Landtag, 18. Sitzung vom 22.11.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 31 von 74
uns eigentlich einmal genau überlegen, was diese drei Buchstaben, ESM, in Wirklichkeit bedeuten und für Auswirkungen für uns haben. Ich bringe Ihnen dazu auch - denn sonst heißt es ja immer, das ist von den bösen Freiheitlichen und den Alarmisten - eine Stimme aus der „Kleinen Zeitung“.
Die „Wirtschaftswissenschaftlerin Eva Pichler warnt vor dem zweiten EU-Rettungsschirm und appelliert an das Parlament, ihn nicht zu ratifizieren.“ Das war vor den Verhandlungen. „Er könnte Österreich zahlungsunfähig machen.“ Das ist das, was ich damit gemeint habe: Wir haben die Verantwortung für Österreich und nicht für andere Staaten, wir kommen in schwierigen Zeiten (Zwischenruf von Abg Kathrin Gaal.) und müssen hier die Verantwortung wahrnehmen.
Sie sagt dann weiter: „Der ESM ist ein undemokratischer Knebelungsvertrag.“ Ein undemokratischer Knebelungsvertrag! „Er entzieht sich jeder Mitbestimmung und es droht Österreich, das heute mit ausgelagerten Schulden eine Verschuldung von 90 Prozent des BIP“ – 90 Prozent des BIP; wo, haben wir gehört, ist es bei Portugal kritisch geworden? Wir sind nicht mehr so weit weg davon, meine Damen und Herren! – „aufweist und Haftungen von rund 50 Milliarden übernommen hat, der Konkurs. Der ESM bedeutet für Österreich eine Haftung von weiteren 15 Milliarden und die Haftung kann ausgeweitet werden“ - ich werde darauf noch zurückkommen – „und wird es auch.“, sagt sie. „Österreich kann zahlungsunfähig werden. Es ist unakzeptabel, wenn Politiker erklären, dass am ESM kein Weg vorbeiführt. Der ESM soll am Bürger vorbeigeschummelt werden, weil Brüssel weiß, dass dies nur mit einer Überrumpelungsaktion“ - der wir heute zustimmen sollen, indirekt! – „möglich ist.“
Für Österreich errechnete das IFO aus den Zahlen eine Gesamthaftung von 80,7 Milliarden EUR. 42,6 Milliarden aus Verbindlichkeiten im Target-System, 5,9 Milliarden EUR wegen Staatsanleihenkäufen der EZB muss man auch einrechnen. Für das erste Griechenland-Paket haften wir mit 1,9 Milliarden EUR, für den ersten Rettungsschirm EFSF mit 8,3 Milliarden EUR, für den zweiten Schirm mit 19,5 Milliarden EUR. Dazu kommen Mittel des EFSM und IWF-Hilfe, für die wir auch mitzahlen, im Ernstfall mit 2,2 Milliarden EUR.
Meine Damen und Herren von der Regierung und auch von der ÖVP! Wird Ihnen nicht schwindelig bei diesen Zahlen? Können Sie das verantworten, was hier auf uns zukommt? Frau Pichler ist keine FPÖ-Alarmistin, sie warnt aber, wie sie gesagt hat, in überdeutlichen Worten vor einer Überrumpelungsaktion.
Wer die Brüsseler Vorgänge schon seit Jahren mitverfolgt, dem ist klar: Hier wird doch schon lange über uns alle drübergefahren! Und unsere Regierung spielt aus Verzweiflung mit - weil Sie hoffen, gerade noch einmal über die Runden zu kommen.
Würde ich sagen, wir werden belogen, bekäme ich einen Ordnungsruf. Daher zitiere ich den Chef der Eurogruppe, Claude Juncker, der der Strippenzieher bei allen diesen Manipulationen ist. Er sagt zwei sehr bezeichnende Sachen über diese Geschichten, meine Damen und Herren: „Nichts sollte in der Öffentlichkeit geschehen. Wir sollten in der Eurogruppe im Geheimen diskutieren.“ (Abg Kathrin Gaal: Na sicher!)
