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Landtag, 5. Sitzung vom 24.06.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 33 von 93

 

oder gerade wegen der vielen Entbehrungen der letzten eineinhalb Jahre mehrheitlich verantwortungsbewusst und zukunftsorientiert in unsere Gesellschaft hineinwirkt.

 

Wir sehen strukturell ein Verständnis zur Entlastung der stationären Fremdunterbringung durch den Ausbau von Wohngemeinschaften und vorgelagert den Ausbau der ambulanten Hilfen sowie nachgereiht die Entwicklung und Umsetzung der Angebotsschiene U25 für Jugendliche und junge Erwachsene.

 

Und wir erkennen ein Ringen und Bemühen um ein flächendeckendes Angebot von „Frühen Hilfen“. Wir brauchen anschlussfähige Konzepte zur präventiven Gesundheitsförderung im gesamten Bildungsbereich und entsprechende Transitionen in die Gesundheitsversorgung der Erwachsenen.

 

Wir verstehen all dies als ernsthafte Auseinandersetzung mit der Verantwortung der Stadt Wien für Kinder und Jugendliche im Sinne der Kinderrechte.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Erich Kästner treffend formuliert hat: Lasst euch die Kindheit nicht austreiben. Setzen wir mit vereinten Kräften über alle Grenzen hinweg die von den Kindern und Jugendlichen entwickelten Vorschläge in der Stadt Wien um. Lasst uns alle genau hinhören. Bleiben wir achtsam, denn Kinderrechte können immer wieder verletzt werden. Kinderschutz gelingt in einer solidarischen Gesellschaft, Kinderschutz lebt durch vertrauensvolles Miteinander. Setzen wir uns daher weiterhin für Kinderrechte ein, denn Kinder sind unschlagbar. Danke schön.

 

Präsident Mag. Manfred Juraczka: Ich darf der Kinder- und Jugendanwältin Gharwal ganz herzlich für ihren informativen Bericht danken und nun ihren Kollegen Mag. Nik Nafs um seine Wortmeldung ersuchen.

 

12.21.04

Kinder- und Jugendanwalt Mag. Ercan Nik Nafs|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landesrat! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!

 

Ich durfte natürlich die Diskussion und auch die Fragestunde verfolgen. Es freut mich, dass sich der Wiener Landtag mit den Kindern und Jugendlichen in dieser Intensität auseinandersetzt.

 

Wir haben seit März 2020 alle ein schweres Jahr erlebt. Es gab selbstverständlich Ereignisse in dieser Zeit, die wir die letzten Jahre nicht gewohnt waren. Das eine ist natürlich die Pandemie, die unser Gesundheitssystem, Wirtschaftssystem, Sozialsystem in eine Krise getrieben hat, aber selbstverständlich gab es in dieser Zeit auch traumatisierende Erlebnisse für diese Stadt und für Österreich und natürlich darüber hinaus.

 

Unsere Kinder und Jugendlichen erleben ja diese Dinge hautnah und sehen, was mit ihnen passiert. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft war in dieser Zeit natürlich auch gefordert, ihre Strukturen, ihre Organisationseinheiten, auch die Bereitschaft umzustellen. Ich möchte die lobenden Worte sehr gerne an unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen weitergeben, auch die Kritik nehmen wir sehr gerne an. Sie haben gesehen, unser Bericht hat sich weiterentwickelt. Wir nehmen die Kritik vom Landtag sehr gerne an und versuchen, sie natürlich in unserem Jahresbericht und unserer Tätigkeit weiterzuführen.

 

Wir mussten in dieser Zeit natürlich auch unsere Kompetenzen und Ressourcen umstellen. War es davor gewöhnlich so, dass die Kinder und Jugendlichen und ihre Eltern zu uns ins Büro gekommen sind, Termine vereinbart haben, mussten wir eigentlich innerhalb kürzester Zeit unser Team und die Arbeitsstrukturen umstellen. 100 Prozent Homeoffice für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, meine Kollegin, Frau Gharwal, und ich waren mehr oder weniger im Büro und haben dann den Telefondienst gemacht und versucht, auf alle möglichen Fragen und Beschwerden und natürlich Sorgen unserer Bevölkerung Antwort zu geben. Wir haben eigentlich in kürzester Zeit gesehen, wie schwer unsere Kinder und Jugendlichen und Familien unter Druck gesetzt waren. Auch die Lehrer und Lehrerinnen, die ihre Schüler und Schülerinnen nicht erreichen, oder Elementarpädagoginnen und -pädagogen, die nicht gewusst haben, wie die Arbeit weitergehen kann und wie sie ihre Klientinnen und Klienten erreichen können.

 

Was wir gesehen haben, war aber eine sehr breite und große Bereitschaft, für unsere Kinder und Jugendlichen da zu sein. Diese Bereitschaft hat aber natürlich nichts daran geändert, dass viele Rechte der Kinder und Jugendlichen leider verletzt worden sind. Wenn wir von den Kinderrechten reden, dann reden wir grundsätzlich von drei Prinzipien: Das sind die Versorgungsrechte, Schutzrechte und die Partizipations- und Beteiligungsrechte. Und wenn eine von diesen Prinzipien nicht erfüllt wird, sehen wir die Folgen, was passieren kann.

 

Dabei wird sich für uns die nächste Frage stellen: Kommen wir jetzt gerade noch einmal aus der Krise heraus? Ist das eine Verschnaufpause oder geht diese Krise ab Herbst dann tatsächlich wieder weiter, und in welcher Form kann sie weitergehen? Das steht noch offen.

 

Unser Appell vor allem für die Kinder und Jugendlichen, die nun einmal als einen wesentlichen Sozialisationsraum Schule, Kindergarten und natürlich den öffentlichen Raum haben, ist, dass diese Räumlichkeiten für die Kinder und Jugendlichen offen bleiben, auch wenn vielleicht eine nächste Krise kommen sollte.

 

Ein Aspekt spielt hier natürlich eine große Rolle, die Immunitätsrate für unsere Jugendlichen. Gegenwärtig können sich Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren impfen lassen. Mein Appell ist es, dass wir alles daran setzen, unsere Jugendlichen vor Ort, wo sie sind, das sind meistens Schulen, zu impfen, damit eine Versorgungssicherheit da ist, damit sie ihre pädagogischen Schutzräume haben und ihr Leben weiterhin wenigstens einmal in den Schulen weiterführen können.

 

Und wir dürfen nicht vergessen, die Kinder und Jugendlichen brauchen ihre Familien. Natürlich brauchen sie Versorgung, aber sie brauchen auch die anderen Kinder und Jugendlichen, ihre Freunde und Freundinnen, ihre Schulen, ihre Kindergärten.

 

Lassen wir aus dieser Krise die Chance herauskommen, dass die Kinderrechte im Mittelpunkt stehen, dass Kindeswohl bei allen unseren Entscheidungen, bei Ihren Entscheidungen, aber auch bei den Entscheidungen von Institutionen vorrangig behandelt wird.

 

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