbürgerschaft behalten. Und ein weiterer, minimaler Teil - ich glaube, 10 Prozent, 15 Prozent - hat gesagt: Ich möchte die Staatsbürgerschaft meines Herkunftslandes beziehungsweise des Herkunftslandes meiner Eltern behalten.

 

Meine Damen und Herren! Hier merken wir, wie behilflich die Einbürgerung beziehungsweise der automatische Erwerb der Staatsbürgerschaft einen Integrationsprozess fördern kann. Ich glaube, wir tun den Kindern, die hier geboren sind, unrecht, wenn wir ihnen ihre Entwicklung einschränken, indem wir ihnen sagen, du bist von einem Ausländer geboren, und du bleibst auch ein Ausländer.

 

Es ist ökonomisch auch ein Unsinn, weil wir für diese Kinder, alle gemeinsam, Kindergärten zur Verfügung stellen, Schulen zur Verfügung stellen, diesen Kindern es möglich machen, dass sie zu hochqualifizierten Arbeitskräften werden, diesen Kindern es möglich machen, Universitäten zu besuchen, und diesen Kindern es möglich machen, hier auch ihre Kraft und ihre Ideen einzubringen. In diesem Sinn, meine Damen und Herren, ist es für mich eine willkommene Geschichte, wenn wir diesen Kindern von Grund auf gleich die Staatsbürgerschaft mit auf den Weg geben.

 

Und allgemein gesehen: Wir haben uns jetzt mit dem Koalitionspartner darüber geeinigt, dass es ernsthaft überprüft werden soll. Aber meine Position, auch die

 

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