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Landtag, 38. Sitzung vom 27.06.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 29 von 63

 

einer Behörde nicht so angebracht, denn die Patientenanwaltschaft hat ja durchaus eine Behördenfunktion, und da ist es eigentlich gut, wenn man einer Personengruppe, einer Berufsgruppe nicht grundsätzlich mit Misstrauen begegnet. Ich zumindest fasse es so auf, vielleicht irre ich mich. Vielleicht ist das alles anders, aber ich finde es schon mit einem generellen Misstrauen versehen.

 

Auf der Seite 12, Kapitel 2 wird angeführt, es wird auf eine ehebaldige gesetzliche Verankerung der ambulanten Diagnosendokumentation hingewirkt - Diagnosendokumentation. Diagnosendokumentation und Dokumentation ist ja nicht dasselbe, bei einer Diagnosendokumentation legen Sie sich fest, legen Sie sich mit entsprechenden Konsequenzen fest. Das sind Leistungen beziehungsweise Diagnosen, Teildiagnosen, die natürlich manchmal gar nicht bestehen. Manchmal hat man ein Patientenbild - es ist ja der Unterschied zwischen einer Ordination und einem Krankenhaus, dass die Patienten einfach nicht so krank sind. Im Spital habe ich viele Patienten mit schweren und schwersten Erkrankungen, da fällt es mir relativ leicht, eine Diagnose zu stellen. In der Ordination habe ich manchmal Patienten, die schon mehrere Vorerkrankungen haben, eine Befindlichkeitsstörung, und da soll ich jetzt eine Diagnose hinschreiben? Welche denn? Die kann ich nur in Observanz halten. Patienten mit vier, fünf Vorer… (Zwischenruf von Abg. Peter Kraus, BSc.) - Bitte? (Abg. Peter Kraus, BSc: Nein, passt schon!) - Ich bin grundsätzlich bereit, auch zwischendurch zu antworten, aber wenn, sollte es ernst gemeint sein.

 

Kommen wir zu einem anderen Bereich: Qualitätsmängel gibt es, das ist keine Frage, und ich wiederhole noch einmal: Wenn es die Patientenanwaltschaft nicht gäbe, müsste man sie erfinden, und auch wenn ich mir erlaube, gelegentlich kritische Anmerkungen zu machen, ist das keine Geringschätzung der Funktion, die Sie ausüben, oder der Patientenanwaltschaft, der Sie vorstehen. Ich glaube aber, es ist auch unsere Pflicht, zu sagen, wo wir uns das eigentlich ein bisschen anders vorstellen.

 

Ich komme zur Seite 18, Impfen - Verpflichtung: Das ist natürlich ein sehr heißes Eisen, denn während man sich in einigen Bereichen durchaus überlegen kann, eine Impfpflicht zumindest über - ich sage jetzt eine Hausnummer - 10, 15 Jahre zu überlegen - Masern, Polio -, wäre ich da beim Impfen bei Grippe bei Kindern schon sehr vorsichtig. Hier habe ich den Eindruck, dass Sie sich da weit aus dem Fenster lehnen, denn das Robert-Koch-Institut empfiehlt es an sich nicht. Das hat auch bestimmte Gründe: Die Impfung bei Kindern gegen Grippe ist an sich … Kinder zählen da, laut Robert-Koch-Institut, nicht in die Gruppe, die geimpft werden sollte. Das hängt damit zusammen, dass wir jedes Jahr eine neue Impfung haben, weil sie jedes Jahr ein neues Keimspektrum haben, und sie benötigen für jede Impfung Alterskollektive, das sind Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, und so weiter. Im Rahmen eines Impfzwischenfalls eines sehr geschätzten Kollegen, der nach wie vor übrigens heftiger Verfechter der Grippeimpfung ist - er hat einmal eine Nebenwirkung an sich selber erlebt, die sich auch hundertprozentig wieder entfernt hat -, ist er den verschiedenen Kontrollkollektiven nachgegangen und hat gesehen, dass es bei den Kindern fast keine gibt. Es gibt fast keine Fälle. Und da haben sie natürlich ein Problem, denn wenn sie in diesen Altersgruppen bei den Kindern einfach zu wenig Kontrollpatienten haben, kann man das nicht empfehlen. Das ist sicher einer der Gründe, warum das Robert-Koch-Institut die Grippeimpfung bei Kindern nicht so empfiehlt. Wie gesagt, Masern, Polio, da kann man durchaus reden, da werden Sie sicherlich viele Befürworter finden, für eine verpflichtende Impfung bei Grippe wäre ich vorsichtig.

 

Auch die verbindliche Impfpflicht bei Gesundheitsberufen ist mehr politisch als medizinisch zu sehen. Es ist ein großes Problem, das muss man mit den Personen selber besprechen.

 

Adipositas-Chirurgie: Die Adipositas-Chirurgie ist an sich ein relativ häufig umgesetzter Teil der Chirurgie, und vor allem gibt es derzeit eine sogenannte S3-Leitlinie. Das heißt, es gibt eine deutliche Evidenz, es gibt deutliche Fakten, an denen man eigentlich nicht so ohne Weiteres vorbeigehen kann. Ich verstehe es so, dass in diesem Bericht der Sinn der Adipositas-Chirurgie generell etwas in Frage gestellt wird, was meiner Einschätzung nach bei einer durch eine S3-Leitlinie beschriebenen Behandlungsoption nicht zulässig ist. Man kann und muss selbstverständlich über die Indikationen reden, vor allem bei Kindern, aber dass man jetzt generell die Adipositas-Chirurgie in Frage stellt, das widerspricht eigentlich dem Verwenden von Leitlinien einer hohen Evidenz.

 

Sie haben moniert, durchaus zu Recht, dass es Personen, jugendliche Personen, mit einer psychischen Belastung, et cetera gibt - ich sage Ihnen noch die Seite, wo das steht, das ist die S3-Leitlinie, Seite 48, von der AWMF -, das wäre dann sicher eine Kontraindikation. Kinder, Jugendliche mit psychischen Problemen sollten eigentlich nicht operiert werden. So gesehen ist der Vorwurf, den ich hier sehe, eigentlich bei den Indikationen schon ausradiert.

 

Ich respektiere die Mühe, die Sie sich machen, aber ich glaube nicht, dass es der Sinn der Patientenanwaltschaft sein sollte, Therapieoptionen mit einer S3-Leitlinie generell zu hinterfragen. Aber, wie gesagt, das ist jetzt meine Meinung.

 

Jetzt kommen wir zur Scheinmedizin im Wiener Gesundheitswesen: In diesem Fall wird es sich vor allem um Homöopathiker handeln. Das kann ich grundsätzlich nur unterstützen, erlaube mir allerdings, ein bisschen ein Hintergrundwissen hinzuzufügen. Es gibt ja nicht nur Scheinmedikamente im Bereich der - sagen wir so - esoterischen Medizin, es gibt auch Scheinmedikamente zum Beispiel im hochpreisonkologischen Bereich, die mit einer anderen Indikation, bei einer anderen Grunderkrankung beim zweiten, dritten rezidiv eingesetzt werden.

 

Das hängt mit der rechtlichen Situation in Österreich im Unterschied zu jener in den USA zusammen. In den USA können Sie ein Hochpreismedikament nur bei bestimmten Erkrankungen einsetzen, in Österreich haben Sie bei den ersten zwei Therapieschritten die internatio

 

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