Landtag, 5. Sitzung vom 24.06.2021, Wörtliches Protokoll - Seite 42 von 93
Ich sag‘ das deswegen, weil ja auch viele, viele Patientinnen und Patienten aus der Osthälfte Österreichs auch in Wien ganz selbstverständlich behandelt werden, und jetzt in dieser Krisenzeit noch mehr. Ich halte daher die Angriffigkeit und den Alarmismus, der in diesem Bericht da manchmal aufpoppt, für völlig unangebracht. Ich habe in keiner Phase erlebt, dass sich Gesundheitspersonal vor irgendetwas gedrückt hat. Alle, die erkrankt waren, und das waren gar nicht wenige, und die in Quarantäne waren, haben so schnell als möglich den Dienst wieder angetreten mit einer hohen Motivation, obwohl sie an der Front waren direkt mit allerlei Unbill wie: Schutzausrüstung zuerst nicht vorhanden, dann vorhanden und unangenehm und heiß und lange Dienste, Überstunden, und so weiter. Da gilt auch mein Dank vor allem auch dem Pflegepersonal, die das durchgestanden haben und nach wie vor, weil es ist noch nicht vorbei, Tag für Tag ihre Leistungen für die Menschen erbringen.
Ich komme jetzt zu einem Thema, das mir besonders wichtig ist, und da möchte ich in dem Zusammenhang sagen, dass ich es schade finde, dass das in der Patientenanwaltschaft bis jetzt noch nicht so die Wichtigkeit erzielt hat, wie ich mir das vorstelle. Und zwar glaube ich, dass es auch für uns als Gesellschaft ein sehr wichtiges Thema sein sollte, und zwar geht es um die Ermöglichung von assistiertem Suizid, also um die Sterbehilfe. Der Verfassungsgerichtshof hat 2020 das Verbot von Hilfe zum Selbstmord als verfassungswidrig erklärt. Für mich ist das grundsätzlich nachvollziehbar, dass das Recht auf freie Selbstbestimmung, weil das ist natürlich die Begründung, auch für den Freitod gelten muss. Es wird in der Begründung des Verfassungsgerichtshofes weiter ausgeführt, dass dieses Recht auf freie Selbstbestimmung auch das Recht auf menschenwürdiges Sterben beinhaltet. Damit kann ich mich besonders gut anfreunden, weil ich zu 100 Prozent der Meinung bin, dass jeder das Recht auf menschenwürdiges Sterben hat. Ich arbeite in einer, das ist eh schon bekannt, hämatologisch-onkologischen Abteilung, und da ist neben der kurativen Behandlung, also der Heilbehandlung, dass jemand dann den Krebs nicht mehr hat, was Gott sei Dank sehr oft gelingt, die Begleitung und die Ermöglichung, menschenwürdig zu sterben, oberste Priorität. Das wird in allen diesen Abteilungen so gehandhabt mit unterschiedlichen Ressourcen. Manche haben mehr, manche haben weniger, aber es wird in allen Abteilungen so gehandhabt. Es hat in den letzten Jahren eine gute Entwicklung gegeben, weil wie ich mit Medizin angefangen habe, nämlich zu praktizieren, war ich damit konfrontiert, dass ältere Kolleginnen und Kollegen und auch Pflegepersonal gesagt haben, nein, ein Opioid oder ein Morphin geben wir nicht, weil da wird man abhängig und da wird man süchtig und da haben wir lieber die Menschen in den Schmerzen gelassen. Wenn die ganzen Nicht-Morphin-Mittel nicht mehr gewirkt haben, haben sie Schmerzen gehabt und haben es halt ertragen müssen. Das war früher. Gott sei Dank gibt es das nicht mehr. Es hat sich schon herumgesprochen, dass es nicht notwendig ist, dass irgendein Patient Schmerzen erleiden muss. Da muss man eben so lange versuchen, die unterschiedlichsten Ansätze auszuprobieren. Da gibt es ja immer mehr und immer bessere, um einen Menschen schmerzfrei zu machen. Das muss gelingen, und das wird auch gemacht.
Ich bin der Meinung, dass man da noch einen Schritt weitergehen muss. Ich bin nämlich der Meinung, dass Sterbehilfe so lange kein Thema ist, so lange wir nicht allen Betroffenen ein hochspezialisiertes palliatives Setting anbieten können, und das können wir derzeit nicht. Weil all jene, die dieses Setting erleben haben können, die haben ein menschenwürdiges Sterben und schätzen das auch. Da braucht man nur mit den Palliativstationen in den beiden Spitälern reden, wo sie sind, in Hietzing und im Wilhelminenspital. Da braucht man nur mit denen dort reden, wie sich das anfühlt, diese ganzheitliche Behandlung. Da geht es nicht nur um die Schmerztherapie, die ist wichtig, da geht‘s um: Wie krieg‘ ich Luft? Da geht’s um: Ist mir nicht schlecht? Da werden auch noch Chemotherapien verabreicht, nicht, um jemanden zu heilen, sondern um irgendwelche Lymphknotenschwellungen zu verkleinern, damit sie nicht wo draufdrücken. All das gehört zu einer durchdachten guten palliativen Medizin. Dazu gehört auch die Psychoonkologie, also die psychologische Unterstützung, das Gespräch, auch die Ermöglichung, sich von den Angehörigen zu verabschieden. Das gehört auch dazu und ist jetzt in der Pandemie leider vielfach nicht ermöglicht worden. Das halte ich zum Beispiel für ganz schrecklich, dass man nicht in jedem Fall die Möglichkeit gefunden hat, Sterbende mit den Angehörigen noch zusammenzubringen.
Aus diesem Grund bin ich dafür, dass wir eine gesellschaftliche Diskussion darüber führen, und wir müssen uns bereits beeilen, weil nämlich die Gesetzesänderung bald notwendig sein wird, weil das nämlich nur bis Ende des Jahrs befristet ist. Dann brauchen wir eine neue Regelung, und ich bin für strenge Richtlinien. Ich sage das ganz offen. Ich bin für strenge Richtlinien, damit die freie Selbstbestimmung wirklich garantiert ist, damit das nicht beeinflusst ist durch irgendwelche Psychopharmaka zum Beispiel oder durch Angehörige oder durch gesellschaftlichen Druck, der vielleicht aufgebaut wird: „Bist eh nimmermehr zu nichts nutz.“ Das gibt‘s leider auch, das kommt nur nicht so direkt rüber. Das kommt in der Form rüber: „Geh Tante, aber du hast jetzt wirklich keine Lebensqualität mehr.“ Na, das möchte ich nicht erleben, dass dann aus diesem Grund jemand sagt: „Gut, ja, jetzt nehme ich so einen Sterbehilfeverein in Anspruch.“ Und dazu kommt noch, und das halte ich für ganz wichtig, dass die Sterbehilfe, wenn sie schon sein muss, und ich glaube, dass es ganz wenige Erkrankungen und Fälle, wenn man das so sagen darf, man sagt das nicht gern, gibt, wo das angebracht ist. Wenn jemand diese amyotrophe Lateralsklerose hat, wo man bis oben hin bis zum Hals und alles gelähmt ist, das kann ich verstehen, da bin ich auch dafür, diesem Menschen zu helfen, ja, und den assistierten Suizid von mir aus durchzuführen. Aber nicht als Geschäftsmodell, nicht in Form von Vereinen, wie sie im Ausland, wo das erlaubt ist, überall schon sind, wo viel Geld bezahlt werden muss, damit man ins Jenseits befördert wird. Manchmal
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