Landtag, 30. Sitzung vom 25.03.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 10 von 34
zu beseitigen. Sie haben das ja auch schon bei der letzten Fragestellung gesagt, und ich glaube, dass es da auch wirklich drängt. Ich glaube auch nicht, dass es sich um ein dürres Thema handelt, sondern um ein elementares Thema, wie Parlamentarismus in diesem Haus funktioniert. Es kann ja nicht sein, dass der Gemeinderat als höchstes Organ der Gemeinde Wien, der die Oberaufsicht über die gesamte finanzielle Gebarung hat, in mehr als der Hälfte aller Bereiche der Gemeindeverwaltung, der kommunalen Daseinsvorsorge nicht einmal ein Fragerecht hat. Wir können nicht fragen zu Wien Gas, zu Wien Strom, zu den Wiener Linien, zur Bestattung Wien, zur Stadthalle, zu den Vereinigten Bühnen Wien, zu ebs, zum Wiener Hafen, zur Wirtschaftsagentur, zum Fonds Soziales Wien, zum Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser. Also, da stimmen die Konstruktion und die Balancen in der Wiener Stadtverfassung nicht mehr. Daher glaube ich, dass es wirklich sehr eilig wäre, hier zu einer Lösung zu kommen und frage Sie daher, in welchem Zeitraum diese Gespräche stattfinden sollen und wann es auch zu einem Ergebnis kommen sollte.
Präsident Prof Harry Kopietz: Herr Landeshauptmann.
Lhptm Dr Michael Häupl: Die ersten Gespräche der Fachleute haben natürlich schon stattgefunden, sonst hätte ich Ihnen nicht diese Auskunft geben können, die ich ja nicht aus eigener Wissensvollkommenheit hier dargelegt habe. Mit Sicherheit geht es darum, zu einem möglichst einheitlichen Standpunkt zu kommen, und in Folge gesehen werden dann wiederum die politischen Gespräche zu führen sein. Damit sind wir aber erst auf der Wiener Landesebene, und da haben wir noch nicht wirklich etwas durchgesetzt. Nichtsdestotrotz, ich bin ohnehin der Auffassung, dass das Thema Fragerecht eines sein sollte, das eine mit allen Fraktionen zu führende Diskussion ist. Denn nach den Bestimmungen, die bei uns über das Fragerecht festgelegt sind, in Hinblick auf den eigenständigen Wirkungsbereich der Gemeinde, gibt es immer wieder Ausreißer – um das sehr freundlich zu sagen – in der Zulassung oder Nichtzulassung von entsprechenden Fragen. Hier herzugehen und zu sagen, der Wirkungsbereich in der Gemeinde ist offensichtlich höher als in den bisher festgelegten gesetzlichen Rahmenbedingungen, das scheint mir mindestens ebenso wichtig zu sein - was jetzt die Frage der Betriebe betrifft. Es bleibt aber dabei, ich sage es noch einmal: Für mich ist zunächst die sachliche, ebenso die wirtschaftliche wie die juristische Problematik zu klären. Und das ist zur Stunde nicht geklärt. Sorry.
Präsident Prof Harry Kopietz: Danke, Herr Landeshauptmann. Wir kommen damit zur 2. Zusatzfrage, die von Herrn Abg Ellensohn gestellt wird. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abg David Ellensohn (Grüner Klub im Rathaus): Herr Bürgermeister, es ist immer interessant, einem Juristen wie dem Herr Ulm zuzuhören, wenn er die juristischen Ausführungen macht. Nachdem ich kein Jurist bin, muss ich mich mehr mit meinem Hausverstand darüber trauen und sage einfach, wie es mir geht, zwischendurch bei den Fragen. Es ist tatsächlich schwer verständlich, warum in einem Ausschuss etwas nicht gefragt werden kann, dann darf es in der Fragestunde nicht kommen, dann kommt es aber im Redebeitrag trotzdem und es wird eh darauf geantwortet. – Es ist also nicht sehr durchsichtig für einen Nichtjuristen, wann er etwas sagen darf und wann nicht. In Wahrheit erblickt aber alles das Licht der Öffentlichkeit, da hat sich ja doch in den letzten paar Jahrzehnten viel geändert. Das ist sicher nicht der einzige Webfehler. Wenn wir schon hergehen und sagen, wir werden diesen systemischen Webfehler beheben – ich glaube, ich werde diesen Begriff irgendwann auf ein T-Shirt hinaufpicken, so oft wie ich den hier gehört habe, denn ich bin mir nicht sicher, ob die Bevölkerung sofort versteht, was das ist, obwohl wir auch daran gearbeitet haben –, sollten wir dann nicht prinzipiell auch einmal hergehen und die Sprache in allen Aktenstücken, et cetera vielleicht an das 21. Jahrhundert anpassen? Denn vieles liest sich so, dass es gut zum Haus passt, das ja auch nicht aus diesem Jahrhundert stammt, aber ich bin mir nicht sicher, dass alles so verständlich ist, dass man es zu einem Stammtisch mitnehmen kann. Das gilt auch für Anträge, die wir alle selber hier stellen. Sollten wir uns nicht bemühen, eine Sprache zu verwenden, die nicht ausschließlich von Herrn Ulm und von seinem Berufsstand verstanden wird?
Präsident Prof Harry Kopietz: Bevor ich den Herrn Landeshauptmann bitte, die Frage zu beantworten, darf ich noch den in der Zwischenzeit eingetroffenen Bundesrat Pisec recht herzlich begrüßen und darf ihn bitten, hier vorne auch Platz zu nehmen. – Herr Landeshauptmann. (Allgemeiner Beifall.)
Lhptm Dr Michael Häupl: Zunächst einmal, das Nicht-Juristen-Sein teilen wir ja, was uns ja möglicherweise den Zugang zur Sprache oder zur Vermittlung etwas erleichtert, denn bekanntlich entsteht ja die Botschaft beim Empfänger. Aber ich darf dir versichern, in diesem Themenfeld verstehen auch Juristen das oft nicht. Was auch nachvollziehbar ist, denn im Grunde genommen ist hier eine Rechtsbestimmung, die sich von der parlamentarischen Wirklichkeit, aber natürlich auch der Wirklichkeit außerhalb des Hauses erheblich abhebt. Ich habe das als einen systemischen Webfehler bezeichnet, im Bewusstsein dessen, dass das auch kein massentaugliches Argument, aber sozusagen als Arbeitstitel für uns durchaus auch entsprechend brauchbar ist.
Ich bin ein großer Anhänger dessen, auch juristische Bestimmungen möglichst nahe an die Wirklichkeit heranzuführen. Denn es ist ja nicht nur im Strafrecht so, dass sich, wenn man hier Rechtsbestimmungen hat, diese fernab der Wirklichkeit abspielen, dass es dann totes Recht wird oder in Gefahr gerät, totes Recht zu werden. Und das ist das Allerletzte. Daher glaube ich, das ist etwas, was man im Sinne des Rechtsstaates nirgendwo wünschen kann. Daher macht es durchaus auch Sinn, den vergleichsweise einfacheren Teil von der Sache her auch bei uns entsprechend zusammenzuführen.
An der Fragestellung „Wie formuliere ich Gesetze, damit auch Nichtjuristen sie verstehen?“ haben sich
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