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Landtag, 5. Sitzung vom 24.06.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 59 von 93

 

dann die Leute in den Räumlichkeiten dort sitzen und die Füße auf den Tischen von den jeweiligen Abgeordneten haben. Was hier passiert, mit dieser Arroganz, mit dieser Scheinheiligkeit, das ist auch, dass man die Verfassung mit Füßen tritt. Und nichts anderes.

 

Abschließend hätte ich noch einen Wunsch. Es ist, glaube ich, nach mir ein Redner gemeldet, leider nicht von der Regierung. Ich habe es vorher schon gesagt, ich hätte es einfach gerne, dass ein Mandatar, eine Mandatarin von NEOS, SPÖ oder GRÜNEN herauskommt und endlich einmal erklärt, wieso das hier verfassungskonform ist. Oder ihr geht einfach raus und sagt, ja, es ist verfassungswidrig, was wir hier machen, und es ist uns wurscht. Ich hätte wirklich gerne, dass man hier nicht wieder mit inhaltlichen Differenzen kommt, das ist voll okay, sondern einfach nur erklären, wo ist die Verfassungskonformität. Bisher hat das noch kein Einziger machen können. - Danke.

 

Präsident Christian Meidlinger: Als Nächster gelangt Herr Abg. Margulies zu Wort.

 

15.28.40

Abg. Dipl.-Ing. Martin Margulies (GRÜNE)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Ein Satz zu meinem Vorredner: Die ÖVP hat das Wort Verfassung in den Mund genommen: Der kürzeste Witz, den man momentan tatsächlich erzählen kann, wo der Bundespräsident dem Finanzminister die Polizei schicken muss, damit er endlich alles rausrückt. Also wirklich, ich glaube, man muss ein bisschen aufpassen auf Seiten der ÖVP.

 

Aber eigentlich will ich nicht darüber reden, denn wir haben jetzt fast knappe eineinhalb Stunden über die Armut gesprochen, und man sollte nicht über Armut reden und zu Reichtum schweigen. Und da aktuell zwei Reichtumsberichte erschienen sind, einer von der Boston Consulting Group, wo jetzige Mitarbeiter vom Kanzler Kurz früher gearbeitet haben, und einer von der Credit Suisse. Beide erscheinen jährlich und dokumentieren, wie sich der Reichtum in Österreich verändert. Da gilt es angesichts einer Debatte, wo es vielleicht österreichweit im Bereich der Sozialhilfe um 1,2 Milliarden EUR geht, einen Blick auf die Reichtumssteigerungen im letzten Jahr zu werfen, in der Krise.

 

Ich nehme jetzt den Bericht der Credit Suisse her. Die Credit Suisse schätzt den Reichtum in Österreich etwas geringer ein als die Boston Consulting Group, dokumentiert aber, dass im letzten Jahr das Vermögen der Österreicher und Österreicherinnen netto um 190 Milliarden EUR gestiegen ist. Um 190 Milliarden EUR, und wir diskutieren hier, ob wir den Ärmsten in unserer Gesellschaft helfen. Ich dachte immer, das ist eine Selbstverständlichkeit für uns alle. Angesichts der Zahl 190 Milliarden EUR Vermögenssteigerung verblassen ja selbst die Hilfen der gesamten öffentlichen Hand in der Pandemie, summiert ungefähr zwischen 55 und 60 Milliarden EUR. Noch einmal, Vermögensgewinn 190 Milliarden EUR und die Steuereinnahmen aus KöSt und Einkommenssteuer zusammen 9,3 Milliarden EUR. 5 Prozent vom Vermögensgewinn in Österreich wurden letztes Jahr versteuert, und da gehen eine Partei wie die ÖVP und die Freiheitlichen raus und sind den jetzt Sozialhilfe- früher MindestsicherungsbezieherInnen irgendwas auch nur neidig! Liebe Sozialdemokratie, mein Kollege Prack hat es auch richtig gesagt, man kann doch nicht gleichzeitig beim Bund eine Erhöhung verlangen und in Wien kürzen. Aber das lasse ich jetzt weg, weil ich grundsätzlich schon glaube, dass es Ihnen ebenso wie uns ein Anliegen ist. Aber die ÖVP und die Freiheitlichen wollen nicht über den Reichtum reden, ganz bewusst, sie wollen auch nicht das Vermögen besteuern, sie wollen den Grund und Boden nicht besteuern, sondern sie wollen, dass 190 Milliarden EUR Vermögenszuwachs im letzten Jahr nicht angetastet wird.

 

Und was sagt die Credit Suisse, da wir über Geld reden, wie sie die kommenden fünf Jahre einschätzen. Es ist ja schon absurd, dass in der Pandemie das Vermögen wächst. Vielleicht erlaube ich mir noch einen kurzen Exkurs, es gibt nämlich zwei ganz interessante Feststellungen in diesem Bericht, und nein, das ist kein linksradikaler Think Tank, weder die Boston Consulting Group noch die Credit Suisse. Die eine Feststellung, über die gerne nicht gesprochen wird, ist, Vermögen ist sehr resilient gegenüber ökonomischen Verwerfungen. Wir wissen das alle und trotzdem reden Sie nicht über Reichtum, Sie reden lieber über die Mindestsicherung und dass die Leute zu viel Geld kriegen, dass man ihnen aber was wegnehmen muss. Genieren Sie sich nicht angesichts dieses Reichtums, der in Österreich vorhanden ist? Alle miteinander, die da kürzen wollen, genieren Sie sich wirklich nicht?

 

Und die zweite Feststellung ist, dass, wie sie mit Verwunderung schreiben - und ich gebe zu, den Bericht der Boston Consulting Group habe ich noch nicht durchgelesen, würde mich interessieren, ob das dort auch drinnen steht -, genau in diesen Ländern, wo die größten ökonomischen Herausforderungen waren und wo dann auch der Staat sehr viel geholfen hat, der Reichtum am meisten gewachsen ist. Das heißt, wir erkennen in Wirklichkeit, wer die Krisengewinner sind, denn jetzt komme ich zum nächsten Punkt, der im Bericht der Credit Suisse ausgewiesen ist. - Bitte, um das noch einmal klar zu machen: Ich kann mich erinnern, früher hat das die Oesterreichische Nationalbank ja eine Zeit lang auch gemacht, dann ist bekrittelt worden, dass die Österreichische Nationalbank Vermögensforschung macht, und dann ist es wieder eingestellt worden. Okay, machen es halt die Schweizer und schauen sich das Ganze weltweit an. - Nur um zu sehen, wie ungleich es verteilt ist: Der Median des Vermögens in Österreich liegt bei 77.000 EUR. Für alle, die nicht wissen, was der Median ist, sage ich es kurz, der Median ist, 50 Prozent aller in Österreich lebenden Menschen haben weniger. Der Mittelwert, das ist, wenn man wirklich das Vermögen aller Menschen nimmt und dann durchdividiert, liegt deutlich höher, der liegt bei 241.000 EUR. Und warum kommt das zustande? Ja, weil das oberste Prozent in Österreich 25 Prozent des gesamten Vermögens hat. Also anders ausgedrückt, ungefähr 80.000 Menschen besitzen in Österreich einen Reichtum von knapp 500 Milliarden EUR. Das ist ja ein schöner Zuwachs, den haben sie auch

 

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