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Landtag, 23. Sitzung vom 26.01.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 40 von 52

 

Präsident Dipl.-Ing. Martin Margulies: Ich eröffne nun die Debatte, wobei ich bemerke, dass die Dauer der Diskussion maximal 180 Minuten beträgt. Zur Besprechung des Dringlichen Antrages hat sich Frau Abg. Mörk zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr. Ich mache darauf aufmerksam, die Redezeit ist mit 20 Minuten begrenzt.

 

13.06.43

Abg. Gabriele Mörk (SPÖ)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Die neue schwarz-blaue Bundesregierung plant, die Notstandhilfe abzuschaffen und länger Arbeitslose in die Mindestsicherung zu drängen. Und das bedeutet ganz klar mehr Armut und weniger Chancen für die Betroffenen. Wesentlich wichtiger, meine sehr geehrten Damen und Herren, wäre es, die Armut zu bekämpfen und nicht die armen Menschen. Und mit der neuen Wiener Mindestsicherung zeigt Wien ein Mal mehr, wie es funktioniert. Eine Vielzahl von Förderungen, die aber auch Forderungen enthalten, steuert Rot-Grün ganz bewusst gegen den schwarz-blauen Kältekurs in Österreich bei. Menschen Anreize zu geben und so viele wie möglich in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ist der Wiener Weg, den wir eingeschlagen haben. Und dieser Wiener Weg ist auch ein Erfolgskonzept für ganz Österreich, ganz ohne soziale Einschnitte. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Was ist die Notstandshilfe jetzt und was würde es bedeuten, wenn sie abgeschafft wird? Die Gewährung der Notstandshilfe liegt nicht im Ermessen des Arbeitsamtes, sondern sie ist auf Antrag zu gewähren, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind. Die Notstandhilfe ist eine mindestsichernde Leistung des Bundes, sie ist eine Anschlussleistung an das Arbeitslosengeld und sie ist eine Versicherungsleistung. Sie ist zeitlich unbegrenzt, wird jedoch jeweils für 52 Wochen bewilligt. Dann muss ein neuerlicher Antrag gestellt werden, Arbeitslosigkeit, Arbeitswilligkeit und Arbeitsfähigkeit müssen gegeben sein. Und die Notstandshilfe nimmt eine Mittelposition zwischen Arbeitslosengeld und Mindestsicherung ein.

 

Und was ist eigentlich der Unterschied zur Mindestsicherung? Die Mindestsicherung ist eine Sozialleistung des Landes, während hingegen die Arbeitslosenversicherung und die Notstandshilfe eine Versicherungsleistung des Bundes ist. Und die Abschaffung der Notstandshilfe würde für Wien eine Mehrbelastung von über 500 Millionen EUR bedeuten. Offensichtlich soll dadurch auch der finanzielle Spielraum in Wien eingeschränkt werden, um sozial Schwächeren mit wirkungsvollen Maßnahmen zu helfen.

 

Die Mindestsicherung ist eine pauschalierte Geldleistung, der Notstandshilfe hingegen liegt die Höhe des Arbeitslosengeldes beziehungsweise des Arbeitseinkommens zugrunde. Notstandshilfebezieher können ihr Erspartes behalten, Mindestsicherungsbezieher nicht. Wer über 4.200 EUR Erspartes hat, muss dieses zuerst aufbrauchen und bei Eigentum erfolgt eine Sicherstellung im Grundbuch. Wenn ich mich richtig zurückerinnere, im Wahlkampf hat der neue Bundeskanzler Kurz doch propagiert und jungen Menschen empfohlen, Eigentum zu erwerben, weil Eigentumserwerb eine gute oder die beste Vorsorge gegen Altersarmut sei. Wenn ich mir jetzt anschaue, was die neue Regierung verfolgt, kann ich eigentlich nur jedem empfehlen, erwerben Sie kein Eigentum, denn Arbeitslosigkeit kann jeden und jede treffen und kann auch uns treffen. Bezugszeiten der Notstandshilfe gelten als Pensionszeiten und wirken sich auch auf den Pensionsanspruch aus. Die Bezugszeiten der Mindestsicherung hingegen nicht. Die Folge davon wären wesentlich geringere Pensionshöhen, da auch weniger Versicherungszeiten gegeben werden oder zu wenig Versicherungszeiten und überhaupt keine Pensionen, und vor allem ältere Menschen werden dann gezwungen, Sozialleistungen des Landes in Anspruch zu nehmen. Im Verhältnis mehr davon wären natürlich auch Frauen betroffen.

 

In diesem Zusammenhang Pensionen finde ich ja auch sehr interessant, was auf Seite 111 des Regierungsprogrammes steht, wo es um Fairness und Gerechtigkeit und um das Kapitel Pensionen geht. Da ist nämlich unter anderem ein Punkt angeführt: „Prüfung einer Anrechnung von maximal zwei Jahren aus der Pflichtversicherungszeit, Arbeitslosenversicherung, ausgenommen Kinderbetreuungs-, Zivil-, und Präsenzdienst- und Pflegezeiten bei Frühpensionierungen.“ - Was das für die betroffenen Menschen bedeuten würde, können wir uns gut vorstellen.

 

Einkünfte aus geringfügigen Beschäftigungen führen bei der Notstandshilfe zu keinen Kürzungen, bei der Mindestsicherung sehr wohl. Durch den Wegfall der Notstandshilfe wird die Armutsgefährdung steigen. Die Menschen bekommen weniger Leistungen, müssen alle Reserven aufbrauchen, ihr Einkommen wird belastet und sie werden gezwungen, schlechter bezahlte Jobs anzunehmen. Ein Teufelskreis, aus dem es schwierig ist, wieder herauszukommen.

 

Schauen wir uns gemeinsam einen ganz konkreten Fall an. Frau Z. hat mit 16 Jahren zu arbeiten begonnen, zuerst als Lehrling, dann als kaufmännische Angestellte. Sie gründet eine Familie, bekommt zwei Kinder. Gemeinsam mit ihrem Ehemann kauft sie eine Eigentumswohnung. Die Ehe geht in die Brüche, bei der Scheidung erhält sie die Wohnung, muss aber den dafür aufgenommenen Kredit auch zurückzahlen. Sie schafft es mit viel Fleiß, den Kredit zurückzuzahlen, oft auch noch mit einer zusätzlichen Beschäftigung, und sie zieht ihre beiden Kinder alleine groß, obwohl sie auch die Alimente nur unregelmäßig erhält. Nachdem die Kinder eine gute Ausbildung bekommen haben und auf eigenen Beinen stehen, schafft sie es, einen Bausparvertrag abzuschließen und einige Tausend Euro anzusparen.

 

Vor elf Monaten sperrt der Betrieb, in dem sie seit ihrer Lehrzeit, unterbrochen nur von den Karenzzeiten, beschäftigt war. Mit 53 Jahren wird sie arbeitslos. Sie hat hunderte Bewerbungen geschrieben, aber es nimmt sie halt keiner auf Grund ihres Alters, trotz bester Qualifikation und Erfahrung. Die Hoffnung und das Selbstwertgefühl schwinden. Es gibt zwar freie Jobs, die sind aber auf den Skihütten in Tirol und das würde sie auch körperlich nicht mehr schaffen. Einen Monat wird sie noch Arbeitslosengeld beziehen. Sie hatte gehofft, und die Chancen standen gut, eine neue Beschäftigung über die Akti

 

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