Landtag, 21. Sitzung vom 23.11.2017, Wörtliches Protokoll - Seite 84 von 99
natürlich ist da Geld wichtig, aber nicht nur, meine sehr geehrten Kollegen und Kolleginnen, weil das Geld im Grunde nur - unter Anführungszeichen - eine Absicherung ist, eine Unterstützung, damit man die Ursachen annehmen und überwinden kann. Denn wenn jemand krank ist, aber nicht weiß, wie er die Miete zahlen soll, dann kann er oder sie nicht gesund werden. Oder wenn jemand nicht weiß, wie er sich das Essen besorgen soll, wie er Lebensunterhalt bezahlen soll, dann kann dieser Schritt nicht erfolgen, die eigentlichen Probleme oder Ursachen zu überwinden. Ich nehme einmal an, soweit kann es unter Ihnen allen hier keinen wirklichen Widerspruch geben.
Die zweite Frage ist natürlich: Wie gehen wir sorgsam mit den Steuergeldern um? - Jetzt wird es schon etwas differenzierter, nehme ich an, denn was heißt sorgsam? - Wir wissen aus der Praxis, und es macht keinen Sinn, wenn wir dort nicht hinsehen, wir wissen auch von Studien, und es macht keinen Sinn, diese nicht ernst zu nehmen, dass Menschen durchschnittlich für neun Monate die Mindestsicherung erhalten. Aber es gibt 40 Prozent der MindestsicherungsbezieherInnen, die innerhalb von einem Jahr nach 6 Monaten wieder eine Mindestsicherung erhalten. Warum ist das so? Österreichweit ist es schlichtweg so, dass es auf vier Personen nur drei Angebote an Arbeitsmöglichkeiten im Niedriglohnsektor gibt. Das heißt, ohne abgeschlossene Berufsausbildung ist es irrsinnig schwierig, sich ein eigenes Leben aufzubauen. Auch ist es ein Faktum, dass die durchschnittliche Jobdauer in diesem Bereich unter einem Jahr liegt. Und dann spielt noch ein Faktor eine große Rolle: Wenn Menschen chronisch krank sind, schlechte Arbeitsbedingungen haben, ist es natürlich so, dass die Gefahr oder die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, wieder krank zu werden.
Wir stehen also vor einer sehr entscheidenden Frage. Ist es wirklich sinnvoll, alles zu tun, dass Menschen in schlechtere Jobs geraten oder sie dorthin zu bringen, wenn man genau weiß, dass sie einige Monate später wieder auf die Mindestsicherung angewiesen sind? Ist es nicht einfach auch sinnvoller, in die Menschen zu investieren, in Ausbildung, in Gesundheit, in ihre Kinder, damit vielleicht sogar eine Spur länger, aber dass sie es dann schaffen, nicht mehr auf die Mindestsicherung angewiesen zu sein? Das halte ich für einen springenden Punkt, und diese Diskussion führen wir ja nicht. Wir sind so genügsam mit Überschriften, und das, was vor allem von ÖVP und FPÖ kommt, sind keine Antworten, nämlich keine Antworten auf die Sozialprobleme unseres Landes.
Lassen Sie mich aber noch weitergehen. Ich versuche es wirklich einmal, es kann ja sein, dass Sie tatsächlich auf den einen oder anderen Punkt der Diskussion einsteigen. Wir kommen nämlich jetzt zu einem erstaunlichen Problem, Frau Abg. Emmerling hat das jetzt schon angesprochen. Im Grunde sind die Bundesländer dafür zuständig, die Geldleistungen aus der Mindestsicherung zu zahlen, werden aber gleichzeitig dafür kritisiert, dass andere Institutionen, die für Ausbildung, Gesundheit, Deutschkurse zuständig sind, ihre Arbeit nicht machen. Im Grunde ist es so, dass ein Außenminister die Mindestsicherung als zu hoch kritisiert, aber gleichzeitig seinen Job nicht macht, um genügend qualitätsvolle Sprachkurse zu schaffen.
Wir haben noch ein erstaunliches Phänomen, das wir auch nie zur Sprache bringen, das wird von Ihnen zumindest nicht getan: Die Mindestsicherung richtet sich nach dem Ausgleichszulagenrichtsatz. Wer verkündet denn den? - Das macht der Bund. Die Bundesregierung sagt, dieser Betrag ist heuer die Minimalgrenze, unter der rutschen Menschen in die Armut ab, und das ist genau diese Grenze, die wir auch für die Mindestsicherung nehmen. Das heißt, wenn wir jetzt einmal versuchen, ernsthaft über die Mindestsicherung zu sprechen, wenn wir einmal versuchen, ernsthaft darüber nachzudenken, wie wir es denn schaffen, Armut zu bekämpfen oder dass Menschen würdevoll leben, dann müssen wir uns die Frage stellen, wie wir besser mit Institutionen zusammenarbeiten können, die auch dafür zuständig sind.
Das beantwortet vielleicht schon eine Frage der Frau Abgeordneten vorher. Was wir hier in Wien vorlegen, ist eine verstärkte Kooperation mit dem AMS, mit der Wiener Gebietskrankenkassa, mit der Pensionsversicherungsanstalt, mit der eigentlich dringend notwendigen Kooperation der Wirtschaftskammer, die für Lehrausbildungen zuständig ist. Eigentlich müssten wir die Kooperation mit dem Integrationsministerium noch mehr verbessern. Erst dann, wenn diese Kooperation funktioniert, wenn wir die Menschen ernst nehmen in ihren Situationen, und wir reden hier vor allem von Menschen mit oftmals weniger Chancen am Arbeitsplatz, dann schaffen wir das Ziel, dass die Mindestsicherung das ist, was eigentlich ursprünglich immer gedacht war, dass Menschen in Notsituationen und jene, die arbeiten können, jede Art der Unterstützung erhalten, dass es ihnen auch ermöglicht wird. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Der nächste Punkt ist die Frage, welche Menschen überhaupt in Notlagen geraten, und da halte ich fest: Wir haben ein Drittel Kinder, die in Wien auf die Mindestsicherung angewiesen sind, wir haben Pensionistinnen und Pensionisten, die auf den Dauerbezug der Mindestsicherung angewiesen sind, wir haben schwerkranke Menschen, wir haben Menschen mit Betreuungspflichten. Wenn Sie dann die genauen Zahlen anschauen, reden Sie von der Opposition in erster Linie von einem Drittel der Menschen der Bezieher und Bezieherinnen.
Das heißt, in der Vorbereitung zum neuen Wiener Mindestsicherungsgesetz haben wir uns natürlich auch angesehen, was denn die anderen Länder machen. Was machen die anderen Länder, wie können wir davon lernen? Ein Punkt, der sehr, sehr spannend war, und damit haben wir uns intensiv auseinandergesetzt, war der Schweizer Kanton Waadt, die haben nämlich ihr Sozialsystem in Integrationsmaßnahmen umgestellt, vor allem für Jugendliche. Sie finden genau diese Anregungen und Erfahrungen, wir haben sie in Wien natürlich noch mehr verbessert, zu sagen, investieren wir vier Monate lang in Jugendliche, begleiten wir sie, bieten wir ihnen auch umfassende Angebote an. Da werden neue geschaffen. natürlich in Kooperation mit den Partnern und Partnerin
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