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Landtag, 26. Sitzung vom 28.06.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 10 von 84

 

nicht nur in der ersten, sondern auch in der weiteren Instanz. Und das ist das, was österreichweit stattfindet! Zu Recht beklagen Sie, dass der österreichische Gesetzgeber hier ein Versäumnis hat und wir als Sozialhilfeträger alle miteinander gezwungen sind, österreichweit, in dieser Frage Judikatur zu erzeugen. Sie haben einfach recht - ich kann gar nicht widersprechen, und ich habe den gleichen Grant in dieser Sache in mir, wie Sie ihn in Ihrer Anfrage artikuliert haben.

 

Und das möchte ich gerne als klare Antwort auch auf Ihre Fragestellung geben, warum wir das tun - denn Sie stellen ja die Frage: Aber warum tun wir das? -: Klar ist, wenn der Bundesgesetzgeber ein Gesetz macht, das eine finanzielle Auswirkung auf landesgesetzliche Bereiche hat, dass der Bund für diese Mehrkosten aufkommen muss. Das ist auf Grund der Finanzausgleichsregelungen - da gibt es einen Konsultationsmechanismus - völlig klar. Das heißt, es war von Anfang an klar, dass der Bund die Mehrkosten den Ländern ersetzen muss. Das hat der Bundesgesetzgeber ja auch gewusst und hat es auch ins Gesetz hineingeschrieben, dass er Mehrkosten ersetzen muss. Er hat sich nur leicht verrechnet, wie wir wissen, aber dass er Mehrkosten zahlen muss, ist ja immer unwidersprochen gewesen. In der Zwischenzeit gibt es ja auch eine Einigung, wonach der Betrag etwas höher ist und man sieht, dass man nicht so richtig scharf gerechnet hat. Aber Schwamm drüber, was soll‘s.

 

Klar ist aber auch, und das haben wir immer ganz klar gesagt, dass wir dem Bund keine schludrigen Abrechnungen hinlegen können, sondern: Wenn wir für Mehrkosten in dieser Finanzdimension - wir reden da über hunderte Millionen Euro - dem Bund Abrechnungen vorlegen müssen, über hunderte Millionen Euro österreichweit, dann wird der Bund zu Recht von uns Ländern und Gemeinden verlangen, dass das hochpräzise stattfindet. Und ich halte das auch für richtig, dass das hochpräzise stattfindet. Dass es hochpräzise stattfindet, heißt nicht nur, dass es klare buchhalterische Präzision geben muss, sondern dass es auch klare juristische Präzision geben muss. Und genau diesbezüglich haben wir Sorge, und zwar zu Recht Sorge gehabt, dass ein Jahr später, nämlich Ende 2018, Anfang 2019, wenn wir, der Finanzstadtrat und ich, dann diese Abrechnung mit dem Finanzminister machen werden, dieser dann sagt: Na, seid mir nicht böse, aber was habt ihr da reingerechnet? Das sind ja gar keine Mehrkosten auf gesetzlicher Grundlage!

 

Daher haben alle Länder und Gemeinden - einheitlich, unabhängig von der Frage, welcher Partei der jeweilige Landesrat angehört, und wurscht, welcher Partei der jeweilige Landeshauptmann angehört - eine vollkommen einheitliche Meinung gehabt: Es darf uns nicht passieren, dass wir im Jahr 2019 mit dem Bund hunderte Millionen abrechnen und der Bund uns dann erzählt, es wäre eigentlich gar nicht notwendig gewesen, dass diese Kosten anfallen.

 

Die Grundlage dafür ist eben - zu Recht, ich bekenne mich dazu -, dass in der Abwicklung von Finanzen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden eine hohe Präzision zu herrschen hat. Und ehrlich gesagt, ich halte es für ganz unbefriedigend, dass die dazu notwendige Grundlage, nämlich Präzision im zuständigen Gesetz des Bundes, nicht gegeben ist. Ich teile daher Ihre Einschätzung.

 

Nur ein Beispiel: Wir haben im vergangenen Dezember als Länder, als Ergebnis einer Arbeitsgruppe der Länder, einen Fragenkatalog geschickt - das hat es in dieser Form im Sozialsektor in den letzten 20 Jahren gar nicht gegeben. Wir, die Länder, haben Arbeitsgruppen mit Experten zusammengesetzt, haben einen Fragenkatalog erarbeitet, weil wir gesagt haben, wir verstehen schon, dass der Bund sich schwer tut in einer Materie, in der er an sich nicht so gut zu Hause ist - nämlich naturgemäß nicht zu Hause ist, das ist nicht vorwurfsvoll gemeint -, stellen wir daher die Fragen, die es zu beantworten gilt. Und all das, was jetzt in den letzten Monaten an Judikatur passiert, betrifft genau diese Fragestellungen. Es ist auch nicht überraschend und ich habe es Ihnen eingangs schon erläutert, welche Bereiche diese Fragestellungen betreffen.

 

Wir haben auf dieses Länderersuchen - also die Landesräte haben auf dieses Länderersuchen, das sie als Landesräte unterschrieben haben -, keine offizielle Antwort der Sozialministerin bekommen. Was wir bekommen haben, war ein Brief des zuständigen Sektionschefs, in dem er uns seine Meinung kundgetan hat. Dieser Sektionschef ist ein wirklich engagierter, lieber und netter, und er hat sich auch wirklich bemüht, seine Meinung präzise zu schreiben, aber es hilft nichts: Vor Gericht ist die Meinung des Sektionschefs eben nichts wert. (Abg. Mag. Dietbert Kowarik: Die vom Minister auch nicht! Es macht keinen Unterschied, ob es der Minister oder der Sektionschef ist!) Na eh, genau. Da gilt nur eines, nämlich ein Gesetz. (Abg. Mag. Dietbert Kowarik: Oder die Rechtsprechung, die es schon gibt!) Und das Problem ist, dass zu diesem Zeitpunkt - wenn Sie das jetzt zurück in der Zeitachse nachlesen, dann sehen Sie das - die Juristen dieses Landes sich ja nicht einig waren. Es gibt ja unterschiedliche Rechtsmeinungen, und das hat es so schwierig gemacht.

 

Und das ist der Grund - und dazu bekenne ich mich aber auch -: dass die Sozialhilfeträger - und, ja, in Wien der Fonds Soziales Wien - mit hoher Präzision darauf geschaut haben, dass Steuergeld nicht auf die Art und Weise ausgegeben wird, dass in einer unklaren Rechtssituation auf Geld verzichtet wird. Deswegen haben wir - und das tut weh, das tut wirklich weh - hunderte Menschen in Wien, tausende Menschen österreichweit mit an sich vermeidbaren Gerichtsverfahren vor Gericht gequält, sekkiert. Wir haben uns als Fonds Soziales Wien auch immer dafür entschuldigt - ich sage das auch dazu -: Bei jeder einzelnen Geschichte gibt es einen Absatz dazu, dass wir uns als Fonds Soziales Wien entschuldigt haben dafür, dass wir die Menschen mit dieser Vorgangsweise an sich unnötig sekkieren.

 

Die von Ihnen erwähnte Entscheidung des OGH hat in Wirklichkeit eben keine Richtungsweisung gegeben. (Abg. Mag. Dietbert Kowarik: Oh ja!) Nein, die von ihm zitierte, die war nicht richtungsweisend. Eine zweite Entscheidung hat auch keine wirkliche Entscheidung

 

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