Landtag, 26. Sitzung vom 27.06.2013, Wörtliches Protokoll - Seite 44 von 75
ditvergaben. Die Banken haben einander im Interbankverkehr schon damals nicht mehr getraut, und es hat auch einen Verlust des Vertrauens der Bevölkerung in die Banken gegeben. Es war nicht mehr ganz sicher, ob Sparguthaben wirklich geschützt sind. So haben zum Beispiel auch die Vorgänge in Zypern gezeigt, wie schnell ein Bank-Run ausgelöst werden kann.
Damals wurden in Deutschland und Österreich die Spareinlagen in unlimitierter Höhe garantiert, und damit wurde eigentlich nicht nur fünf vor zwölf, sondern wahrscheinlich – die Situation in Deutschland war damals wirklich sehr dramatisch – eine Sekunde vor zwölf ein echtes Zusammenkrachen unseres Bankensystems abgewendet.
Über die Ursachen für dieses gesamte Dilemma wird seit 2008, also seit fünf Jahren, umfangreich diskutiert. Ich glaube, die Erklärungsversuche füllen einstweilen Bände.
Sicher ist, dass es eine Abkoppelung zwischen Real- und Finanzwirtschaft gegeben hat. – Das ist übrigens ein Problem, mit dem wir uns, glaube ich, in den letzten Jahren auch als Gesetzgeber gar nicht ausreichend auseinandergesetzt haben. – Um es auf einen sehr plakativen Punkt zu bringen: Mit reinen Finanzgeschäften war über Jahre ganz einfach wesentlich mehr Geld zu verdienen als mit der herkömmlichen Produktion oder mit Dienstleistungen. Und gab es früher an der Spitze der Anlagenpyramide – also der verschiedenen Produkte der Bankwirtschaft – Anleihen, Aktien und eventuell als Exoten sogenannte Optionen, so wurden in den letzten 25 Jahren völlig neue Produkte erfunden, und zwar besonders gefährliche Produkte, weil mit diesen nicht nur ein Totalverlust des eingesetzten Kapitals, sondern auch darüber hinaus gehende Haftungen verbunden sein können.
Man kann davon sprechen, dass gerade die 2000er Jahre ein Jahrzehnt der derivativen Finanzprodukte waren. Dabei muss man aber sagen, dass man auch bei derivativen Finanzprodukten zwischen – unter Anführungszeichen – guten und schlechten beziehungsweise abstrakten oder konkreten Absicherungsgeschäften unterscheiden kann. So etwas hat es unter Kaufleuten natürlich schon immer gegeben, etwa eine Absicherung mit Fremdwährungskrediten bei Exporteuren und Firmen im Energiebereich. Auch bei Luftlinien wurde das gehandhabt, denken wir nur an die Austrian Airlines oder andere Luftlinien, die jahrelang den Kerosineinkauf immer wieder – unter Anführungszeichen – gehedget, also abgesichert haben.
Wenn das mit einem Grundgeschäft verbunden ist, dann hat das durchaus seine Berechtigung. Diese Produkte wurden aber auf einmal zweckentfremdet und zu einem eigenständigen Leben ohne Grundgeschäft erweckt. Dafür gibt es die verschiedensten Namen, und ich quäle Sie jetzt nicht damit, um meine Weisheit unter Beweis zu stellen, sondern weil ich wirklich einmal die Komplexität des gesamten Themas aufzeigen und daraus dann meine Schlussfolgerungen ableiten möchte.
Was Amerika nach der Lehman-Pleite letzten Endes an den Rand des Ruins getrieben hat, waren die sogenannten ABS, die sogenannten Asset-backed Securities. Das sind Hypotheken, die – wie die Fachsprache es bezeichnet – verbrieft und in einen Fonds eingebracht werden. Damit wird von den Banken das Risiko dieser Hypotheken aber letzten Endes an den Kunden weitergegeben. Und das haben die Amerikaner nicht nur in Amerika gemacht, sondern das haben amerikanische Investmentbanken im großen Stil – unter Anführungszeichen – in die ganze Welt exportiert, also weltweit an ihre Kunden verkauft, so auch an kleine Sparkassen in Europa oder auch an Kommunen.
Es gibt dafür die verschiedensten Abkürzungen, die Amerikaner lieben ja Abkürzungen, die meist aus drei Buchstaben bestehen. Eine der beliebtesten Formen – bei dieser Bezeichnung sind es allerdings vier Buchstaben – ist der sogenannte SWAP. Das ist nichts anderes als eine Vereinbarung zum Austausch zukünftiger Cash Flows. Der SWAP – und das ist das Entscheidende – ist immer eine Spekulation auf den Eintritt eines gewissen zukünftigen Ereignisses.
Ein SWAP ist also nichts anderes als eine Wette. Man kann ein derartiges Produkt, ähnlich wie im Wettgeschäft bei einem Buchmacher, an 100 000 verschiedene wirtschaftliche Zusammenhänge knüpfen. Man kann es an den Gaspreis koppeln, man kann es an Währungen koppeln, man kann es an Getreide oder an die berühmten Schweinebäuche koppeln. Da ist sozusagen alles möglich. Man kann aus allem ein solches Geschäft machen.
Es muss dabei immer einen geben, der eine solche Wette anbietet und sagt, ich möchte darauf wetten. Und ein anderer muss das annehmen. Im Zuge des BAWAG-Prozesses hat sich interessanterweise gezeigt, dass das Geld bei einer solchen Wette nie weg ist, sondern nur die Seiten wechselt. Und so verhält es sich auch bei den SWAP-Geschäften. Wenn eine Kommune 400 Millionen – unter Anführungszeichen – verliert, dann heißt das nicht, dass sich das Geld in Luft aufgelöst hat, sondern dass das Geld den Besitzer gewechselt hat.
Hinter diesen Produkten stehen hochkomplizierte Formeln, und die Risikoberechnung ist auch extrem kompliziert. Experten sagen, dass in ganz Amerika nur einige wenige Dutzend Leute verstanden haben, welche komplexen Formeln wirklich dahinterliegen.
Man hat sich da sozusagen in eine Sache – wie ich jetzt sagen möchte – hineingerechnet, als man vor einigen Jahren gemeint hat, durch diese Verbriefung und durch diese Bündelung von Risken ein fast risikoloses Geschäft auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt erzeugen zu können. Das war immer – und das war der Grundfehler – getragen von einer retrospektiven Betrachtung der Entwicklung der amerikanischen Immobilienmärkte. Man hat alles in Rechenmodelle eingepreist, und zwar immer unter Berücksichtigung der bisherigen Schwankungsbreiten des amerikanischen Immobilienmarktes. Dass dieser einmal so einbrechen wird, wie es dann 2007/2008 tatsächlich der Fall war, ist in dieses Modell nicht eingeflossen.
Durch die anscheinende Risikolosigkeit des Geschäftes wurden immer mehr Produkte erfunden, und immer
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