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Landtag, 23. Sitzung vom 26.01.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 42 von 52

 

Ich habe vorher erwähnt, wir glauben eben nicht, dass die Notstandshilfe die langfristig manifestierte Erwerbslosigkeit bekämpfen kann. Es muss jetzt nicht nach einem Jahr sein, das kann auch erst nach mehreren Jahren sein, ich lasse das jetzt offen, von welchem Zeithorizont wir da sprechen, aber da kann gerade die Mindestsicherung einen Beitrag leisten, wenn es darum geht, die richtigen Instrumente für diese Menschen zu finden, um tatsächlich wieder zurück in den Arbeitsmarkt zu kommen, durch stärkeren Fokus auf Sachleistungen, die eben dazu dienen, leichter in die Erwerbstätigkeit zu kommen, wo man auch Kinderbetreuungskosten übernimmt, Weiterbildungskosten vor allem, auch Kosten für Mobilität, und so weiter.

 

Was sich aus der Langzeitarbeitslosigkeit, wenn man sich da die Zahlen anschaut, noch ganz klar heraussehen lässt, ist, dass es viele Langzeitarbeitslose auf Grund gesundheitlicher Probleme gibt. Das ist wirklich ein Problem, denn wir haben viele, die wegen eines Schicksalsschlages, eines Unfalles nicht mehr voll erwerbstätig sind, und wir kennen in Österreich nur entweder arbeitsfähig oder nicht arbeitsfähig. Was wir nicht kennen, ist einen Teilzeitkrankenstand oder eine Teilzeitarbeitsfähigkeit. Das heißt, jemandem, der vielleicht auch ein psychologisches Problem hat oder ein sonstiges Gebrechen, das es ihm nicht möglich macht, acht Stunden am Tag zu arbeiten, der aber gerne vier oder sechs Stunden am Tag in seinen Job zurückkehren möchte, wird das verwehrt, da es diese Form in Österreich nicht gibt. (Beifall bei den NEOS.) Ich glaube, dass diese Teilzeitkrankenstände die Reintegration in den Arbeitsmarkt vor allem für Langzeitarbeitslose auf jeden Fall erleichtern würden.

 

Jetzt aber noch ein Blick zu den Zahlen: Wir haben im Jahr 2016 167.000 NotstandshilfebezieherInnen gehabt. 145.900 bezogen Arbeitslosengeld. Wir haben 2016 mehr Notstandshilfebezieher als Arbeitslosengeldbezieher. Auch die Langzeitarbeitslosigkeit hat sich von 2013 bis 2017 fast verdoppelt, von 18,6 Prozent auf 34,9 Prozent. Die Diskussion über diese Versicherungsleistung, dass man das jetzt den Wienern wegnehmen will, kommt mir ein bisserl so vor, als wäre es ein Geschenk der Stadt Wien oder des Bundes. Es ist aber eine Versicherungsleistung und ich glaube auch, dass dieses Versicherungsprinzip nicht besonders klug ist, wenn hier die Arbeitslosenversicherungen Leistungen zeitlich unbegrenzt ausbezahlen. Das überfordert auch die Solidarität einer Versicherungsgemeinschaft. (Beifall bei den NEOS.)

 

Was wir auch diskutieren müssen, ist, ob diese Doppelstrukturen, die wir derzeit haben, sinnvoll sind. Das System Notstandshilfe-Mindestsicherung ist so schon relativ schwer zu verstehen. Man muss sich einmal einen Betroffenen vorstellen, der sich hier auskennen muss, denn es ist nicht nur die Behörde, die hier diese Doppelstruktur begehen muss, die Koordination der verschiedenen Maßnahmen, die noch dazukommen, sondern auch für den Bezieher, der eigentlich rasch wieder in den Arbeitsmarkt will, ist es sehr schwierig, hier schnell die nötige Hilfestellung zu bekommen und sich in diesem System zurechtzufinden.

 

Zu dieser Doppelstruktur Notstandshilfe-Mindestsicherung kommt ja jetzt auch noch dazu, das dürfen wir nicht vergessen, dass wir derzeit neun verschiedene Mindestsicherungen haben, die alle sehr unterschiedlich ausgestaltet sind. Dazu haben wir schon lange diskutiert und auch über unsere Haltung dazu, aber darüber müssen wir natürlich auch reden, dass eine einheitliche Mindestsicherung natürlich auf jeden Fall das wichtigste Ziel sein sollte und eine Reform der Notstandshilfe auf jeden Fall mit dieser Hand in Hand gehen muss. Und zwar ganz klar mit dem Fokus auf den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt. (Beifall bei den NEOS.)

 

Jetzt heißt es seitens der Regierung, es werden bis Ende des Jahres konkrete Vorschläge vorliegen. Momentan hat man die noch nicht. Deswegen komme ich zurück auf diese Fundamentalopposition. Es taucht die Schlagzeile auf, „wir als Rot-Grün und Wien sind einmal dagegen“. Ich betone es noch einmal: Wir wollen eine faire und nachhaltige Lösung, wir brauchen ein System, das fair ist im Hinblick darauf, dass das Bemühen zurück in den Arbeitsmarkt belohnt wird, aber auch fair im Hinblick auf unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Solidarität. Das muss beides gehen. (Beifall bei den NEOS.)

 

Dann bleibt mir schlussendlich noch zu sagen, wir haben auch im Parlament unsere Vorschläge vorgelegt: Quasi das Arbeitslosengeld zu begrenzen - ich lasse jetzt noch den Jahresanspruch offen -, aber dann eine Überführung in die BMS, um hier ganz gezielt fördern zu können, aber auch eine degressive Gestaltung des Arbeitslosengeldes. Denn wenn man sich das im Vergleich mit anderen Ländern anschaut, bekommen wir ja am Anfang relativ wenig, das bleibt dann gleich, in anderen Ländern ist dieser Nettoersatzbetrag im ersten Jahr deutlich höher. Da könnte man sicher auch anpassen beziehungsweise darüber diskutieren, wie so etwas optimal ausgestaltet ist, sich die Erfahrungsberichte aus anderen Ländern anhören. Aber auch dynamischere Modelle können wir uns vorstellen, indem, wer länger einzahlt dann auch länger die Versicherungsleistung bezieht, und so weiter, und so fort.

 

Aber das sind alles Diskussionen, die erst geführt werden müssen. Wir stehen momentan nicht an dem Punkt, wo wir sagen, der Bund schafft die Notstandshilfe ab, und zwar unter diesen und jenen Rahmenbedingungen. Aber das, was Sie machen, ist schon auch ein bisschen Angst schüren. (Beifall bei den NEOS.) Der Bund nimmt die Notstandshilfe jetzt weg, die wird eingestellt und nach einem Jahr falle ich aus der Arbeitslosen heraus. - Das ist momentan nicht der Fall. Wir haben die Fakten nicht auf dem Tisch.

 

Daher behalten wir uns auch vor, heute Ihre Anträge natürlich abzulehnen, weil Sie eine ganz klare Position einnehmen, mit Zahlen: Das müssen wir so behalten, wie es ist, das frieren wir ein. - Das sehen wir nicht so. Wir schauen uns das evidenzbasiert an und werden auch dann unsere Entscheidungen treffen. - Danke. (Beifall bei NEOS, FPÖ und ÖVP.)

 

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