Landtag, 9. Sitzung vom 30.09.2016, Wörtliches Protokoll - Seite 66 von 89
Der erste beschäftigt sich mit der Entlüftung des Wiener Steuersystems. Wer diesem Antrag seine Zustimmung erteilen will, den bitte ich um ein Zeichen mit der Hand. - Das ist mit den Stimmen der ÖVP, der NEOS und der Freiheitlichen, somit der Minderheit und damit eben nicht beschlossen.
Der zweite Antrag befasst sich mit dem Valorisierungsgesetz. Auch hier bitte ich diejenigen, die diesem Antrag zustimmen wollen, um ein Zeichen mit der Hand. - Hier ist dasselbe Abstimmungsverhalten, und damit bleibt auch dieser Antrag in der Minderheit.
Ich schlage vor, die zweite Lesung dieser Gesetzesvorlage sofort vorzunehmen. Gibt es dagegen einen Einwand? - Das ist nicht der Fall.
Ich bitte jene Mitglieder des Landtages, die nun in zweiter Lesung dem Gesetz ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein Zeichen mit der Hand. - Ich kann wieder die Einstimmigkeit feststellen, das ist etwas Schönes.
Mit geringfügiger Verspätung kommen wir nun zur Dringlichen Anfrage.
Wir kommen zu der von den Abgeordneten Mag. Juraczka und Korosec eingebrachte und an die Frau Amtsführende Stadträtin der Geschäftsgruppe Gesundheit, Soziales und Generationen gerichtete Dringliche Anfrage betreffend Missbrauch der Bedarfsorientierten Mindestsicherung auf Grund fehlender Kontrolle durch die MA 40.
Vom Fragesteller mündlich begründet wird hierauf eine Debatte über den Gegenstand stattfinden. Für die nun folgende Begründung der Dringlichen Anfrage sieht die Geschäftsordnung gemäß § 37 Abs. 1 eine Redezeit von 20 Minuten vor. Die Antragsteller haben auf eine Verlesung der Dringlichen Anfrage verzichtet. Daher erteile ich nun zur Begründung dem Herrn Abg. Mag. Juraczka das Wort - 20 Minuten Redezeit.
Abg. Mag. Manfred Juraczka (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wir haben gestern schon sehr intensiv über die Baustellen im Ressort Gesundheit und Soziales gesprochen. Gestern mit dem Fokus auf das Thema Gesundheit, heute erschien uns und meiner Fraktion diese Dringliche ganz wesentlich im Hinblick auf die Gebarung im Bereich des Sozialen. Wir stehen da vor Problemen, vor allem finanzieller Natur, auf die die ÖVP schon lange aufmerksam macht. Es geht nämlich um die Finanzierbarkeit des Wiener Sozialsystems, aber nicht nur um die Finanzierbarkeit, meine Damen und Herren, sondern auch um die Gerechtigkeit des Wiener Sozialsystems.
Schauen wir uns doch den historischen Rückblick an! Es gibt die Bedarfsorientierte Mindestsicherung österreichweit seit September 2010. Und seit Beginn der Ära der Mindestsicherung in diesem Land gibt es, wenn man sich den Bundesländervergleich ansieht, eine Schräglage, die in den letzten Monaten immer eklatanter wurde. Eine Schräglage, die schon die Tageszeitung „Die Presse“ vor mehr als einem Jahr dazu verleitet hat, einen Leitartikel mit der Headline „Die soziale Zeitbombe Wiens“ zu schreiben. Was ist damit gemeint? - Wir hatten in Wien bei der Einführung der Mindestsicherung 106.000 Bezieher eben dieser, wir hatten nur 3 Jahre später schon 50 Prozent mehr, nämlich 150.000, und 2016 fehlen nicht mehr allzu viel auf 200.000. Es waren 2015, letztes Jahr, schon über 180.000, wir gehen leider Gottes mit großen Schritten auf die 200.000 Mindestsicherungsbezieher in dieser Stadt zu. Österreichweit wurde von allen Bundesländern zusammengenommen im Jahr 2015 ein Betrag von 869 Millionen EUR, also eine beachtliche Geldleistung, ausgegeben, um diese Sozialleistung zu stemmen. Wien allein muss 544 Millionen EUR, also knapp 63 Prozent dieser Geldleistung, berappen. Und was hören wir von Seiten der verantwortlichen Stadträtin? - Alles kein Problem! 46 Prozent der Bezieher der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in dieser Stadt sind mittlerweile nicht österreichische Staatsbürger. Auch das muss man einmal völlig empathielos auf den Tisch legen und sich ansehen, wie man damit umgeht. (Amtsf. StRin Mag. Sonja Wehsely: Empathielos! Empathielos ist das richtige Wort! - Zwischenruf bei den GRÜNEN.) Interessant ist nur, wie Kollegin Wehsely immer argumentiert, es sind ja alles nur Zuzahler, die Working Poor wären es, die das Problem ausmachen.
Frau Kollegin Wehsely, danke für Ihre Anfragebeantwortung, die nämlich auch Licht ins Dunkel gebracht hat. Ich werde Ihnen die Zahlen noch einmal vorlesen: Es sind zwar in der Tat knapp 140.000 Ergänzungsleistungsbezieher in Wien, aber gerade mal 21.700 sind Ergänzungsleistungen auf Erwerbseinkommen, die restlichen Ergänzungsleistungen sind auf Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Unterhalt, Alimente, Wochengeld, und so weiter und so fort; also im Wesentlichen auf andere Sozialleistung. Also von den Working Poor zu reden, ist wohl der falsche Ansatz.
Sie selbst, Frau StRin Wehsely, haben im Jahr 2010 noch, als es um die Einführung der Mindestsicherung ging, gemeint, es geht hier darum, Menschen sehr rasch in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das ist auch das Ziel, wie Sie damals im Juni 2010 meinten, der Mindestsicherung, nämlich dass sie ein Trampolin sei, ein Trampolin in Richtung Selbstständigkeit, und Selbstständigkeit wird nur durch Beschäftigung erreicht. Große Worte, die ich absolut teile, die Realität zeigt jedoch ein ganz anderes Bild.
Meine Damen und Herren, darum ist es jetzt höchste Zeit, zu handeln. Ich darf daher gemeinsam mit meiner Kollegin Ingrid Korosec und meinem Kollegen Dr. Wolfgang Ulm einen Antrag auf Reform der Bedarfsorientierten Mindestsicherung einbringen. Was fordern wir im Konkreten? - Die Schaffung einer gesetzlichen Regelung, wonach Geldleistungen für Mehrpersonenhaushalte mit einer bundesweit einheitlichen Obergrenze von 1.500 EUR versehen werden. Und damit nicht sofort vom sozialen Kahlschlag die Rede ist - ich höre jetzt schon die Worte der Kollegin Hebein -, darf ich Ihnen sagen, dass das Medianeinkommen eines Arbeiters in Wien im Jahr 2013 - für 2014 gibt es dazu leider keine Werte - bei 14.480 EUR brutto lag, das Medianeinkommen eines unselbstständig Erwerbstätigen in Wien im Jahr 2014 bei 25.187 EUR, was rund 1.790 EUR brutto verspricht. Wenn wir Fairness wollen, glaube ich, sollte den Menschen, die tagtäglich einer Erwerbstätigkeit nachgehen, schon mehr Geld im Börsel bleiben, meine
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