Landtag, 19. Sitzung vom 13.12.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 8 von 46
sagen kann, das sei alles rechtes, nationales Gedankengut. Jetzt konnte ich aber den Medien entnehmen, dass die SPÖ, in dem Fall auch die Frau Brandsteidl, anscheinend hier eine Kehrtwende gemacht haben und auch bestätigen, dass Wien so schlecht abschneidet, weil eben in Ballungszentren viele Migranten wohnen.
Da frage ich mich: Wandelt jetzt die SPÖ auch auf diesem dunklen Pfad des rechten Gedankenguts, oder haben Sie eingesehen, dass Sie sich eigentlich mit diesen jahrelangen Vorwürfen geirrt haben und die FPÖ mit ihren Standpunkten recht behalten hat?
Präsident Prof Harry Kopietz: Herr Stadtrat.
Amtsf StR Christian Oxonitsch: Es ist jetzt wahrscheinlich schwierig, im Rahmen einer Fragestunde wieder in diesen Diskurs unmittelbar einzusteigen. Aber wenn man die Studie lesen würde – darum habe ich gesagt, ich hoffe, Sie haben die ganze Studie auch wirklich gelesen –, dann ist es ja auf der einen Seite eine Binsenweisheit, dass eben sozioökonomische Rahmenbedingungen – wobei Migrantinnen und Migranten bekanntermaßen nicht zu den Bessergestellten zählen – durchaus Bildungsqualität, aber auch Bildungserfolg und Bildungsbiographien unmittelbar beeinflussen.
Daraus die Ableitung zu machen, die einen sind schuld am anderen, ist in dem Zusammenhang der völlig falsche Ansatz. Denn wenn ich mir nur die Statistik ansehe, wo Sie ja quasi durchaus auch in einem gewissen Bereich Regierungsverantwortung haben, und wenn ich mir anschaue, wo ist der Erwartungswert, wo liegt Wien, wo liegt Kärnten, wo liegt Oberösterreich – Anerkennung auch an Oberösterreich –, dann weiß ich nicht, ob dieser Faktor für dieses schlechte Abschneiden so weit unter dem Erwartungshorizont da unten eine Rolle spielt, um jetzt einmal das südliche Bundesland zu nehmen.
Also insofern bin ich wirklich für die seriöse Auseinandersetzung. Das war uns immer ganz besonders wichtig. Es geht um sozioökonomische Rahmenbedingungen, die Familien mitbringen, und es geht auch darum, dass gerade Familien mit Migrationshintergrund in diesem Bereich durchaus schlechter gestellt sind. Daher ist es ganz besonders wichtig, in diesem Bereich Maßnahmen zu setzen. Wenn Sie daraus ableiten, Migrantinnen und Migranten seien schuld am schlechteren Schulerfolg, dann sage ich Ihnen nur, lesen Sie bitte auch den Diversitätsmonitor. Ich weiß, Sie wollen es nicht so gerne, aber lesen Sie diesen. Gerade dort, wo sich Bildungsbiographien ableiten lassen, zeigt sich, dass – im Gegensatz zu allen anderen Gesellschaftsgruppen – es noch Bildungserfolg und Bildungsaufstiegsszenarien in Wien gerade in der Gruppe der Migrantinnen und Migranten gibt, wo durchaus die Kinder und Jugendlichen mit besserer Bildung aussteigen als deren Eltern. Das ist durchaus etwas, was in anderen Gruppen ... (Abg Mag Wolfgang Jung: Na, das ist ein Argument!) Na ja, das ist nicht so unwesentlich.
Wenn man darüber schon diskutiert, dass es nicht wesentlich ist, dass es im Bereich der Bildung durchaus auch um Aufstieg geht und das eine zentrale Zielsetzung ist, und wenn man darüber lachen kann, Herr Kollege Jung, dann brauchen wir über Bildungspolitik mit Ihnen wirklich nicht zu diskutieren. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Präsident Prof Harry Kopietz: Danke, Herr Stadtrat. – Die 3. Zusatzfrage stellt Frau Abg Ing Leeb. – Bitte, Frau Abgeordnete.
Abg Ing Isabella Leeb (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Ich würde mich freuen, wenn wir jetzt wieder zur Sachlichkeit zurückkommen könnten, weil es wirklich dramatisch ist, was wir da in der vergangenen Woche schwarz auf weiß präsentiert bekamen. Und natürlich haben die Eltern in Wien ganz zu Recht den Wunsch, dass die Ganztagesbetreuung ausgebaut wird, das ist ganz klar. Wir haben Gott sei Dank auch einen hohen Anteil an Frauen in Wien, die erwerbstätig sind, und es ist einfach ganz klar – Sie haben es auch angesprochen mit der Volksbefragung – ein Wunsch der Bevölkerung.
Nur sind das halt alles Zukunftsvisionen. Sie haben es ja selber gesagt, wir arbeiten jetzt langsam auf einen flächendeckenden Ausbau hin. 2017 wollen wir den erreichen. Ein sehr ambitioniertes Ziel. In Wahrheit ist es aber so, dass die Eltern in Wien nicht nur den Wunsch haben, dass die Kinder ganztägig gut betreut werden, sondern sie haben den verständlichen Wunsch, dass ihre Kinder am Ende der Pflichtschule auch schreiben, rechnen und lesen können. Nur allzu verständlich, denn die Bildungsverlierer von heute landen im Sozialsystem, und das kann für uns alle zu einem wahnsinnig großen Problem werden.
Deswegen meine sehr konkrete Frage. Wir haben jetzt den Gratiskindergarten, wir haben die Pläne für einen Ausbau einer ganztägigen Betreuung in Wiens Schulen. Das sind alles Dinge, die Generationen in der Zukunft, so hoffe ich, zu Gute kommen. Aber was, Herr Stadtrat, werden Sie als verantwortlicher Bildungsstadtrat gemeinsam mit der Wiener Stadtschulratspräsidentin Brandsteidl aktuell unternehmen, um es den Kindern, die jetzt im Pflichtschulsystem sind und noch nicht Nutznießer Ihrer Pläne sein können, zu ersparen, dass sie via Anruf bei der „Kümmer-Nummer“, via Ausflug über die Ausbildungsgarantie dann mittel- und langfristig doch wieder im Sozialsystem leben? Was werden Sie tun? Jetzt? Aktuell?
Präsident Prof Harry Kopietz: Herr Stadtrat.
Amtsf StR Christian Oxonitsch: Also auf jeden Fall einmal ganz grundlegend weiterhin dafür kämpfen, dass wir zu jener grundsätzlichen Veränderung des Bildungssystems kommen, auch wenn es ein langfristiges Projekt ist. Wir sind ja jetzt bei diesen Tests, bei diesen Bildungsstandards durchaus konfrontiert mit jenen Kindern beziehungsweise jetzt schon Jugendlichen, die eben vor acht, neun und zehn Jahren durch das Schulsystem gelaufen sind.
Das muss man sich durchaus einmal auch ein bisschen vor Augen führen, dass dem gerade viele der Maßnahmen dienen, die ja zum Glück jetzt und trotz vieler, langer Blockaden auch in dem Zusammenhang auf die Reise gebracht werden konnten. Dazu gehört der Ausbau der Neuen Mittelschule, die wir sehr stark gerade im heurigen Jahr forciert haben und auch im nächsten Jahr vorantreiben werden, sodass wir dann alle öffentlichen
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