Landtag, 42. Sitzung vom 21.09.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 11 von 25
Außenminister – bist du narrisch –, der sogar Rechtliches durcheinanderwirbelt, der öffentlich sagt – als Außenminister –, dass für Flüchtlinge, die auf der Balkanroute unterwegs sind, Griechenland zuständig ist, obwohl das der EuGH vor Jahren schon aufgehoben hat, als unzulässig erklärt hat und Dublin III europaweit einfach Griechenland hier ausnimmt. Wir haben einen Außenminister, der kommuniziert, dass Flüchtlinge, die nicht direkt aus ihrem Herkunftsland kommen, also in ein anderes Land weiterziehen, Wirtschaftsflüchtlinge sind. Auch das ist rechtens – wie sagt man es höflich – nicht ganz durchdacht, denn die Flüchtlingseigenschaft bezieht sich immer auf das Herkunftsland. Das heißt, wir sehen hier sehr konfus agierende politisch Verantwortliche.
Die Entscheidung, die jetzt europaweit auf uns zukommt, und ich meine das wirklich so, ist eine Entscheidung darüber, wie wir als Gesellschaft weiterleben wollen, ob wir Zäune errichten wollen oder ob die Menschlichkeit siegt. Das ist ja absurd! Ein Kontinent wackelt in den ganzen irren Festen, die es gibt, weil ein paar Zehntausend Menschen auf der Flucht sind. Es ist im Grunde absurd, meine sehr geehrten Damen und Herren. Selbstverständlich müssen wir allen Menschen auch offen und ehrlich sagen, dass die Bewegungen nicht aufhören werden. Wir haben im letzten Jahrhundert Millionen von Menschen auf der Flucht gehabt, nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg mit Millionen von Toten, und wir haben jetzt Kriege im Nahen Osten, und die Menschen fliehen.
Das ist eine Herausforderung, aber es ist zu machen. Und das hat vor allem die Zivilbevölkerung in den letzten Wochen vorgemacht. Sie hat das Signal gesetzt für eine Veränderung, sie hat politisch Verantwortlichen die Hand gereicht, dass dies, dass ein anderer Weg auch möglich ist.
Wien hat Unvorstellbares geleistet und leistet es nach wie vor, nämlich alle Menschen. Wenn Sie auf den Bahnhöfen sind, reden Sie mit den Dolmetschern, Dolmetscherinnen. Sehr viele waren selbst und sind selbst aus Familien, die auf der Flucht waren, die das gut kennen. Reden Sie mit Menschen, wenn Sie die Möglichkeit haben. Es gibt Leute, die bringen Sachspenden vorbei, es gibt Leute, die einfach anpacken und mithelfen. Es gibt FluchthelferInnen, die Leben retten, die Flüchtlingsfamilien aus Ungarn holen. Vor allem sehr viele kranke Kinder sind vor Ort und waren vor Ort, das wussten wir von den NGOs. Es gibt Menschen quer durch alle Gesellschaftsschichten, die jetzt aktiv geworden sind, die einfach gehandelt haben.
Wien hat eine steigende Armut, no na, weil immer mehr Menschen von ihrer Arbeit nicht leben können, Wien hat steigende Mindestsicherungszahlen, weil sehr viele Menschen die Ergänzungsleistung erhalten. Umso wichtiger ist es, allen Menschen, die Unterstützung brauchen, klar zu machen, dass sie ein Recht darauf haben, dies auch in Anspruch zu nehmen. Das ist ein Grundrecht und keine Großzügigkeit, so wie es Grund- und Menschenrecht ist, Menschen auf der Flucht zu unterstützen und zu helfen.
Wir werden aber auch laut und klar sagen müssen, dass wir jetzt in einer Notsituation auch in Wien gehandelt haben, vor allem die Zivilbevölkerung, gemeinsam mit allen NGOs. Viele Menschen werden bleiben, und es ist enorm wichtig, ihnen auch die Hand zu reichen, dass sie arbeiten können, dass sie eine Chance erhalten, dass es eine Zukunft gibt. Das ist möglich und das ist machbar.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, viele von Ihnen, die jetzt zuhören, zuschauen, haben das vor Ort selbst erlebt, haben es erlebt, vielleicht das eine oder andere, wie Kinder verloren gegangen sind und sich die Familien wiedergetroffen haben. Vielleicht haben viele von Ihnen die Bilder gesehen von blutigen Menschen auf der Flucht, Bilder von Röszke, von Györ, von Budapest (Abg Mag Wolfgang Jung: Sie meinen die verletzten Polizisten!), wo sehr viele Menschenrechte außer Kraft gesetzt worden sind. Vielleicht haben Sie zugehört, was die Menschen erzählen, warum sie fliehen, oder Menschen mit Kindern einfach glücklich erlebt, oder Flüchtlingsfamilien, die einem sagen, sie sind nur froh, dass hier so eine Freundlichkeit passiert. Das sind Bilder, das sind Erlebnisse, die uns noch lange begleiten werden. Da passiert etwas in diesem Land, und hier siegt die Menschlichkeit. Lassen wir uns das nicht nehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist ein Aufbruch, der hier passiert, und das ist gut! – Vielen Dank. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Präsident Johann Herzog: Die Frau Abg Hebein hat beim Wechsel im Präsidium einige Wortmeldungen gemacht, die man kritisieren muss.
In Abstimmung mit dem Ersten Präsidenten erteile ich der Frau Abg Hebein für die Verwendung des Wortes „Lulu-Partei“ einen Ordnungsruf. (Heiterkeit bei den Grünen.)
Zu Wort gemeldet ist Herr Abg Dr Aigner. Ich ersuche darum und weise darauf hin, dass seine Redezeit mit 15 Minuten beschränkt ist.
Abg Dr Wolfgang Aigner (Klubungebundener Mandatar): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter dem Titel „Der große Kontrollverlust“ schreibt Andreas Koller – ich glaube, unverdächtig, ein besonders radikaler Journalist zu sein –: „Wir haben nicht mehr viel Zeit, die durch die Migration ausgelösten Probleme zu lösen, und wir wissen nicht, ob wir überhaupt die Kraft dazu haben.“
Weiters heißt es: „Wir müssen zur Kenntnis nehmen, unser Staat hat die Kontrolle über seine Grenzen verloren und damit auch einen wichtigen Teil seiner Souveränität eingebüßt. Niemand weiß, wie viele Menschen in den vergangenen Wochen die österreichischen Grenzen passiert haben, und niemand weiß, wer diese Menschen waren. Klar, auch vorher waren die Grenzen offen, das ist ein wesentlicher Bestandteil der Reisefreiheit, die wir in Europa bisher genossen haben, nur bisher lebten wir in der Sicherheit, dass der Schutz der Grenzen und des Staatsgebietes am Schengen-Rand Europas erfolgt. Da dies aber seit geraumer Zeit nicht mehr der Fall ist, gleicht Europa einem Haus mit weit offen stehenden Fenstern und Türen. Österreich ist in diesem Haus ein
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