Wir, die Parlamente (Zwischenruf von Abg Kathrin Gaal.), die kontrollieren sollen, sollen nichts wissen! Die sind die Obergescheiten - natürlich, Frau Kollegin! Der Herr Kanzler fährt ja auch nicht nur nach Brüssel, er fährt auch zu den Bilderbergern und zu anderen, dorthin, wo die Strippenzieher sitzen. (Beifall bei der FPÖ.)
Oder, sagt der oberste Euro-Hüter, Herr Juncker: „Die Dinge müssen geheim und im Dunkeln getan werden. Wenn es ernst wird, müssen wir lügen.“ - Es ist zur Zeit ernst, meine Damen und Herren, wir werden belogen, hinten und vorne! (Beifall bei der FPÖ.)
Wirklich ein ehrenwertes Mitglied dieser Dunkelmänner! Da darf man sich nicht wundern, wenn in der Bevölkerung Stimmen gegen den Club of Rome, Bilderberger und ähnliche Gruppierungen laut werden, meine Damen und Herren. (Abg Kathrin Gaal: Meine Güte!) Ja, ich weiß, der alte jesuitische und Freimaurer-Grundsatz, „Der Zweck heiligt die Mittel.“, wird hier beachtet, meine Damen und Herren. Aber ich sage Ihnen, der Zweck heiligt nicht immer die Mittel. Vor allem dann nicht, wenn die anderen mit unseren Mitteln herumfuhrwerken und sie mit beiden Händen hinauswerfen! Das kann ich Ihnen sagen. (Beifall bei der FPÖ.)
Der US-Politikwissenschaftler und Rechtswissenschaftler Stephen Holmes sagt richtig in dem Buch „Phänomen der diskreditierten Demokratie“, die Menschen verlieren das Vertrauen in die Demokratie, und er nennt dazu sieben Gründe. Einer dieser Gründe ist der: Viertens regiert das Prinzip der Lüge in der Politik. (Abg Kathrin Gaal: Das stimmt!) Politiker lassen ihr Wahlvolk über entscheidende Dinge im Unklaren.
Zum Beispiel bei uns über den Souveränitätsverlust der Nationalstaaten in der EU - sie lassen das Wahlvolk im Unklaren! Manche, wie Herr Juncker, sagen das ja noch deutlicher (Abg Kathrin Gaal: Das haben Sie zu oft gelesen!): Wenn wir etwas umsetzen wollen, dann fangen wir einmal an, in keinen Stücken, und wenn wir dann merken - so in etwa hat er gesagt -, dass es durchgeht, dann machen wir das still und heimlich über die Leute hinweg. Das ist ... (Zwischenruf von Abg Kathrin Gaal.) Ja, das hat er gesagt! Sie können es nachlesen, Frau Kollegin, wenn Sie es nicht schon getan haben. Oder Sie können in der Bundesregierung nachfragen. Die wissen sicher, was der Herr Juncker da an Sprüchen von sich gegeben hat. Sie kursieren ja auch zur Genüge.
Was ist also der Zweck des Ganzen? Vordergründig heißt es, Griechenland und die Pleitestaaten im Euro zu halten. Zahlen sollen dafür einige wenige Nettozahler, Deutschland, Finnland, die Niederlande, Österreich und am Rande auch - es wäre eigentlich ein hoher Mitnettozahler - Frankreich. Darauf werde ich aber noch zu sprechen kommen.
De facto - und da stimme ich mit dem Kollegen vor mir überein - saniert wurden in erster Linie die Banken, das ist richtig, und die dahinterstehenden Spekulanten. Da hat er leider recht. Auf Kosten der Steuerzahler - und jetzt soll die nächste Sanierung auf Kosten der Steuerzahler erfolgen! Es werden wieder nicht diejenigen, die
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