Landtag, 21. Sitzung vom 07.01.2013, Wörtliches Protokoll - Seite 19 von 30
flüchtling kann grundsätzlich kein Asyl gewährt werden. Das hieße ja so etwas wie ein Bleiberecht für alle, eine Einladung, einfach dort hinzukommen, wo die Verhältnisse besser sind.
Sehr geehrte Damen und Herren von den Grünen! Ich erwarte mir von Ihnen, dass Sie sich von diesen sechs Forderungen, die nicht erfüllt werden können, distanzieren, sonst leisten Sie der Asylpolitik und vor allem den leidenden Menschen in der Votivkirche einen Bärendienst. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsidentin Marianne Klicka: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg Mag Werner-Lobo. Ich erteile es ihm.
Abg Mag Klaus Werner-Lobo (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Besucher und Besucherinnen auf der Galerie, insbesondere auch die Flüchtlinge, die sich hier auf der Galerie versammelt haben!
(Abg Werner-Lobo eröffnet seine Rede in englischer Sprache, womit er sich vornehmlich an die Personen auf der Galerie wendet. – Es erfolgen mehrfach Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP, die ihn auffordern, er möge Deutsch reden. – Abg Mag Wolfgang Jung: Frau Vorsitzende! Was ist los, Frau Vorsitzende? Geschäftsordnung!)
Präsidentin Marianne Klicka (unterbrechend): Ich ersuche Sie, die deutsche Sprache zu verwenden. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Abg Mag Klaus Werner-Lobo (fortsetzend): Wir erleben gerade, meine Damen und Herren, einen historischen Moment in Wien. Viele von uns sind damit überfordert. Viele von uns, auch jene, die immer für eine sozial gerechte, weltoffene und respektvolle Gesellschaft eingetreten sind, sind überfordert mit der Tatsache, dass da auf einmal Menschen kommen, Verfolgte, Flüchtlinge, die nicht als Bittsteller und Bittstellerinnen auftreten (Abg Mag Wolfgang Jung: Nein, die fordern!), die nicht das Haupt neigen, wenn es um Asyl, um Hilfe, um Obdach geht, sondern die Forderungen stellen (Abg Mag Wolfgang Jung: Ja, Forderungen!), Forderungen, die von vielen als überzogen wahrgenommen werden, weil sie nicht in unser Bild von Bittstellern, von Gästen, von verfolgten Armutschkerln passen.
Weil sie leben wollen und nicht nur überleben, weil sie nicht nur versorgt werden wollen, ja, in Wahrheit gar nicht versorgt werden wollen, und weil sie auch kein Mitleid wollen, Herr Abg Ulm, sondern Arbeit, Bildung, Selbstbestimmung, Lebensperspektiven und freie Ortswahl, ja, überhaupt Freiheit verlangen. Weil sie weder vom Staat noch von wohlmeinenden Hilfsorganisationen versorgt und bevormundet werden wollen, sondern, im Gegenteil, selbst ihren Beitrag zum Gemeinwesen, zu diesem unseren Staat leisten wollen, mit allen Rechten und Pflichten. Weil sie genau das wollen, was wir alle für uns selbst, für unsere Freunde und Familien wollen.
Und weil sie das nicht leise und gesenkten Hauptes vortragen, sondern laut im Zentrum der Republik, im Votivpark und seit zweieinhalb Wochen in der Votivkirche, wo man sie nicht übersehen kann, wo man nicht wegschauen kann, wo man nicht daran vorbei kann, wenn wir nicht die letzten Festen der Zivilisation aufs Spiel setzen wollen. Weil sie, um nicht wieder unsichtbar und übersehbar zu werden, ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen, einen Hungerstreik begonnen haben, der nicht nur ihre eigene Existenz und Gesundheit in Frage stellt, sondern als sichtbares Zeichen ihrer selbstgewählten Bestimmung auch den zivilisatorischen Charakter unserer Demokratie, der humanistischen Grundlage unseres Landes in Frage stellt.
Das alles, meine Damen und Herren ist schwer erträglich. Das alles fordert auch die Wohlmeinenden unter uns heraus. Niemand, der nicht sein eigenes Leben riskiert, kann es reinen Gewissens befürworten, dass andere ihr Leben und ihre Gesundheit aufs Spiel setzen. (Abg Mag Wolfgang Jung: Es sollen also ihre Forderungen erfüllt werden? Das hätten Sie gerne!) Niemand von uns, die wir ein Zuhause, einen vollen Kühlschrank und eine gesicherte Existenz haben, kann einen Hungerstreik befürworten. Und gerade deswegen muss uns ein solcher Hungerstreik vor Augen führen, dass er der Ausdruck der Verzweiflung von Menschen ist, die nichts mehr zu verlieren haben, und wir sollten uns fragen, warum es dazu in einem der reichsten Länder dieser Welt mit einer in Wahrheit lächerlich geringen Anzahl von Asylanträgen kommt. (Abg Mag Wolfgang Jung: Was passiert, wenn wir nachgeben?) Herr Jung, Sie haben sich ja schon zu Wort gemeldet.
Es sind etwas über hundert Flüchtlinge, die derzeit in Wien um das Recht kämpfen, als Menschen und nicht als Tiere behandelt zu werden. (Abg Mag Wolfgang Jung: In der Nacht ist niemand von Ihnen in der Kirche! Erzählen Sie keine Märchen!) Der Ball liegt nun bei der Innenministerin, und ich appelliere an Sie, Frau Ministerin Mikl-Leitner, nehmen Sie die Forderungen ernst. Geben Sie diesen Menschen die Möglichkeit, legal in Österreich zu leben und ihren Beitrag zu dieser Gesellschaft zu leisten. Geben Sie ihnen die Möglichkeit, zu arbeiten, sich zu bilden, menschenwürdig zu wohnen und sich ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Am schönsten hat es bei der Pressekonferenz in der Votivkirche am Donnerstag einer der Flüchtlinge selbst gesagt: „Wir stellen keine Forderungen, sondern bieten Lösungsvorschläge für die Schwachstellen im Asylsystem Österreichs an.“
Und ich appelliere an uns selbst als verantwortliche Politikerinnen und Politiker der Weltstadt Wien: Bieten wir diesen Menschen alle nur erdenkliche Unterstützung in ihrem Bedürfnis, als Menschen wahrgenommen zu werden (Abg Mag Wolfgang Jung: Wie viele Quartiere bieten die Grünen an?), sich zu artikulieren, sichtbar zu bleiben und sich als Wienerinnen und Wiener zu fühlen. Etwas Besseres kann uns gar nicht passieren, als dass Menschen in diese Stadt kommen, die selbstbestimmt leben und ihren Beitrag leisten wollen. (Abg Mag Wolfgang Jung: Bieten Sie ihnen Ihr Zuhause an?) Das ist gut für uns alle, für unsere Demokratie, für unsere Menschlichkeit, für unsere internationale Reputation als offene, moderne Metropole. – Ich danke Ihnen sehr herzlich. (Beifall bei den GRÜNEN und von Zuhörern auf der Galerie. – Abg Mag Wolfgang Jung: Und niemand
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